In den USA wurden drei Vielseitigkeitsreiterinnen mit Amphetaminen im Blut erwischt. Das hat Gabriele Pochhammer dazu veranlasst, sich näher anzuschauen, wie und wie oft Reiter eigentlich zu unerlaubten Substanzen greifen.
Die FEI ist zwar nicht der liebe Gott, aber wie er sieht sie alles. Vor den Namen der drei Vielseitigkeitsreiterinnen Hannah Burnett (32), Jennie Brannigan (31) und Alyssa Phillips (22) in der FEI-Datenbank prangt ein kleines rotes Schild mit weißem Balken, das üblicherweise dem Autofahrer signalisiert: Durchfahrt gesperrt. Ebendies gilt für die drei US-Reiterinnen.
Sie sind, wie berichtet, bis zum 17. November 2018 gesperrt, weil sie bei einer Dopingprobe beim Vielseitigkeitsturnier (CCI1*, CCI2*, CIC3*) in Ocala-Reddick (Florida) positiv getestet wurden. Bei alle dreien fanden sich Substanzen, die auf das Nervensystem wirken. Alle drei hatten unter anderem Amphetamine im Blut, mit denen eine ganze Reihe von Krankheiten behandelt werden können von anormaler Schläfrigkeit (Narkolepsie) über Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) bis hin zu Depressionen etc..
Amphetamine erhöhen die Leistungsfähigkeit, sind deswegen im Sport als Dopingmittel verboten. In den USA werden jährlich sechs Millionen Mal Amphetamine verschrieben. Brannigan nahm die Substanz nach eigenen Angaben nach einer Kopfverletzung mit Gehirnerschütterung. Die Begründung für die Einnahme der verbotenen Substanzen im Fall Burnett wurden im FEI-Urteil nachträglich geschwärzt, auch Phillips gab keine Erklärung ab.
Zugute gehalten wurde den Reiterinnen, dass sie sich nachträglich Rezepte und damit quasi eine Ausnahmegenehmigung beschafft hatten. Mildernd wirkte sich aus, dass sie nur eine „begrenzte Anti-Doping-Erziehung“ („Limited Anti-Doping Education), so wörtlich übersetzt, genossen hätten. Das soll nun in Schulungen nachgeholt werden.
Deutlich mehr gedopte Pferde als Menschen
Seit 2007 sind insgesamt 18 Dopingfälle bei Reitern vor dem FEI-Gericht verhandelt worden, das sind pro Jahr rund 1,6 Fälle. Also nichts, um in Panik zu geraten, könnte man meinen. Und die berühmten „Peanuts“ im Vergleich zu den Doping- und Medikationsfällen bei Pferden. Hier verzeichnet das Tribunal der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) allein für 2017 nicht weniger als 44 Fälle.
Man muss allerdings dazu sagen, dass es sich dabei meist um „Verbotene Medikation“ handelt. Das sind Substanzen, die bei Menschen nicht als Doping gelten, da sie nicht per se die Leistung steigern, sondern Krankheiten behandeln.
Aber dies ist im Pferdesport verboten, aus gutem Grund: Ein Pferd hat nicht die Wahl, ob es trotz einer Verletzung antreten will. Der Mensch kann entscheiden, ob er die Zähne zusammenbeißen und weitermachen will, und deswegen sind die Information über medizinische Behandlungen im Humansport erstaunlich offen.
So kann der Mannschaftsarzt übers Fußballfeld sprinten, um den verletzten Spieler zu behandeln, zu spritzen oder zu verbinden, und weiter geht’s. Im Pferdesport ist inzwischen jede Injektion während eines Turniers verboten, jedenfalls solange ein Pferd noch gestartet werden soll.
Eher Drogen als Doping
Immerhin bei der Hälfte der Dopingfälle bei Reitern sind Rauschmittel und Drogen wie Marihuana, Kokain und Cannabis im Spiel. Einzelfälle oder die Spitze eines Eisbergs – darüber gibt die Statistik keine Auskunft. Auch nicht darüber, ob die Dopingsubstanz gezielt für den Wettkampf eingenommen wurde, oder zur „allgemeinen Lebensführung“ gehört.
Fest steht: Ein probates Mittel zu Leistungssteigerung im Reitsport gibt es nicht. Wer etwas erfindet, von dem man besser reitet, wäre bald Millionär. Insofern haben auch die Dopingkontrollen der offiziellen Kontrollagenturen WADA (International) und NDA (National) kaum mehr als Alibifunktion. Seht her, wir sind auch ernst zu nehmende Athleten – damit können die Pferdesportverbände ihre Treue zur Olympiacharta beweisen.
Für die Sportler bedeuten die Kontrollen oft unzumutbare Peinlichkeiten und Belästigungen. So muss der Top-Athlet, der im entsprechenden Kader und damit im Kontrollprogramm ist, nicht nur ständig seinen Aufenthaltsort melden, er muss auch darauf gefasst sein, zu jeder Tages- und Nachtzeit einem Kontrolleur oder einer Kontrolleurin die Tür zu öffnen und vor seinen/ihren Augen das Urinfläschchen zu füllen. Egal wie eng das Örtchen ist, der Kontrolleur muss mit rein. Das gilt übrigens auch für die Wettkampfkontrollen beim Turnier. Und wie da die sanitären Anlagen manchmal aussehen, will ich gar nicht wissen.
In Sportarten, in denen es gang und gäbe ist, dass Sportler mit allen möglichen Mitteln Kraft und Ausdauer hochspritzen und wissentlich betrügen, muss diese Unbequemlichkeit wohl hingenommen werden. Im Pferdesport gibt es nur politische Gründe.
Daran ändern auch die positiven Proben der drei US-Reiterinnen nichts. Es sei denn, sie wollten sich vor der Geländeprüfung eine wenig Mut einwerfen in Form einer kleinen Pille. Dann sollten sie überlegen, ob Buschreiten wirklich der richtige Sport für sie ist.
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