Wenn Reitweisen aufeinander prallen…

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Zwischen der sogenannten FN-Reiterei und dem Horsemanship liegen in vielen Köpfen noch Welten. Das Werte und Misstände aber gar nicht unbedingt an der Disziplin festzumachen sind, stellt St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer fest.

An einem dieser schönen Sommerabende saßen wir beieinander mit einem Glas Rotwein und wenn drei Pferdeleute zusammen sind, dauert es ja erfahrungsgemäß nicht lange, bis man beim Lieblingsthema angelangt ist. Es ging um Reitweisen. Meine gute Freundin Karin, eine gestandene Pferdefrau mit eigener erfolgreicher Zucht, die auch Lehrlinge ausbildet, sagte beiläufig: „Ich versuche immer, die Leute ein bisschen wegzukriegen von der FN-Reiterei, hin zu Horsemanship.“

Uups. Bei mir schrillte eine Alarmglocke. Ich selbst habe die Grundzüge des Reitens bei einem ehemaligen Kavalleriewachtmeister gelernt, der gelegentlich mal rumbrüllte, wie es heute natürlich niemand mehr darf, aber einem die deutsche, die klassische Reitlehre so erklärte, dass auch eine Zehnjährige sie verstand, der aber vor allem trotz kräftiger Statur ein so feiner Reiter war, mit einer Hand wie Seide, dass auch die hitzigsten Vollblüter, die er sich für kleines Geld von der Rennbahn geholt hatte, zu leistungsfreudigen Lämmern wurden.

FN-Reiten vs. Horsemanship

Er praktizierte dass, was Karin vermutlich „FN-Reiten“ nennen würde. Nun hat die FN, also die Deutsche Reiterliche Vereinigung , noch nie eine Reitweise erfunden und das ist gut so. Sie versucht lediglich, die überlieferte, nennen wir es deutsche, nennen wir es klassische Reitausbildung zu bewahren, den Sport auf dieser Basis zu fördern und neuen Generationen nahe zu bringen. So wie es der verstorbene Paul Stecken tat, der wohl über jeden Zweifel, was seine Haltung gegenüber dem Pferd angeht, erhaben war.

Aber es geht ja noch weiter. Stattdessen „Horsemanship“? Dieser englische Ausdruck bezeichnet unter britischen Pferdeleuten eine durch Sachkenntnis und Verantwortungsgefühl getragene Einstellung zum Pferd. Ein wahrer „Horseman“ oder heute viel öfter die „Horsewoman“ kann das Wesen Pferd lesen, er/sie kennt oder fühlt seine Bedürfnisse und würde nie etwas gegen das Pferd tun. Dann ist es eben kein Horseman, keine Horsewoman. Der Begriff hat sich weltweit verbreitet unter Pferdeleuten aller Sprachen. Auch unter den amerikanischen Cowboys. Heute wird mit Horsemanship eine bestimmte aus Cowboykreisen stammende Reitweise verbunden, die sich ebenfalls weit verbreitet hat. Sie zielt nicht wie die klassische Reiterei auf die Gymnastizierung des ganzen Pferdekörpers, basierend auf seinen natürlichen Bewegungen, sondern weitgehend auf die Herstellung von vertrauensvollem Gehorsam, um es mal sehr verkürzt zu sagen. Ihr erster Guru war Monty Roberts, andere folgten.

Apropos schlechtes Reiten…

Natürlich sind Vertrauen und Gehorsam auch Säulen der klassischen Ausbildung. Das wird von den Kritikern gerne vergessen, die die klassische Reiterei, die sie FN-Reiterei nennen, nur nach ihren negativen Auswüchsen beurteilen. Zusammengezogene Pferde, aufgerissene Mäuler, eng gezurrte Nasenriemen, Sporen-Spuren – das gibt es alles. Und das hat weder mit klassischer Reiterei was zu tun noch mit Horsemanship. Es ist einfach schlechtes Reiten.

Und das gibt es nicht nur bei denen, die denken, sie reiten klassisch. Aufgerissene Mäuler, unterarmlange Kandarenaufzüge, Sporen wie Wagenräder, die gibt es auch beim Westernreiten. Von den gequälten Distanzpferden der arabischen Reiter, die buchstäblich auf dem Zahnfleisch durchs Ziel wanken, wenn sie dort überhaupt ankommen und sich nicht schon vorher die Beine gebrochen haben, will ich hier gar nicht reden.  Die Kritik an diesen Quälereien ist marginal zum digitalen Aufschrei, wenn einer meint, Isabell Werth hätte mal wieder ihr Pferd auf den Kopf gestellt.

So geschehen beim Turnier Stuttgart 2017. Ein sehr gut aufgelegter Don Johnson versucht in der Abreithalle sich seiner Reiterin durch Buckeln zu entledigen. Die wusste das zu verhindern, indem sie vorübergehend die Zügel etwa kürzer nahm, den Kopf tiefer einstellte.  Runterfliegen will schließlich niemand. Don Johnson wurde mit abnehmender Spannung gelassener, schnell war alles wieder in Ordnung. Ich kann das erzählen, weil ich zufällig in diesem Moment am Rande des Abreitevierecks stand. Trotzdem brach ein Shitstorm über Werth herein. Es ist gut, dass die meisten Abreiteplätze für die Zuschauer einzusehen sind, denn alles andere würde den Verdacht unlauterer Methoden schüren. Auf großen Turnieren wie Aachen und Wiesbaden ist man dazu übergangen, den Abreiteplatz durch Video überwachen zu lasen. Das schützt alle, die Pferde, die Reiter, die Stewards, die sich oft Untätigkeit vorwerfen lassen müssen.

Manchmal zu Recht. Und deswegen muss sich die FN als Gralshüterin der klassischen Reiterei immer wieder fragen: Wird auf Turnieren konsequent genug gegen die oben geschilderten Missstände eingeschritten? Oft wohl nicht. Oder hat man sich an vieles gewöhnt, findet normal, was andere aus gutem Grund empört. Arroganz und Flapsigkeit gegenüber vermeintlich Ahnungslosen sind der schlechteste Weg, die klassische Reiterei gegen unberechtigte Angriff zu schützen. Aber das ist noch mal ein anderes Thema.Sneakers Draked Viola | Atelier-lumieresShops | Sneakers search engine | adidas yeezy boost 350 v2 citrin fw3042

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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  1. Ralf Claus

    Wenn Reitweisen aufeinander prallen…
    Sehr geehrte Frau Pochhammer,
    ich liebe ihre Offenheit. Wir haben uns ab und zu fachlich ausgetauscht. Ihnen habe ich es zu Verdanken, dass eine Besitzerin von ca. 20 Pferden der Hof vor mehr als 15 Jahren geschlossen wurde. Artgerechte Ausbildung und Haltung waren damals das Thema. Da ich Experte für Gebisse (C&B und RC) bin, verachte ich auch heute noch solche Reitweisen. Warum machen so viele Leute die Augen zu, wenn Sie sehen, dass Pferde nicht vernünftig geritten werden. Denkt eigentlich Keiner mehr an eine gute Ausbildung? Diese Pferde sind nur noch Opfer iherer Reiter bzw. Besitzer. Reitet ordentlich. Gebt euren Pferden die Zeit, die Sie brauchen. In meiner Vergangenheit musste ein Pferd im Alter von sieben Jahren nicht auf Kandare geritten werden. Heute ist es völlig normal. Warum?


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