Nachgefragt bei Sibylle Vogt, Deutschlands erfolgreichster Rennreiterin

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Was macht eigentlich einen guten Jockey aus? Wie funktioniert der Galopprennsport und wie sieht es dort mit Gleichberechtigung aus? Viele Fragen, über die Gabriele Pochhammer mit einer der erfolgreichsten Rennreiterinnen der Welt gesprochen hat, Sibylle Vogt.

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Sibylle Vogt: in der Schweiz geboren, in Deutschland zuhause, siegreich auf der ganzen Welt. (© www.galoppfoto.de/Sorge)

Schon lange habe ich mich gefragt, warum zwar Mädchen und Frauen fast alle Sparten des Pferdesports erobert haben, selbst so eine herausfordernden Disziplin wie die Vielseitigkeit, aber im Rennsport ein Schattendasein führen. Dass in Deutschland ein Rennen der Gruppe I von einem Pferd gewonnen wird, auf dem eine Amazone sitzt, ist so häufig wie ein Schimmel, der das Deutsche Derby gewinnt. Noch nie passiert.

Dabei gibt es mehr Frauen, die das geforderte Gewicht auf die Waage bringen können als Männer, dachte ich. Und Gefühl für den sensiblen Vollblüter sollten auch viele von ihnen haben. Die Antwort gab mir jetzt Sibylle Vogt, Deutschlands derzeit erfolgreichste Profi-Rennreiterin, die beim Hamburger Derby-Meeting vier Rennen gewann und damit gemeinsam mit André Best „Meeting-Champion“ wurde.

Spitzensportler

„Der Rennsport hat eine gewaltige Dynamik. Wir sind Spitzensportler“, sagt sie. „Und müssen unseren Körper extrem gut kennen.“ Sie weiß genau, wieviel sie trainieren muss und wie viel sie essen, vor allem aber trinken darf, wann sie in der Sauna schwitzen muss und wann besser nicht. „Man kann extrem mit Flüssigkeit spielen“, sagt sie.

Nur so lässt sich das Gewicht aufs Pfund genau ausbalancieren. Natürlich brauche es auch taktisches Geschick und viel Gefühl, aber ohne physische Kraft gehe es nicht. „Vor allem im Finish, wenn man das Pferd im Rhythmus quasi nach vorne schieben muss.“ Und die kann man nur bedingt trainieren. „Bei zu viel Krafttraining baut sich Muskelmasse auf, man wird zu schwer“, sagt sie. „Damit haben dann viele Frauen Probleme.“ Männer natürlich auch. Sie selbst ist 1,68 Meter groß und wiegt 51 Kilo.

Jocketten in Deutschland

Mit bisher 19 Siegen hat die 25-jährige Schweizerin aus Aarau, die im Stall von Carmen und Georg Bocskai in Iffezheim angestellt ist, sich in der aktuellen Jahresrangliste der deutschen Berufsjockeys auf Platz sechs vorgearbeitet. Im vergangenen Jahr gewann sie ein Gruppe III-Rennen, das Busch-Memorial in Krefeld mit Winterfuchs, das war bisher ihr größter Erfolg.

Sibylle Vogt ist erst die dritte Frau, die für einen Ritt im Deutschen Derby gebucht wurde, die zweite, für die es schon der zweite Start war. Mit Anatello wurde sie Zwölfte von 19 Startern, das klingt nicht toll, aber Anatello war keiner, der die Wetter überzeugte, und Fachkommentare hatten ihm die Anwartschaft auf die „Rote Laterne“ attestiert, die der Letzte des Feldes anzünden muss. „Bloß nicht Letzte werden“, hatte sich Sibylle Vogt geschworen.

Das ist schlecht fürs Image, was wiederum entscheiden kann, auf was für Pferden sie am nächsten Renntag Platz nehmen darf. Ob sie einen Ritt auf einem guten, sehr guten oder weniger guten Pferd bekommt, entscheidet über den Erfolg schon vor dem Start. „Es ist wichtig, dass man im Gespräch bleibt“, sagt sie. „Positiv natürlich“.

Chancengleichheit

Das ist ihr in diesem Frühjahr gelungen. Ausgerechnet in der saudi-arabischen Metropole Riad gewann Sibylle Vogt die Rennserie „International Jockey Challenge“, zu der Topjockeys aus aller Welt, davon sieben Frauen eingeladen waren.

Sibylle Vogt, ursprünglich Zweite der Serienwertung, rückte nachträglich auf Platz eins, weil das Pferd des Amerikaners Mike Smith gedopt war. Unter den Zuschauern sah Sibylle Vogt zwar keine Frauen, aber es war das erste Mal, dass in Saudi-Arabien überhaupt Frauen in Rennen starten durften.

Auch außerhalb der Rennbahn und auf der Straße habe sie sich frei bewegen können, ohne Schleier, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 2024 will Saudi-Arabien das Weltcup-Finale Springen und Dressur ausrichten und da macht es natürlich einen guten Eindruck, wenn die Welt erfährt, dass Frauen nicht zwangsläufig unter schwarzen Ganzkörpertextilien verschwinden müssen.

Leben mit Pferden

Sibylle Vogt ist mit Pferden aufgewachsen, allerdings nicht mit Rennpferden. Der Vater ritt hobbymäßig Springen und Dressur und gab der Tochter Reitunterricht. Ihr erstes Rennen gewann Sibylle im Alter von elf Jahren, die Schlussphase einer Reitjagd. Jemandem fiel das talentierte Mädchen mit ihrem schnellen Pony auf, Sibylle Vogt durfte an weiteren Ponyrennen teilnehmen und wurde noch im selben Jahr Schweizer Meisterin.

Da war sie sich schon sicher, dass dies ihr Ding ist, und nach der Schule begann sie ihre Jockey-Lehre bei Carmen Bocskai. Ein Knochenjob, gerade in Corona-Zeiten mit wenigen Rennen und viel Trainingsarbeit zu Hause. Sibylle ist froh, dass inzwischen in Frankreich wie auch in Deutschland wieder Zuschauer zugelassen sind, wenn auch mit Einschränkungen, etwa der Maskenpflicht. „Ich bin sehr sehr froh, dass wieder Zuschauer da sind, die Stimmung ist einfach anders, wenn die Leute mitfiebern“, sagt sie.

Blind Date mit dem Pferd

Sehr oft sitzt sie im Führring zum ersten Mal auf einem Pferd, das ist im Rennsport die Regel. Im Reitsport reden wir ja immer davon, dass Reiter und Pferd ein eingespieltes Team sein sollen. Das müssen sie im Rennsport auch, aber zum Kennenlernen bleiben nur Minuten: Schritt im Führring, einmal Aufgalopp vor der Tribüne, um den Wettern einen letzten Eindruck vor dem Start zu verschaffen, dann ab in die Startbox.

Sibylle Vogt ist es sogar am liebsten, wenn sie das Pferd nie zuvor geritten hat „Dann ist man unvoreingenommen“, sagt sie. Sie hat dann lediglich die Anweisungen des Trainers und ihr Erfahrungsrepertoire, auf das sie zurückgreifen kann.

Das macht am Ende den guten Jockey aus, er hat ein Grundrezept und kann es dann passend verfeinern. Wie ein guter Koch.

Klingt wahrscheinlich einfacher, als es ist.

Bei der International Jockey Challenge in Riad wurden die Pferde verlost, drei von vier Rennen wurden von Frauen gewonnen. Es waren also diesmal nicht Trainer und Besitzer, meist Männer, die entschieden, wer auf welchem Pferd sitzt, sondern das Los. Chancengleichheit nennt man so was und die Frauen haben sie bestens genutzt.

Selbst das größte Jockey-Genie gleich welchen Geschlechts macht aus einem Golf keinen Ferrari und solange man Frauen keine Ritte auf Spitzenpferden gibt, können sie auch nicht den „Arc“ gewinnen. Sieht so aus, das ob das Problem der rennreitenden Frauen mal wieder eines der Männer ist.

 

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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  1. Helmold Baron von Plessen

    Es freut mich wirklich ungemein, dass bei den stets interessanten und aufschlussreichen Blogs von Frau Pochhammer im St. Georg, immer haeufiger Berichte aus dem Rennsport Beruecksichtigung finden. Vielleicht haben meine wiederholten Kommentare auch ein klein wenig dazu beigetragen. Den Bericht ueber Sibylle Vogt finde ich besonders lesenswert und hoffe daher, dass er bei der geschaetzten Leserschaft angemessene Beachtung erfaehrt. Apropos Chancengleichheit der Geschlechter, waeren Interviews aus dem Trainerlager, mit den Damen Sarka Schuetz/Hoppegarten u. Sarah Steinberg/Stall Salzburg/Muenchen, sicher aufschlussreich. Sarah Steinberg ist mit 30 Jahren die derzeit juengste Trainerin Deutschland’s. Freue mich auf die Blogs !


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