Barr-Skandal reloaded?

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Die Schatten der Vergangenheit drohen den deutschen Springsport einzuholen. Der TV-Sender RTL verfügt angeblich über belastendes Bildmaterial, auf dem das verbotene „Barren“ zu sehen sein soll. Die FN reagierte mit einer Anzeige gegen Unbekannt.

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) ist ein gebranntes Kind, wenn es um Skandale geht, vor allem wenn Tierquälerei dabei eine Rolle spielt. In der Vergangenheit musste sie sich häufig vorwerfen lassen, erst zu reagieren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen war, wenn Fakten auf dem Tisch lagen, die den Reiterverband in Erklärungsnöte brachten.

Dumpfe Ratlosigkeit

Während sich FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach an den Barr-Skandal 1990 nicht mehr erinnern kann –  klar, da war er auch noch viel zu klein – kann ich jetzt mal die Gnade der frühen Geburt nutzen. Kurz vor den ersten Weltreiterspielen 1990 veröffentlichte der „Stern“ Bilder von Auktionspferden, die bei jedem Sprung durch einem Schlag mit einer Stange „sauber“, sprich vorsichtig gemacht wurden, von einem Helfer, der hinter einem Busch hockte und hervorsprang, wenn das Pferd über dem Hindernis war. Nachgeschoben wurde vom „Stern“ ein Bericht über den Einsatz von Elektroschocks, Reißnägeln und Säure, mit denen deutsche Springreiter angeblich den Erfolg suchten.

Ein Aufschrei ging durch die Medien, jemand kam in Stockholm auf die blöde Idee, eine Pressekonferenz einzuberufen, in der die deutschen Springreiter zum Abschuss freigegeben wurden. FN-Präsident Graf Landsberg und Karsten Huck, der einzige des Teams, der nicht auf den belastenden Videos abgebildet war, verlasen nichtssagende Statements, der heutige Bundestrainer Otto Becker sagte, er sei mit gemischten Gefühlen nach Stockholm gekommen, René Tebbel wiederholte mehrmals, was man ihm eingebläut hatte: „Ich schließe mich Karsten und Otto an.“ Sie taten einem am Ende nur noch leid, und die WM-Silbermedaille fürs Team war wirklich unter erschwerten Bedingungen erkämpft.

„Die Weltpresse kochte, die in großer Zahl angereisten deutschen Funktionäre verfielen in dumpfe Ratlosigkeit, die deutsche Reiterführung bot ein Bild des Jammers“, schrieb ich damals.

„Verpixelte Schnipsel“

So sollte es nicht nochmal laufen und so ist die heftige Reaktion der FN auf Informationen zu verstehen, dass der Privatsender RTL über Videomaterial verfüge, das einen Reiter, gerüchteweise einen Kaderreiter, bei dem verbotenen Barren zeige.

Es gab einen Kontakt zwischen FN und RTL im Juli 2020, nochmal im September. „Das schlief dann relativ schnell ein“, sagt FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach. (Höre ich da eine kleine Erleichterung raus?) Bei einem erneuten Kontakt im Februar wurde der Verband um Stellungnahme gebeten, der um Einsicht in das Material bat.

Was ein RTL-Sprecher als „Repräsentative Ausschnitte“ aus dem gesamten Videomaterial bezeichnete, waren nach Aussage von Lauterbach lediglich sekundenkurze stark verpixelte Schnipsel, auf denen nicht zu erkennen war, wer was wo mit welchen Pferd getan hat und ob es sich tatsächlich um einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz handelt. Deshalb entschloss sich der Reiterverband zu einer Anzeige gegen Unbekannt wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz bei der Polizei NRW. „Wenn an den Vorwürfen nichts dran sein sollte, umso besser“, sagt Lauterbach.

Zurückgerudert

RTL rudert inzwischen zurück und hat angekündigt, das Material nicht auszustrahlen. Denn es könne „nach Rücksprache mit Experten kein eindeutiger Verstoß gegen das Tierwohl respektive ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz unzweifelhaft bewiesen werden“, sagte eine Sprecherin des Senders. Um welche Experten es sich handelt, wurde mit Berufung auf den Datenschutz nicht mitgeteilt, auch nicht der Name des Reiters.

Das Material nur für eine skandalierende Berichterstattung nutzen zu wollen, weist der Sender ganz weit von sich. Die FN selbst kann nur gegen jemanden tätig werden, der sich ihrem Regelwerk unterworfen hat, etwa indem er eine Turnierlizenz beantragt hat.

Die FN hat sich entschlossen gezeigt, die Sache aufzuklären, und zwar in einem frühen Stadium. Das ist gut so. RTL ist auf der anderen Seite natürlich nicht verpflichtet, seine Recherchen preiszugeben, das würde kein Journalist, der was auf sich hält, so ohne weiteres tun.

Es sei denn, es handelt sich um einen Straftatbestand, verbotenes Barren ist einer. Den zu verschweigen – gegenüber der Polizei, nicht der FN – ist Beihilfe zu dieser Straftat. Das Material monatelang zurückzuhalten, bedeutet, billigend in Kauf zu nehmen, dass in dieser Zeit weiter Pferde gequält werden.

Der Schritt der FN ist deswegen richtig, auch wenn am Ende nicht viel dabei herauskommen wird. Es sei denn, die Polizei verlangt von RTL die Herausgabe des Bildmaterials und tatsächlich ist darauf verbotenes Barren zu sehen. Dann hat sich die Aufregung gelohnt.

Bald Ausbildung zum „Touchiermeister“?

Als Folge des Barr-Skandals 1990 wurde ein Jahr später die „Potsdamer Resolution zu reiterlichen Haltung gegenüber dem Pferd“ verabschiedet und in die FN-Ausbildungsrichtlinien ein Passus eingefügt, in dem zwischen dem verbotenen Barren und dem erlaubten „Touchieren“, unterschieden wurde. Das wurde damals schon als Mogelpackung kritisiert.

Ein Pferd mit einer nicht mehr als 2000 Gramm schweren Stange, die nicht aus Metall sein darf, zu „touchieren“, während es ein Hindernis überwindet, ist beim Training zuhause erlaubt, um seine Aufmerksamkeit vor dem Hindernis zu erhöhen. Das Touchieren darf nur „von erfahrenen, routinierten Pferdefachleuten durchgeführt werden, die über genügend Gefühl, Sensibilität und Erfahrung verfügen,“ heißt es in den Richtlinien.

Fragen drängen sich auf: Gibt es ein Training im Touchieren, oder wie bekommt der „Touchiermeister“ die notwendige Erfahrung? Wie will man kontrollieren, dass nicht doch heftiger zugeschlagen wird? Thies Kaspareit, FN-Ausbildungsleiter, weiß um die Schwachstelle. „Da haben wir noch nicht die ideale Lösung gefunden“. Der Passus solle überarbeitet werden, kündigte er an. Dafür wird eine Kommission aus Trainern, Funktionären und Wissenschaftlern gebildet.

Sie wird sich auch mit der Frage beschäftigen müssen, ob die Öffentlichkeit heute, 30 Jahre nach dem ersten Barr-Skandal, noch eine Methode akzeptiert, mit der Pferde mit künstlichen Mitteln zu höheren Leistungen animiert werden. Auch wenn sie nicht mehr Barren heißt und Touchieren definitiv feiner klingt.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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  1. Andreas

    Diese Regel muß komplett verboten werden, damit Klarheit herrscht, sonst kommt das Thema immer wieder mal (zu Recht) auf den Tisch. Ähnlich, wie beim Thema Schlaufzügel.
    Entweder ein Pferd ist vorsichtig, oder nicht.

  2. bschorr dietmar

    der profi reitet sein pferd etwas dichter an sprung das es einen fehler macht das muß einen guten
    pferd reichen wenn nicht ist es zum springsport nicht geeignet


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