Mitten in Westfalen, zwischen den prachtvollen Bäumen rund um die Surenburg und den Wiesen und Weiden der umliegenden Bauernhöfe haben der vierfache Olympiasieger Ludger Beerbaum und sein Team von Riesenbeck International in wenigen Monaten die Europameisterschaft der Springreiter auf die Beine gestellt. Es war wie die Rückkehr in eine schöne alte Welt. Mit der EM hat Riesenbeck in der ersten Reihe internationaler Top-Veranstaltungen Platz genommen. St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer mit einem Rückblick auf ein sonniges Wochenende.
Zwar regierte immer noch Corona, aber nur ein bisschen: Auch Geimpfte mussten sich im 48-Stunden-Takt testen lassen, lästig, aber Vorschrift vom Amt. Nur beim Essen und vor dem Computer durften die Masken runter. Unsere Pressestelle, die in geradezu feudalem Ambiente im Hotel Surenburg untergebracht war, unterschied sich wohltuend von den Betonverliesen, in denen wir schon gearbeitet haben. Versorgt wurden wir üppig, wenn auch die Umerziehung zum Vegetarier wohl nicht bei jedem geklappt hat. Aber da gab es ja immer noch den Gang zur Bratwurstbude. Wobei wir natürlich schon glücklich sind, wenn das W-LAN funktioniert, die Ergebnisse schnell da sind und die Mixed Zone, wo man die Reiter treffen kann, gut erreichbar ist. In Riesenbeck waren es von der Tribüne nur ein paar Schritte, ab Tag zwei gab es da auch W-LAN und ein behelfsmäßiger Tisch für unsere Computer wurde auch organisiert. Flexibilität ist halt alles. Die Zeiteinteilung so zu gestalten, dass das Ergebnis nicht erst feststeht, wenn alle Zeitungsredaktionen ihr Blatt dicht haben, liegt sicherlich nicht in der Hand des Veranstalters, sondern des Fernsehens – die alte Leier.
Die Szene genoss das Wiedersehen
Es waren 3250 Zuschauer zugelassen, das sorgte am Sonntag dann doch für ein gewisses Getümmel in der Ausstellung, wo es alles zu kaufen gab, was die modebewusste Reiterin sucht, viel Blingbling an allem und jedem Zubehörteil, die Helme sind inzwischen das Tummelfeld von Kreativen, warum nicht? Arundell Beerbaum, die Frau von Ludger, überwachte höchstpersönlich, dass an ihrem Stand mit exklusivem Outfit die Geschäfte gut liefen. Man traf viele Leute, die man lange nicht gesehen hatte, man konnte überall am Rande des Abreiteplatz zuschauen, wie jeder Reiter sein Pferd anders vorbereitete, oder einen Blick auf den Sandturnierplatz gleich nebenan werfen, wo beim CSI** um Platz und Sieg gesprungen wurde. Ich habe nicht weniger als fünf Riesenbildwände gezählt, auf denen das Geschehen verfolgt werden konnte: zwei in der Arena, eine am Abreiteplatz, eine hinter der Tribüne und eine in der Ausstellung, wo man sitzen, essen und trinken konnte. Das nenne ich Luxus!!
Nicht mehr verbieten als nötig, nicht absperren, wo Leute gerne mal gucken wollen, das schuf in Riesenbeck die seltene Mischung zwischen familiären Dorfturnier und internationalem Top-Sport Event. So wurde den Medien etwa der unkomplizierte Zugang zum Parcours ermöglicht. Wer wollte, konnte sich Ludger Beerbaum oder seinem Stalljockey Philipp Weishaupt bei ihren Rundgängen anschließen. Da konnte man mal erfahren, an was Reiter denken müssen, bevor sie durch die Startlinie galoppieren. Der Plan beschränkt sich ja nicht nur auf das Zählen von Galoppsprüngen. Wo steht das Hindernis? Nach einer Wendung? Leicht bergab? Was kommt danach? Welcher Rhythmus ist für mein Pferd am besten? Ist es eine optische Falle, also schwer zu taxieren? Liegt die Stange einigermaßen fest oder ist die Mauer „leicht wie Legosteine“, wie es Philipp Weishaupt von einem weißen luftigen Gebilde im Finalkurs sagte. Im Parcours sind eben nicht nur die hinlänglich bekannten Körperteile gefragt, sondern auch der Kopf.
Stolze Omas und Opas
Es war das Wochenende der stolzen Großmütter und -väter, die ihren Nachwuchs präsentierten. Graf Hardenberg, der Hausherr in Nörten-Hardenberg, hatte offensichtlich Spaß an seinem Babysitterdienst bei Enkel Antal, einem gelockten Wonneproppen, während Mutter Pauline den Fotomotiven hinterhereilte. Barbara Beerbaum war mit Giselle und Paolo, den Kindern ihrer Tochter Vivian Schockemöhle, unterwegs, Vater ist der Italiener Emanuelle Camilli, der auch im Parcours zu sehen war, Sechster im Großen Preis wurde. Baby Giselle verschlief die meisten Ereignisse im Kinderwagen, aber der fünfjährige Paolo ist schon gewiefter Small Talker, ein Hingucker mit seinem fröhlichen Lachen und den dunklen Augen. Und, wie Oma Barbara stolz erzählte, als er es nicht hören konnte: „Sein Italienisch ist genauso gut.“ Gelungener Outcross, würde der Züchter sagen.
Im Parcours traf ich Markus und Meredith Beerbaum mit ihrer elfjährigen Tochter Brianne, die auch schon von einer Karriere im Springsattel träumt. „Ich halte schon nach dem passenden Pferd Ausschau“, sagte Meredith.
Von Borkenkäfern und 99 Jahren Pferdesport
Natürlich war auch Hausherr Philipp Freiherr Heeremann v. Zuydtwyck täglich vor Ort, der das Gelände der Reitsportanlage Riesenbeck International für 99 Jahre in Erbpacht zur Verfügung gestellt hat. Sonntag morgens hatte er mit einer Journalistengruppe einen Rundgang durch seinen Wald gemacht. Der Forst ist die Leidenschaft des Barons. „Ich bin hier der Holzwurm“, hat er mal gesagt. Er ist auch Präsident des Waldbauernverbandes NRW, für die CDU politisch engagiert und kämpft für die Belange der Waldbesitzer, die durch den Klimawandel von Stürmen und Borkenkäfer ärger gebeutelt sind als jede Generation vor ihnen.
Was immer die Global Equestrian Group vorhat, zu der Riesenbeck International zusammen mit Helgstrand Dressage und dem Reitzentrum Palm Beach gehört, und die wiederum unter dem Dach des Hedgefonds Waterland angesiedelt ist – es wird in den nächsten 99 Jahren nur Pferdesport auf dieser herrlichen Anlage mit ihren fünf Prüfungsplätzen und 312 Luxusboxen für Gastpferde, geben. So stehe es im Pachtvertrag, sagt von Heeremann. Weitere Investitionen wurden angekündigt. Die Springreiter-Europameisterschaft war erst der Anfang, 15 Turniere pro Jahr sind geplant, auch größere. CEO Ludger Beerbaum spricht von Nationenpreisen. Für 2023 hat man sich bei der FEI um die Europameisterschaft Dressur beworben, die Chancen stehen gut, Riesenbeck International ist bisher der einzige Bewerber.
Aber auch junge Pferde und Reiter werden weiterhin ihren Platz in Riesenbeck haben, bei den Late Entry Turnieren, im Winter alle 14 Tage, die zugleich auch ein Marktplatz für den Handel mit Klassepferden und ein Präsentierteller für die Nachzucht der Beerbaum‘schen Hengststation sind. Aus dem Hotel Surenburg kann man einen Blick in die bescheidene Halle des ländlichen Reitvereins Riesenbeck werfen, nicht anders als viele tausend Reithallen im Land. „Reiten lernt man nur durch Reiten“ steht da an der Wand. Ein alter Spruch, aus Kavallerie-Zeiten, auch heute noch modern und irgendwie die Wurzel, aus der alles wuchs, was hier entstanden ist. Hier wurden schon viele Träume von großen Reiterkarrieren geträumt. „Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind große Träume hatte, und dass ich diese Träume verwirklichen konnte“, sagt Ludger Beerbaum. „Jetzt möchte ich noch mehr Zeit damit verbringen, andere zu unterstützen, das Gleiche zu tun.“ Klingt verlockend.
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