Vor gut zwei Wochen hatte sich ein St.GEORG Team, bestehend aus Fotograf Thomas Ix und Redakteurin Dominique Wehrmann, auf die Reise nach Polen gemacht, um dort Anita Krylova, ihre Familie, Freunde und Pferde kennenzulernen, die kurz zuvor aus Kiew in Ostpolen eingetroffen waren. Bei der Gelegenheit verriet Anita uns, dass es ein Lebenstraum von ihr sei, einmal zur Equitana zu kommen und Linda Tellington-Jones zu treffen. Den haben die Equitana und St.GEORG ihr ermöglicht, und es war ein voller Erfolg.
Der erste Tag im Büro nach unserer Polen-Reise. Eine meiner ersten Taten war es, eine E-Mail an das Equitana-Team zu schreiben: eine vorsichtige Anfrage, ob es vielleicht möglich wäre, Anita wie auch immer gemeinsam mit uns die Reise zur Equitana zu ermöglichen. Ich hatte die E-Mail gerade abgeschickt, da rief das Team schon an: „Auf jeden Fall! Wir haben deinen Blog gelesen und hatten selbst schon dran gedacht.“ Die Equitana stellte Hotel, Eintrittskarten und Shuttleservice, St.GEORG die Flüge für Anita und ihren Mann Maksym. Innerhalb weniger Stunden war alles gebucht und organisiert. Und dann war auch schon der 7. April und Anita und Maksym kamen in Essen an.
Ihre erste Reise nach Deutschland war ziemlich verregnet. Aber das war egal. Am nächsten Morgen empfing ich Anita und Maksym am Eingang zu Halle 6, wo der Shuttle-Service sie abgesetzt hatte. Anita, hochschwanger, hatte die gelbe Fleecejacke ihres eigenen Teams, der „Liberty Horse Association“ an. Aus dem Auto auszusteigen, fällt ihr bereits etwas schwer, aber Maksym war zur Stelle und half ihr. Und dann ging die Tür zur Halle 6 auf und Anita war drin in der Equitana. Sie schaute sich um – und brach erstmal in Tränen aus. Seit 15 Jahren träumt sie davon, hier einmal herzukommen. Nun war dieser Traum in Erfüllung gegangen.
Rund drei Wochen war es her, dass sie aus ihrer Heimat, der Ukraine, vor Putins Bomben hatte fliehen müssen. Im Schlepptau ihre eigenen zehn Pferde und eines von einem ihrer Team-Mitglieder, zwei Hunde, eine Katze, Familie und Freunde. Sie dachte, sie hätte alles verloren gehabt, eben bis auf das nackte Überleben ihrer zwei- und vierbeinigen Freunde. Und nun war sie hier. „Ich kann es nicht glauben“, schluchzte sie wieder und wieder und wir nahmen uns fest in den Arm. Ein sehr berührender Moment. Nach einigen Minuten hatte sie sich beruhigt. Sie hatte mich schon am Vortag gebeten, ob ich ihnen die wichtigsten Wege auf der Messe zeigen könnte. Die kenne ich gut, denn wenn Equitana ist, arbeite ich seit vielen Jahren für dieses tolle Team. Also wurden alle Vormittagstermine verschoben und wir schoben uns mit den Besucherströmen durch die Hallen.
Anita muss sich gefühlt haben, wie ein Kind im Süßwarenladen. Immer wieder: „Oh schau mal!“ und „Oh, warte mal!“ Ich zeige ihnen Dr. Helmut Endes Tierarzt-Lehrschau. Die ist faszinierend! Schließlich organisiert Dr. Ende mit seinem Team für jeden einzelnen Messetag eine echte, beatmete Pferdelunge und ein schlagendes Herz, die sie im gefrorenen Zustand aus einem Schlachthof bekommen und die dann aufgetaut uns ausgestellt werden. Klingt ekelhaft, ist aber tatsächlich sehr interessant und aufschlussreich – besonders angesichts der Tatsache, dass ein Blick auf die Lunge eines Pferdes erahnen lässt, warum Pferde so anfällig für Atemwegserkrankungen sind. Für Anita ist das besonders interessant, denn wie sie mir erst heute Morgen beim Frühstück verraten hat, hatte sie einst Tiermedizin studiert, ehe sie sich auf die Arbeit mit Pferden spezialisiert hatte.
Maksym spricht kaum Englisch, Pferde mag er, aber nicht mit der besessenen Leidenschaft seiner Freundin. Seine Augen begannen zu glänzen, als wir in Halle 3 ankamen, Traditionell dem Areal, in dem die neuesten Maschinen, Fahrzeuge und Stallzubehör präsentiert werden. „Ich könnte ihn eigentlich hierlassen“, witzelte Anita. Aber das kam natürlich nicht infrage. Denn um 13 Uhr hatte sie eine wichtige Verabredung: Sie würde Linda Tellington-Jones treffen, die Legende der Pferdewelt, die mit ihren TTouches das Leben so vieler Menschen und Tiere berührt und verändert hat. Die Equitana feiert dieses Jahr 50-jähriges Jubiläum. Beinahe ebenso alt ist die Beziehung von „LTJ“ zur Weltmesse des Pferdesports. Nun ist sie 84, hat mehr Energie als mancher Aussteller mit 48 Jahren und kommt weiterhin zu jeder Equitana nach Essen aus den USA eingeflogen, bislang sogar von Hawaii, aber seit wenigen Wochen ist sie nach Florida gezogen. Ganz in der Nähe vom Pferde-Paradies Wellington, erzählte sie.
Treffen mit Linda Tellington-Jones
Linda ist beschäftigt, als wir an ihrem Stand ankommen. Anita sieht sie von weitem, erneut kommen ihr die Tränen. Seit 15 Jahren ist es ihr Herzenswunsch, Linda zu treffen. Die TTouches hat sie sich selbst über Bücher auf Russisch und Videos beigebracht. Ihr Lieblingsbuch von Linda Tellington-Jones hat sie in der Tasche, sie hätte so gerne ein Autogramm. Was sie bekommt, ist viel mehr.
Eine der LTJ-Mitarbeiterinnen, die schon wussten, dass Anita kommen würde, gibt Linda ein Zeichen. Sie wendet sich Anita zu, nimmt sie in den Arm und hält sie erstmal. Denn es scheint, als bräche aus Anita einmal mehr alles an Emotionen heraus, was sie in den vergangenen Wochen auf der Flucht, vor ihrer neunjährigen Tochter und ihrem Team hatte zurückhalten müssen. Maksym steht daneben und hält mit dem Handy das Treffen für die Ewigkeit fest. Er zwinkert mir zu, ich lächle zurück. Wir beide wissen: Das ist Anitas Moment. Und der dauert mehrere Stunden.
Den halben Tag verbringt sie mit Linda, kann endlich all ihre Fragen loswerden, die sie zu den TTouches hat und lässt sich von Linda manches zeigen. Die wiederum ist selbst froh, diese couragierte junge Frau kennenlernen zu dürfen, die so mutig darauf beharrt hat, dass eine Flucht aus dem Kriegsgebiet nur MIT ihren Pferden möglich ist. Ansonsten würde sie nicht gehen. Darüber hatten wir ja bereits berichtet. Ich verlasse Anita und Maksym nun erstmal, um meiner eigentlichen Arbeit hier auf der Equitana nachzugehen. Gleich ein Interview mit Benjamin Werndl, zurück in die eigene Welt. Mit Anita und Maksym verabrede ich mich für 18 Uhr, um ihnen ihre Tickets für die Hop Top Show zu geben.
Um 18.10 sind die beiden am vereinbarten Treffpunkt: „Entschuldige, dass wir ein bisschen spät sind, aber da war eine Vorführung, die musste ich noch zu Ende sehen!“ Ja, sie sei schon ein bisschen erschöpft, „aber ich konnte mich einfach nicht losreißen und irgendwo hinsetzen!“ Ich muss grinsen. Keine Frage, Anita hat das Equitana-Virus erwischt. Ich gebe den beiden ihre Tickets und wir besprechen noch ihre Rückreise am nächsten Morgen, dann verabschieden wir uns und die beiden machen sich auf den Weg Richtung Essensstände, um sich für den Abend zu stärken.
Der schönste Tag im Leben
Am nächsten Morgen habe ich bereits eine Nachricht von Anita auf dem Handy: „Die Show war so toll! Ich bin schon wieder am Weinen …“ Wir sind im selben Hotel untergebracht und treffen uns am Frühstücksbuffet. Ich frage sie, welche Acts ihr denn am besten gefallen haben. „Alizee!“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Wir unterhalten uns über die französische Dressurreiterin, zu der unser Shuttlefahrer nur sagte: „Wer bei Alizee Froment nicht weinen muss, ist kein Mensch!“ Recht hat er. Was die Französin mit ihrem Lusitano Sultan und ihrer kleinen Tochter zeigt, ist wirklich Kunst. Reitkunst, Horsemanship und visuell eine Augenweide. Das berührt. Auch Anita. Ich schlage ihr vor, sich doch mal für den Show Cup der Equitana zu bewerben, bei dem ja schon manche Karriere begonnen hat, wie etwa die von Lorenzo. Ich habe Anita mit ihren Pferden arbeiten gesehen. Ich habe gesehen, wie begierig sie alle sind, etwas für ihre zweibeinige Freundin tun zu dürfen. Und was sie uns da in fünf Minuten auf dem Paddock gezeigt hat, war mehr als ich bei so manchem Show Cup-Teilnehmer gesehen habe. Ich halte das echt nicht für unrealistisch. Anita guckt mich an, überlegt und sagt dann: „Ja, vielleicht ist das mein nächster Traum. Der von der Equitana ist ja nun in Erfüllung gegangen.“ Ich antworte ihr: „Ich glaube, mit diesem Traum hast du mehr, als manch anderer, der nicht sein Heim und einen Großteil seiner Freunde in einem Kriegsgebiet zurücklassen musste.“ Wir lächeln uns an, und beenden in schweigendem Einvernehmen unser Frühstück.
Ich begleite die beiden noch zum Auto. Anita drückt mir ihre Einkäufe in die Hand, von denen sie nicht sicher ist, ob sie sie mit ins Handgepäck im Flugzeug nehmen kann. Kein Problem, ich nehme sie mit und wir schicken sie per Post. Draußen verabschieden wir uns mit einer innigen Umarmung. Immer wieder bedankt Anita sich. „Das war der schönste Tag in meinem Leben!“ Irgendetwas sagt mir, dass da noch andere kommen werden.
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Naja, etwas kitschig geschrieben, dachte ich, musste aber ein paar Taschentücher hinzuziehen. Schön, dass es geklappt hat.
HILFERUF aus der UKRAINE von einem bekanntem Zuchtbetrieb mit über 300 Pferden:
Das ukranische Kharkov Gestüt (einer der besten und grössten Zuchtbetriebe für ukrainische Sportpferde) sendet seit Wochen SOS Meldungen über das Internet heraus mit der dringenden Bitte um Hilfe für den Ankauf von Futter um die rund 300 Pferde des Gestüts retten zu können.
Der Gestütsdirektor Herr Leonty Nikolaevich ist trotz der sehr gefährlichen Umstände bei den Pferden geblieben da er die Tiere nicht im Stich lassen möchte. Futter kann man aus dem Umkreis beziehen nur reichen die finanziellen Mittel des Gestüts dafür nicht mehr.
Daher die Bitte an die St.Georg Redaktion:
Bitte tragen Sie den HILFERUF des ukrainischen Kharkov Gestüts der breiten Öffentlichkeit zu und helfen Sie so direkt mit den rund 300 Pferden an ihrem Heimatstandort das Überleben zu sichern.
Den Gestütsdirektor Leonty Nikolaevich können Sie telefonisch unter +380503233687 erreicht werden. Auf der Homepage konezavod.com sind alle Angaben zum Gestütsbetrieb zu finden.
Hallo Caro,
Vielen Dank für den Hinweis! Leider spricht Herr Nikolaevich kein Englisch. Aber wir haben die Nummer weitergeleitet und sind dran.
Beste Grüße, Dominique Wehrmann
Hallo Frau Wehrmann, Können Sie mir bitte Ihre Email Adresse senden ?
Sende Ihnen weitere Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme zu
[email protected]