Moment mal! Kein Wifi, kein Strom, kein Kaffee

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Beim Sportforum der Internationalen Reiterliche Vereinigung (FEI) in Lausanne ging es nicht nur um die große Bühne, wie die Olympischen Spiele, sondern es ging auch darum, was auf großen und kleinen Turnieren hinter den Kulissen geschieht und geleistet werden muss. Da gibt es zuweilen Probleme, von denen Champagner-schlürfende VIP-Zeltbewohner nichts ahnen.

In einer groß angelegten Umfrage hat die FEI im letzten halben Jahr die Wünsche und Sehnsüchte der Stakeholders, also der Gruppen, die am Turniersport beteiligt sind, erforscht, der Reiter, der Organisatoren, der Pferdebesitzer, der Funktionär und der Pfleger. Mehr als 2000 Personen hatten die Fragebögen zurückgeschickt, die beim FEI-Sportforum in Lausanne jetzt vorgestellt wurden. Zum Auftakt der zweitägigen Forums wurde die Zusammenarbeit zwischen der FEI und den der „International Grooms Association (IGA)“ durch ein „Memorandum of Understanding (MOU)“ besiegelt. Wie die Gründerin des Verbandes, Lucy Katan, erklärte, kann jeder Pfleger, der Pferde auf internationalen Turnieren betreut, Mitglied werden und das Angebot nutzen, wie Weiterbildung, Karrieretipps und den Erfahrungsaustausch untereinander.

Der schöne Schein

Ist der Pfleger glücklich, sind es auch alle anderen, das Pferd, der Reiter, der Besitzer. Aber gerade „Backstage“ liegt noch vieles im Argen, wie die Umfrage offenbarte. Eine Pflegerin internationaler Eventer erinnert sich noch gut an den Tag, als sie frühmorgens beim Schein einer Taschenlampe, die sie sich notgedrungen zwischen die Zähne geklemmt hatte, ihrem Pferd die Stollen eindrehen musste, denn vernünftiges Licht gab es mangels Strom nicht. Viel zu wenig Steckdosen – ideal ist für jede zweite Box – führen anderseits oft zu abenteuerlichen Konstrukten, bei denen jedem Feuerwehrmann die Haare zu Berge stehen.

Andere Pfleger erzählen von weit entfernten Toiletten von zweifelhafter Hygiene, Stallgassen, die, vollgestellt mit Turnierkisten und Stühlen, zur Stolperfalle für Mensch und Tier werden, weil zusätzlicher Raum für das Equipment nicht vorgesehen ist. Es fehlt meist ein ruhiges Plätzchen, wo sich diejenigen ausruhen können, die während der Turniertage einen (oft kümmerlich bezahlten und sozial schlecht abgesicherten) 24-Stunden Job haben, aber keine Zeit, in langen Schlangen um Essen anzustehen. Lucy Katan wurde deutlich: „Wir sind schon zufrieden, wenn wir Kaffee und Tee bekommen und leicht erreichbares Essen, auch Duschen und WCs, die okay sind, aber was wir am dringendsten brauchen, ist Internet. Ohne Wifi können wir unser Leben nicht führen.“ Die Macher (und Großverdiener) von Instagram, TikTok, Facebook und Co werden’s mit Vergnügen hören.

Funktionierendes Internet stand in der FEI-Umfrage dann auch ganz oben auf der Wunschliste der Grooms. Schützenhilfe bekamen sie unter anderem von Vielseitigkeitslegende Andrew Hoy: „Wifi ist heutzutage kein Luxus mehr, es ist ein Must.“

Mangelnde Stallsicherheit

Für uns Medienvertreter ist der Stallbereich schon lange eine Tabuzone. Es soll hier möglichst wenig Unruhen und Störungen geben. Das haben wir akzeptiert, es ist quasi die Privatsphäre der Pferde und der Menschen drum herum und man würde ja auch nicht so ohne weiteres in anderer Leute Wohnung marschieren. Umso erstaunter ist zu beobachten, wer sich alles in dem angeblich so streng abgeschirmten Stallbereich herumtreibt. Und damit sind wir offenbar nicht allein, denn fehlende oder unvollständige Kontrollen, also mangelnde Stallsicherheit, ist auch für viele Reiter ein Problem. Offiziell werden für jedes Pferd vier Stallkarten ausgegeben: Reiter plus Begleitung und zwei Besitzer pro Pferd. Auch Sponsoren mit Kind und Kegel werfen gerne mal einen Blick über die Boxentüren. Der Franzose Kevin Staut, Sprecher des International Jumping Riders Club (IJRC): „Und wie kann ich verhindern, dass die Kids mein Pferd mit Schokolade füttern?“ Die enthält bekanntlich Coffein – und schon ist der Doping-/Medikationsfall da.

Dopingsünder Hund

Auch das Thema Hunde kam ganz schnell auf den Tisch. Die vielgeliebten Vierbeine beleben nicht nur die Stallgassen, die erleichtern sich auch in den Boxen und auf Rasenflächen. Medikamente, die sie bekommen haben, können so in das Kreislauf des Pferdes gelangen. Das klingt abenteuerlich, soll aber tatsächlich vorgekommen sein.

Auch böse Menschen könnten dem Pferd etwas Verbotenes in die Krippe geschoben haben. Um den Reitern die Sorge zu nehmen, sie könnten ohne eigenes Zutun zum Dopingsünder werden, und den Verdacht zu entkräften, hier handele es sich mal wieder um eine kreative Ausrede, müssen die Kontrollen effizient sein. Sonst kann man sie gleich sein lassen. Dressurreiter Patrick Kittel hat den Test gemacht, bei acht Turnieren verschiedener Sterne-Stufen: Nur zweimal wurde korrekt überprüft, wer da gerade in den Stall geht, bei den anderen gab es entweder gar keine Kontrollen oder nur manchmal oder auch noch einen Hintereingang.

Stallsicherheit heißt auch Biosicherheit, also Schutz vor ansteckenden Krankheiten. Wir erinnern uns noch an die Herpes-Seuche im vergangenen Frühjahr in Spanien, als Reiter ihr Pferde in Panik verluden, einfach losfuhren und damit das Virus in ganz Europa verbreiteten. Boxen, die keinen Nüstern-Kontakt zum Nachbarn erlauben, tägliches Fiebermessen und möglichst kleinere Stalleinheiten – auch das gehört zur Stallsicherheit. Auch die Impfpflicht gegen Herpes war ein Thema beim Sportforum. Die deutsche FN, vertreten durch Generalsekretär Soenke Lauterbach und Vielseitigkeitsfachfrau Philine Ganders-Meyer, hatte sich für eine Herpes-Impfpflicht für alle Turnierpferde ausgesprochen (für Influenza gibt es sie schon). Aber zur Zeit gibt es nicht genügend Impfstoff und in manchen Ländern darf er nicht eingeführt werden. Für viele Pharma-Unternehmen ist die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten speziell für Pferde nicht lukrativ genug. Und solange es mal wieder vor allem ums Geld geht, bleibt auch der Sieg über Herpes und andere Pferdekrankheiten ein frommer Wunsch.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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