Lichtblicke sehen anders aus. Die Zahlen, die die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) bei ihrer Jahrestagung in Münster vorlegte, verführen nicht zu Freudentänzen: weniger Reiter, weniger Turniere, viele Reitschulen vor dem Ruin. Die großen Katastrophen, Corona und Herpes, waren die Ursache, aber nicht nur. Sie legten vielmehr Defizite offen, die sich lange vorher aufgebaut haben. Und das Image des Pferdesports in der Öffentlichkeit ist auch nicht so toll.
Rund ein Jahr nach seiner Wahl musste der neue FN-Präsident, Hans Joachim Erbel, zum ersten Mal Bilanz ziehen. Auch er ist in einer anderen Welt aufgewacht, als er vermutlich gehofft hat: zwei Corona-Jahre haben den Turniersport zeitweise zum Erliegen gebracht, die Pferdeseuche Herpes (EHV 1), die im Frühjahr 2021 in Spanien ausbrach und von dort nach ganz Europa getragen wurde, setzte noch einen drauf.
Alle Reiter und Pferdehalter waren betroffen. Der Spitzensport fand zeitweise gar nicht mehr statt oder unter sehr eingeschränkten Bedingungen. Noch im Frühjahr 2022 fielen Weltcup-Qualifikationen aus, bei anderen Turnieren wurde vor leeren Rängen, ohne Zuschauer geritten.
Und viele Turniere, wie die beiden Europameisterschaften 2021 in Riesenbeck (Springen) und Hagen (Dressur), konnten nur zustande kommen, weil hinter ihnen kräftige Motoren in Gestalt engagierter und bestens vernetzter Fachleute stand. Auch Zuschauer durften wieder kommen, meist weniger als sonst oder nur Geimpfte, aber besser als niemand.
Die ersten nationalen Turniere, die wieder stattfanden, waren den Profis vorbehalten, mit der Begründung, mit der Ausbildung und Präsentation junger Pferde verdienten sie schließlich ihren Lebensunterhalt. Das war kurzsichtig und bitter, vor allem für die Amateure, die diesen Profis ja schließlich die Nachwuchspferde abkaufen sollen.
Die Karte mit A für die unteren Klassen
Die Reiter am oberen Ende des Sports waren demnach relativ gut dran, die am unteren Ende hingegen hatten die berühmte Karte mit A gezogen. Schon allein deswegen, weil sie in der schlimmsten Phase des Lockdowns Mühe hatten, in die Ställe zu kommen, um ihre Pferde zu versorgen und zu bewegen. Dass es doch irgendwie gelang, ist auch der FN zu danken, die der Politik und den Behörden klarmachen konnte, dass es hier nicht um Sport und Spiel geht, sondern um Tierschutz.
Vor allem viele Reitschulen kamen in Existenznöte, die bis heute vielfach nicht überwunden sind. Keine Einnahmen aus Reitstunden, aber die Schulpferde fraßen genauso viel wie vorher. Eine FN-Umfrage im Jahr 2021 zeichnet ein düsteres Bild: Ein Drittel der Reitschulen sah ihre Existenz durch den Lockdown bedroht. „Vielen Reitschulen steht das Wasser bis zum Hals“, vermerkt der Jahresbericht.
Zwar gibt es vom Staat verschiedene Förderprogramme, aber die wenigsten greifen für Reitschulen. Die bürokratischen Hürden waren hoch und oft undurchschaubar, sodass viele gar nicht erst einen Antrag stellten. Das von der FN angeregte „Kurzarbeitergeld“ für Schulpferde blieb eine Idee. Der FN-Aufruf auf den Social-Media-Kanälen zur Rettung der Schulpferde kam auf fast eine Million Aufrufe. Was die Aktion gebracht hat, soll eine Umfrage in diesen Wochen klären.
Der Betrieb in den Reitställen hat sich inzwischen weitgehend normalisiert, auch der Turniersport nimmt wieder Fahrt auf, ist aber noch weit von den Vor-Corona-Zahlen entfernt. Auch geht die Entwicklung zulasten der kleinen ländlichen Turniere, zulasten der Einsteiger und Anfänger, der Gruppen also, deren Förderung dem neuen FN-Präsidenten nach eigenen Aussagen besonders am Herzen liegt.
43 Prozent der Veranstalter verzichteten völlig auf Einstiegswettbewerbe, vor der Pandemie waren es nur 27 Prozent. Die Zahl der M-und S-Prüfungen nahm zu, die der A- und E-Prüfungen ab. Die Pandemie hat den Graben zwischen Profis und Amateuren, zwischen denen da oben und denen da unten, vertieft.
Fast logisch hat sich auch die Zahl der Turniersportler verringert, seit Corona-Beginn hat der deutsche Turniersport mehr als 15.000 Teilnehmer verloren, besonders in den jungen Jahrgängen. Das Geschlechterverhältnis hat sich weiter verschoben: 87 Prozent Frauen zu 13 Prozent Männer.
In den letzten 20 Jahren ist die Zahl der Turnierreiter um ein Drittel geschrumpft, von 93.620 im Jahr 2000 auf 64.401 im Corona-Jahr 2021.
Auch die Zahl der neueingetragenen Turnierpferde nahm in den letzten Jahren kontinuierlich ab: Vor zehn Jahren waren es noch 25.136 Pferde, 2021 nur noch 20.536, also rund 20 Prozent weniger.
In den Zahlen der Zuchtverbände spiegelt sich das noch nicht wieder. Zwar nimmt die Zahl der eingetragenen Zuchtstuten seit dem Höhepunkt von 1995 (133.206) kontinuierlich ab, liegt aber jetzt wieder bei 85.849, das ist etwa genauso viel wie 1990, also wie vor dem Boom.
Das Bild des Pferdesports heute: Weniger Vereinsmitglieder, weniger Turnierreiter, die dafür immer älter werden. Eine immer breitere Kluft zwischen denen, die mit ihren Beiträgen und Gebühren erheblich zur Finanzierung des Dachverbande beitragen und denen, die gute Geschäfte machen und durch olympische Erfolge auch das Auskommen der FN-Mitarbeiter sichern, schließlich gibt es für jede Olympiamedaille Geld vom Staat.
Das alles trägt nicht dazu bei, die „social licence“ zu erneuern – inzwischen auch ein Lieblingswort des Weltverbandes FEI – also die Zustimmung der Gesellschaft zu einem Sport, der sich mit Tieren beschäftigt, sie nicht nur streichelt, sondern auch Leistung fordert. Und diese Akzeptanz ist am Ende vielleicht wichtiger als alle Zahlen, die in den Himmel klettern.
Solange Kinder und Jugendliche, vor allem Jungs, wie schon vorgekommen, sich vor ihren Altersgenossen dafür genieren, dass sie reiten und nicht Fußball spielen, und lieber nicht in Reitklamotten in den Bus steigen, läuft irgendwas ganz schief.mens jordan shoes release dates | air jordan 1 retro high og chicago release date
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