Auch wenn die Hamburger weiter auf den 160. Nullfehler-Ritt in Springderby warten müssen, hat sich für die 90.000 Zuschauer das Ausharren im Regen gelohnt. Es wurde mal wieder Springsportgeschichte geschrieben.
So sind sie, die Hamburger, auch das ortsübliche „Schietwetter“ hielt sie nicht davon ab, in langen Schlangen vor den Kassen vor dem Derbypark in Klein Flottbek anzustehen, um noch eine Karte zu ergattern, und sei es ein Stehplatz. Da passte kein Blatt mehr zwischen die Zuschauer auf den Wällen rund um den Parcours, alle ohne Maske und hoffentlich auch ohne Omikron. Schließlich gab es nach zwei derbylosen Jahren einiges nachzuholen. „Es war nur eine einzige Regenwolke, die von Helgoland direkt zum Derbyplatz zog“, beteuerte Turnierleiter Volker Wulff. Aber das mit großer Zuverlässigkeit jeden Tag, sodass am Ende der Rasen die Güsse zwar aushielt, aber der Große Wall zur lehmigen Rutschbahn wurde, auf der so manches Pferd die Beine verlor. Eine andere Regenwolke hatte das Formel I-Rennen in Monte Carlo ertränkt, sodass es abgebrochen werden musste. Irgendwie ein Trost, fand Wulff. Und Hamburgs Innensenator Andy Groth, der zur Siegerehrung hoch zu Ross ins Stadion geritten kam, hätte nicht geglaubt, dass die Zuschauer so lange aushalten würden. Da kennt er seine Hamburger offenbar schlecht.
Ansonsten hatte Wulff wenig zu klagen. Nicht nur ausverkauftes Haus, auch eine bombige Stimmung auf allen Rängen. Und dass eine Hamburgerin gewann, auch wenn für sie die polnische Hymne erklang – nach dem Heimatland ihrer Mutter Jolanta, für das die 29-jährige Cassandra Orschel inzwischen reitet –, war dann auch okay. Mal wieder eine Frau, erst die Fünfte in der 91. Derby-Auflage seit 1920, das freute alle Fans.
Prominenz in Klein Flottbek
„Tout Hamburg“ oder was sich dafür hielt, war nach Klein Flottbek geeilt. Da sah man Cornelia Poletto, nicht nur Sterne-Köchin, sondern auch bekennende Pferdefreundin, schon am Donnerstagmorgen im fescher Outdoorjacke mit Schmetterlingen verziert und prägnantem Kurzhaarschnitt. Am Sonntag ließ es sich Fußballer Horst Hrubesch gut gehen. „Ich kenne die ja alle hier schon lange“, sagte er. „Den Paul Schockemöhle, den Ludger Beerbaum und all die.“ Beide waren natürlich vor Ort, Ludger Beerbaum auch im Parcours zu sehen.
Der frühere Holsteiner Verbandschef Jan Lüneburg erlebte für seine Verhältnisse fast ereignislose Tage. „Das erste Mal seit 20 Jahren, dass keiner aus unserer Familie beim Derby mitreitet“, sagte er. Sohn Nisse, dreifacher Derbysieger, ist bekanntlich ausgewandert, von einem Sportstall bei Hamburg ins niederländische Valkenswaard zu Global Champions Tour-Erfinder Jan Tops, mehr oder weniger als Verkaufsreiter. Das solle aber nicht so bleiben, versichert Jan Lüneburg. „Nisse versteht sich glänzend mit Athina Onassis und Jan Tops, der ihm auch Pferde besorgen will, mit denen er bei der Global Champions Tour mitreiten kann.“ Klingt gut.
Hauke Schmidt, international erfolgreicher Springreiter, und Parcoursbauer, war mit seiner Frau da, auf dem Weg zum 85. Geburtstag von Alwin Schockemöhle, der am Sonntag in Mühlen mit alten Freunden gefeiert wurde.
Ein Springen wie kein anderes
Das Derby wurde seinem Ruf, mit keinem anderen Springen vergleichbar zu sein, auch diesmal wieder gerecht. Nur 28 Pferde waren am Start, 35 hätte sich Volker Wulff gewünscht, aber einige hatten Rückzieher gemacht, so auch der 22-jährige Brite Harry Charles, der als Zweiter nach den beiden Qualifikationen zu den Favoriten gehört hatte. Er zog sein Pferd als „nicht fit“ zurück.
Es gibt wohl kein anderes Springen, in dem Reiter auch mit vier und mehr Abwürfen am Ende für eine ordentliche Leistung beklatscht werden. Zum Beispiel die jüngste Starterin, die 20-jährige Hamburgerin Elisa Marlene v. Hacht auf Lancoon. Oder der älteste Reiter des Tages, der 67-jährige Karl-Heinz Markus mit dem neunjährigen Chuck, der allerdings zugab, dass ihm unterwegs die Luft ausgegangen sei. „Bis zum nächsten Jahr werde ich an der Kondition arbeiten“, keuchte er ins Mikro. An der eigenen natürlich.
Nicht viel Freude konnte André Thieme dem Tag abgewinnen, der ihm doch mit ein bisschen mehr Glück ohne Stechen den vierten Derbysieg beschert hätte. Aber schon am Doppelwall sah Contadur ein bisschen wackelig aus, dann versuchte der Conterus-Kolibri-Sohn, wie schon in den Jahren zuvor, den Buschoxer als einen weiteren Wall zu betrachten und aufzusetzen. Da flogen die Stangen. Das hätte auch ein saftiger Sturz werden können und man konnte nur staunen, wie schnell Thieme sich, sein Pferd und die Zügel wieder sortiert hatte, ohne weiteren Abwurf nach Hause kam und am Ende noch Dritter wurde.
Dass es im Stechen mit dem Buschoxer problemlos klappte, lag auch daran, dass Parcourschef Frank Rothenberger unauffällig den Sprung etwas schmaler geschoben hatte und es spricht wiederum für Thieme, dass er das ganz offen zugab. Auch, dass er für sein Pferd nur freundliche Worte fand: „Contadur hatte, als er einmal in der Luft war, keine Chance. Er hat sich zerrissen und gekämpft wie ein Löwe.“ Wie er das Problem im nächsten Jahr lösen will, weiß Thieme noch nicht. Vielleicht ein anderes Pferd?
Grandiose Siegerin
Die Siegerin Cassandra Orschel ließ sich zu Recht feiern. Dabei hatte sie am Ende Glück, dass sie überhaupt am Sonntag starten durfte, denn sie rückte als 36. erst nach diversen Ausfällen nach. In der ersten Qualifikation, die sie mit nur einem Zeitfehler beendete, wurde sie eliminiert, weil sie falsche Hinterhandgamaschen verwendet hatten mit einem Druckpunkt innen, einer kleinen Erhebung. Sie sind seit einem Jahr verboten, aber Orschel durfte weiter starten, weil der Fall nicht „tierschutzrelevant“ gewesen sei, wie Chefrichter Joachim Geilfus versicherte. Also anders etwa als spitze kleine Plastikteile, mit denen es schon andere Reiter mal versucht haben. Die Entscheidung, ob eine falsche Ausrüstung zur Elimination von der Prüfung oder zur Sperre für das ganze Turnier führt, obliegt laut Reglement dem Chefrichter und dem Chefsteward. Und siehe da, auch ohne Druckpunkte lief Dacara über den Derbykurs, als hätte sie nie etwas anderes gemacht.
Dabei musste auch sie den Wall erst lieben lernen, beim Training auf einem Platz in Wedel. Als die Stute beim ersten Versuch etwas zögerlich in die Tiefe starrte, kam Reiterkollege Simon Heineke auf die Idee, es erstmal ohne Reiterin zu versuchen. „Wir haben sie ganz normal am Zügel den Wall runtergeführt“, sagt Cassandra Orschel, „das hat sie ganz brav gemacht. Und dann auch mit mir im Sattel. Am Dienstag haben wir das wiederholt, weil sie erst wieder guckte und ich hatte dann am Freitag bei der zweiten Qualifikation, ein wenig Sorge, aber das war völlig unnötig.“ Manchmal sind es die Kleinigkeiten, die den großen Sieg erst möglich machen!
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