Moment mal! Nur die Schnellsten und Besten

Von
pochhammer_moment_mal_web

Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Vollblütern verdanken wir vieles, was unseren Pferdesport ausmacht. Schnelligkeit, Stamina, Kampfgeist und Schönheit. Vor 200 Jahren wurde in Bad Doberan das erste Vollblutrennen auf deutschem Boden gelaufen. Seitdem hat das Vollblut auch das Gesicht der Warmblutzucht verändert.

Es ist ziemlich genau 200 Jahre her, dass in Bad Doberan (Mecklenburg), das erste Vollblutrennen auf deutschen Boden gelaufen wurde. Der 10. August 1822 gilt demnach als Tag eins in der Geschichte des deutschen Rennsports. In England gab es solche Rennen schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, immer gedacht als Zuchtauslese der Schnellsten und Besten. Schon 1793 wurde das britische „General Studbook“ geschlossen, das heißt. Pferde, die nicht drin waren, kamen auch nicht mehr rein, abgesehen von einigen wenigen Sonderregelungen. Darin waren 100 Hengste und 103 Stuten verzeichnet, die von da ab nur noch untereinander gepaart werden durften. Die heutigen Vollblüter vertreten die 25. bis 30. Generation ihrer Zucht. Die Reinzucht habe dazu geführt, dass sich das englische Vollblut über die ganze Welt ausbreiten konnte, ohne seine charakteristischen Eigenschaften einzubüßen, schreibt der renommierte Rennsportjournalist Harald Siemen in seinem Jubiläumsbuch „200 Jahre – 200 Momente“, ein lesenswerter Ritt durch die wichtigsten Stationen des Galopprennsports, 200 Meilensteine, in denen sich Glanz und Gloria, aber auch Nöte und Krisen der vier- und zweibeinigen Akteure widerspiegeln.

Überlegenheit im Kampf

Die Durchbruch der „Thoroughbreds“, was soviel heißt wie „durchgezüchtet“, kam spätestens in der Schlacht von Waterloo im Jahre 1815, als die Pferde der englischen Regimenter allen anderen überlegen waren. Es waren die Brüder Wilhelm und Gottlieb von Biel, die das Potential der neuen Rasse erkannten und bereits 1817 Vollblutstuten und Hengste aus England einführten. Dem ersten Renntag wurden durch die Anwesenheit des Erbgroßherzogs Paul Friedrich von Mecklenburg und seiner Frau Alexandrine royaler Glanz verliehen. Die Reiter, unter ihnen Baron Wilhelm Biel selbst, waren „nach englischer Art“ in bunte Seide gekleidet. Biel gewann das Rennen mit seiner eigenen Stute Pamina. Die Rennbahn, mitten in der Landschaft zwischen Bad Doberan und Heiligendamm, gibt es noch, aber Rennen werden, nach kurzen Wiederbelebungsversuchen nach der deutsch-deutschen Wende, nicht mehr gelaufen.

Aber hier war der Anfang. Schon drei Tage nach dem Rennen in Bad Doberan wurde ein „Commitee“ gegründet, das die Regeln für den Rennsport in Deutschland formulieren sollte, ein halbes Jahr später waren sie fertig. Unter dem begüterten Mecklenburger Landadel kamen Pferderennen und die die dazugehörige Zucht en vogue, es entstanden eine ganze Reihe von Gestüten, die mit ihren Pferden die erste Epoche des deutschen Rennsports beherrschten.

Aber auch in den Landgestüten, die die bäuerliche Zucht mit Hengsten versorgten, wurde schnell der Wert des Vollbluts erkannt, seine Härte und Ausdauer, auch für Arbeits-, Reit- und Kutschpferde. So hatten im Mecklenburgischen Landgestüt Redefin im Jahr 1847 83 Prozent aller Hengste mehr als 25 Prozent Vollblut, in Celle waren 1841 von 207 Hengsten 73 Vollblüter, also rund 35 Prozent. In Holstein importierte Herzog Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg schon 1820, also noch vor der Rennpremiere in Bad Doberan, englische Vollblüter, die der Holsteiner Zucht ein modernes Gesicht gaben. Die Bauern mussten ein wenig zu ihrem Glück überredet waren: In den ersten Jahren war die Benutzung der Augustenburger Hengste kostenlos.

Alle unsere Reitpferde führen irgendwo einen Vollblüter im Pedigree, manchmal nur den berühmten Tropfen aus vergangenen Generationen, manchmal ein bisschen mehr – oder weniger. Es gibt wohl kein Pferd im deutschen Sport, dass nicht den großartigen Dark Ronald unter seinen Ahnen hat, der 1913 für 500.000 Goldmark angekauft wird, damals eine gigantische Summer. Es half, dass auch in Staatsgestüten wie Graditz Rennpferde gezogen wurde. Die Pferdeleute der verschiedenen Sparten sprachen mehr miteinander, während man heute den Eindruck hat, sie reden ständig aneinander vorbei.

Keine Rede von blühendem Rennsport

Mit rund 1300 Stuten (weltweit 200.000) ist die deutsche Vollblutzucht zahlenmäßig klein, was nicht heißt, dass sie auf der großen Bühne eine Nebenrolle spielt. Zwar könne auch im 200. Jahr seines Bestehens keine Rede davon sein, dass der Rennsport hierzulande blühe, gedeihe oder sich auch nur in gesicherten Verhältnissen befinde, schreibt Siemen. „Und doch ist er auf einem Qualitätsniveau angekommen wie kaum je zuvor in seiner Geschichte.“ In den letzten zwölf Jahren haben deutsche Vollblüter die größten Rennen gewonnen, den Arc de Triomphe, den Melbourne Cup, die King George VI und Queen Elizabeth Stakes. Vor allem die soliden auf Gesundheit und Stamina gezüchteten Mutterlinien sind begehrt und erzielen höchste Preise. Sorgen gibt es dennoch genug: Sinkende Besucherzahlen, wirtschaftliche Schwierigkeiten vieler Rennvereine und Zuchtstätten, Wett-Konkurrenz durchs Internet.

Auch der Rennsport kämpft um seine „Social Licence“ die Akzeptanz durch die Gesellschaft. Bei der Neufassung der „Leitlinien für den Tierschutz im Pferdesport“ konnte der Dachverband Deutscher Galopp noch eine Sonderregelung erreichen. Junge Vollblüter dürfen – nach entsprechenden tierärztlichen Untersuchungen – bereits anderthalbjährig in Training genommen werden, Reitpferde erst ein Jahr später. Diskussionen gibt es zur Zeit um den Peitschengebrauch im Rennen. Fünf Schläge sind in Deutschland erlaubt. Ross Coackley, der Jockey des Siegerpferdes Dubawi Legend im Traditionsrennen „Goldene Peitsche“ in Baden Baden, schlug neunmal zu. Er wurde für 23 Tage gesperrt, aber Dubawi Legend nicht disqualifiziert, das sehen die Regeln nicht vor. Man könnte sich fragen, ob das Pferd auch ohne Hiebe gewonnen hätte, dann hätte sich der Reiter einen Vorteil verschafft. Zumindest hat er ihn wohl erhofft, denn sonst hätte er die Peitsche nicht benutzen müssen. Abgesehen von der sportlichen Chancengleichheit macht die derzeitige Regelung den Rennsport verwundbar für Attacken von Tierschutzverbänden. Fragt sich, wie lange man glaubt, sich das leisten zu können.

Harald Siemen, 200 Jahre-200 Momente. Zwei Jahrhunderte Galopp-Sportgeschichte. Deutscher Sportverlag 2022, ISBN 978-3-937630-03-8, 49 Euro

air jordan 1 mid outlet | nike air force 1 uv color change da8301 100 101 release date

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

stgeorg_newsletter_booklet
  1. Helmold Baron von Plessen

    Chapeau – verehrte Frau Pochhammer zu dieser Kolumne ! Da sitzt jede Formulierung. Der heilige Georg hat zu meiner grossen Freude mal wieder echt „ueber den Tellerrand geschaut“. Danke ! Einzig bei den letzten beiden Saetzen des Artikels zum Peitschengebrauch – ich zitiere : Abgesehen v.d. sportlichen Chancengleichheit macht die derzeitige Regelung den Rennsport verwundbar fuer die Attacken von Tierschutzverbaenden. Fragt sich, wie lange man sich das noch leisten kann, gibt’s m.E. noch Erklaerungsbedarf

  2. Heidi

    In Deutschland ist die Rennwelt ja noch einigermassen in Ordnung, was den Umgang mit den Rennpferden angeht. In den Staaten, wo legal mit Schmerzmitteln gestartet wird, die vielen illegalen Mittel im Gebrauch weltweit, Milkshaking, Froschgift u.a. Dopingmittel etc helfen dem Ansehen des Rennsports nicht. Der Umgang mit den Vollblütern die nicht mehr „gebraucht“ werden ist eine Schande. Jedesmal wird dann geschwafelt von den paar unglücklichen Tieren die Pech hatten…allen anderen geht es aber super nach der Rennkarriere….das ist der Hohn! Lange, ungeregelte Transporte zu den Schlachthäusern in Kanada und Mexiko, die Bilder aus Australien auch unvergessen in der Brutalität. Da hilft das ganze Zitieren und Fotografieren der vielen Adligen, die sich im Rennsport mit Riesehüten tummeln nicht, es ist nichts nobles für die Tiere mehr im Angebot. Die Wetten, legal und weit mehr illegal helfen dem Sport nicht, das viele Geld macht es für die Tiere nur noch schlimmer. Die soziale Lizenz ist schon lange abgelaufen für den Rennsport!


Schreibe einen neuen Kommentar