Man hatte schon fast vergessen, dass Dressur als Wettkampfsport noch jung ist, nicht mal 150 Jahre. Seit einem halben Jahrtausend hingegen zelebrieren die Lipizzaner der Wiener Hofreitschule die hohe Reitkunst. Jetzt verzauberten sie das deutsche Publikum in Neumünster.
Nur selten verlassen sie ihre geschichtsträchtigen Stallungen in der Wiener Hofburg. In diesem Jahr ging die Reise in die Holstenhalle nach Neumünster, um dem Trakehner Hengstmarkt klassischen Glanz zu verleihen. Es war die erste Tournee seit drei Jahren, Corona hatte auch die weißen Hengste aus Wien ins Home Office gezwungen. Dreimal tanzten sie vor ausverkauftem Haus ihr traditionelles Programm: Quadrillen und Pas de Deux, Arbeit an der Hand oder am langen Zügel, und „Schulen über der Erde“, wie die spektakulären Schulsprünge genannt werden.
Ein bisschen nervöser als daheim waren sie schon. Da trippelte der eine oder andere im Schritt, oder riskierte einen kleinen Satz nach vorne, wenn die Zuschauer klatschten. Das war schon alles. Lipizzaner sind keine Roboter, sondern Pferde aus Fleisch und Blut, die von ihren Urlauben in der Sommerreitschule noch wissen, wie sich sandige Wege und grüner Rasen unter den Hufen anfühlen.
Anders schön
Man muss jetzt nicht unbedingt die Spectator Judging App einschalten, um wie ein Turnier-Zuschauer selbst mitzurichten und für jede Lektion eine Note zu vergeben. Damit wird man diesen Pferden nicht gerecht, die sich in ihrer Mechanik so fundamental von den mit großer Übersetzung ausgestatteten Warmblütern unterscheiden, die heute den Dressursport beherrschen.
Die weißen Hengste faszinieren durch Qualitäten, die selten geworden sind auf den internationalen Dressurvierecken. Da war einmal die vertrauensvolle Gelassenheit, die über jeder Übung lag. Keine durch Spannung herausgequetschten Bewegungen. Versammlung, die aus vollendeter Losgelassenheit entwickelt wird – ein wohltuender Anblick. Die Nasenlinie immer leicht vor oder maximal an der Senkrechten – man hatte fast vergessen, wieviel schöner ein Pferd in dem Moment wird, in dem es sich in erhabener Selbsthaltung bewegen darf.
Die ruhige Choreographie der Quadrille, beginnend im Schritt mit allmählicher Steigerung – welch ein Unterschied zu den Küren des heuten Sports, wo zuweilen schon auf dem ersten fünf Metern mit Piaffen und Pirouetten in alle Richtungen versucht wird, die Richter zu beeindrucken.
Perfekter Sitz, feine Hand
Das Bild wird geprägt von den perfekt sitzenden Reitern, die die Hengste mit feiner Hand und unsichtbaren Hilfen durch alle Lektionen führen. Man sieht keine offenen Mäuler, die Verbindung ist leicht und federnd. Die Solovorstellung von Philipp Burg mit Maestoso Bona auf blanker Kandare mit erhobener Gerte – so sieht vollendete Reitkunst aus. Reiter und Pferde haben eine lange Ausbildung durchlaufen, meist zusammen. Der vorführungsreife selbst ausgebildete Hengst ist quasi das Gesellenstück, mit dem aus dem Bereiteranwärter der Bereiter wird.
Junge Leute, die sich bei der Wiener Hofreitschule bewerben, müssen keine Erfahrung im Sattel haben, eher im Gegenteil. Je weniger Routine einer mitbringt, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich falsche Bewegungsmuster eingeschliffen haben.
Die klassische Reitlehre ist die Grundlage der Ausbildung, aber jeder Hengst wird als Individuum behandelt. Er selbst bestimmt, wieviel Zeit er benötigt. Vor allem bei den Schulsprüngen wird auf die individuellen Talente eingegangen. Kein Hengst kann alles. Der eine bietet sich für die Courbette an, bei der das Pferd mehrere Sprünge hintereinander auf den Hinterbeinen ausführt, der andere für die Kapriole, den spektakulärsten Sprung: Das Pferd springt mit allen vier Beinen in die Luft und in dem Moment, in dem sich der Körper in der Waagerechten befindet, keilt es bei angewinkelten Vorderbeinen mit beiden Hinterbeinen aus. Die Lektion hatte durchaus mal einen praktischen Hintergrund: In der Schlacht konnte damit der Feind in abgewehrt werden und sich der Reiter mit einem Riesensatz in Sicherheit bringen. Die Lektion wurde in Neumünster sowohl an der Hand als auch unterm Reiter gezeigt, dann ohne Bügel. Bequem sah das nicht aus.
Die Levade ist der einzige Schulsprung, der zeitweise Eingang in die Dressursport gefunden hat. Er wird aus der Piaffe entwickelt, das Pferd löst sich mit den Vorderbeinen vom Boden, das ganze Gewicht trägt die Hinterhand – höchster Grad der Versammlung. Einmalig auch die Arbeit am langen Zügel: der Bereiter geht direkt hinter dem Pferd, das nicht nur piaffiert und passagiert, sondern sogar Galoppwechsel von Sprung zu Sprung ausführt.
Die erste Frau an „der Spanischen“
In Neumünster ritten auch drei Frauen mit. Dazu musste erst eine Männerbastion fallen. Denn was im Sport schon lange normal ist, bedeutete in der Wiener Hofburg eine kleine Revolution. Hannah Zeitlhofer wurde 2008 als erste Elevin aufgenommen, acht Jahre später wurde sie zur Bereiterin ernannt. Schöner als sie kann ein Mensch nicht zu Pferde sitzen. Die Einsicht der Traditionalisten, Frauen zuzulassen, kam spät, als es längst die Olympiasiegerinnen Liselott Linsenhoff, Christine Stückelberger, Sissi Theurer, Nicole Uphoff, Isabell Werth und Anky van Grunsven gab. Aber besser spät als nie.
In Neumünster konnte St.GEORG-Redakteurin Dominique Wehrmann einen Blick hinter die Kulissen werfen, die Hengste im Stall besuchen und die Vorbereitungen für die Auftritte beobachten. Ihre Reportage lesen Sie in der Januar-Ausgabe.
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Eine tolle Webseite, vor allem in den gemütlichen Winterzeiten ist es schön tolle Blogs zu entdecken. Wünsche jetzt schon frohe Weihnachten.
Lieben Gruß Mia
Wie wunderbar zu lesen ! Besonders der Satz ueber die Quadrille, ihren majestaetischen. man kann schon fast sagen feierlich langsamen Aufbau, im Gegensatz zu den den wild gerockten Darbietungen beim Freestyle bei Championaten, ist mir aus der Seele gesprochen.
Danke fuer diesen wunderschoenen Blog !