Frauen und Pferde: Brauchen wir eine Männerquote?

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Emanzipation hat viele Gesichter und die Klagen von und über Frauen, die zu wenig beachtet werden, zu wenig verdienen und zu selten in Dax-Vorständen sitzen, kennen wir ja alle. Oft sind die Klagen berechtigt. Doch auf einem Gebiet dominieren Frauen so, dass man schon eine Männer-Quote beantragen könnte. In der Dressurreiterei. Eine, die schon aufs Selberreiten baute, als andere sich noch die Pferde von Profis ausbilden ließen, ist Bundestrainerin Monica Theodorescu.

Schaut man in die aktuelle Weltrangliste, rangiert der beste Mann, der Schwede Patrick Kittel, auf Platz acht hinter sieben Reiterinnen. In die Top-50 haben es 15 Männer und 35 Frauen geschafft. Das sind überwiegend Frauen, die ihre Pferde selbst ausbilden und in den Sport bringen, auch wenn ihnen vom Boden aus meist ein Trainer zur Seite steht. Die aber keinen Mann brauchen, der mal durchgreift, um dem Pferd zu sagen, wo es lang geht. Das war früher anders.

Modell „warmer Sattel“ ist out

Schon früher, das heißt in den Anfängen des Dressurreitens als Sport, gab es zwar immer schon exzellent reitende Frauen, aber fast immer standen hinter ihnen Berufsreiter, die die Pferde ausbildeten, sie oft auch auf dem Abreiteplatz vor der Prüfung noch mal in die Mangel nahmen und zwar augenfällig und keineswegs heimlich, als wollten sie zeigen, wer der wahre Chef und wer der Beifahrer ist. Das kann man sogar verstehen, Berufsreiter durften damals weder in Aachen und schon gar nicht bei Championaten und Olympischen Spielen reiten, mussten sich über ihre Schüler profilieren. Aus der Zeit stammt das geflügelte Wort vom „warmen Sattel“, in den sich die Dame, oft aus betuchtem Haus, dann nur noch zu schwingen brauchte, um im Viereck eine gute Figur zu machen.

In Neumünster am Rande des Dressur-Weltcups unterhielt ich mich mit Bundestrainerin Monica Theodorescu darüber. Sie hatte ihre größten Erfolge in den 1980er- und 90er-Jahren mit Pferden wie Ganimedes und Grunox und gehört zur ersten Generation Reiterinnen, die zeigen wollten, dass selber ausbilden am meisten Spaß macht. Das „Warmer-Sattel-Modell“, das ehrlicherweise auch heute noch nicht ausgestorben ist, kennt sie aus den Erzählungen ihrer Eltern, George und Inge Theodorescu.

„Mein Vater hat noch das eine oder andere Pferd für seine Besitzerin bzw. Kundin vorbereitet. Es war in den 60ern, Anfang der 70er-Jahre noch gang und gäbe, dass die Pferde von Profis ausgebildet wurden und die Reiterinnen das Pferd erst für die Prüfung übernahmen.“

Noch bis 2008 wurden die Deutschen Meisterschaften geteilt in Damen und Herren. Davor gab es noch eine gesonderte Meisterschaft für Berufsreiter, die gibt es heute noch, aber nicht auf demselben Turnier, und Berufsreiter können auch in den früher den Amateuren vorbehaltenen Titelkämpfen mitmachen.

„Die interessantesten Prüfungen waren die der Berufsreiter“, erzählt Monica Theodorescu, „Da war das höchste Niveau. Dann kamen die Prüfungen der Herren (Amateure) und dann die der paar Damen, die da ritten. Das war reiterlich die sogenannt schwächste Gruppe, oder freundlicher ausgedrückt, die unspannendste Gruppe.“

Das allerdings hat sich total geändert. Erstmal wurde abgeschafft, dass auf dem Turnier jemand anders auf dem Pferd sitzen kann. Nur der Reiter selbst darf sein Pferd vorbereiten. Das ist inzwischen sehr genau geregelt, etwa wenn die Mannschaften zu Olympischen Spielen lange vorher anreisen. Dann gibt es eine Deadline, ab wann nur noch der teilnehmende Reiter im Sattel sitzen darf. Eine Zeitlang durfte noch der Groom das Pferd im Schritt am langen Zügel bewegen, jetzt darf er nur noch führen oder longieren.

„Es gab Mamis Pferde, Papis Pferde und irgendwann meine Pferde“

Monica selbst hatte nie eine andere Philosphie. „Ganimedes hat meine Mutter dreijährig angeritten, dann habe ich ihn übernommen. Mein Vater hat nicht ein einziges Mal auf Ganimedes gesessen. Das war vielleicht nicht schlau von mir, sonst hätte er sicherlich besser piaffieren gelernt.“ Dabei war der Rappe Ganimedes nicht unbedingt das, was man als Damenpferd bezeichnet: ein großes starkes Pferd, ein Sohn von Grünhorn III, robustes westfälisches Blut. Aber die Mutter war Tochter des Fidalgo xx, daher hatte er mehr Blut als man ihm auf den ersten Blick ansah.

Monica war schon als junges Mädchen sehr selbständig und wusste, was sie wollte. „Vieles war bei uns sicher anders. Ich selbst bin ja im Stall groß geworden, meine Eltern ritten beide, da waren immer ganz viele Pferde und Schüler meiner Eltern, Kunden und auch Berittpferde. Es gab Mamis Pferde, Papis Pferde und irgendwann meine Pferde. Und da durfte keiner ran, das wollte ich alles schon machen.“ Monica war immer diese Partnerschaft wichtig, auch im Stall. „Das war vielleicht ein bisschen spleenig“, sagt sie. „In Seoul hatte ich mal so ein Erlebnis. Ich war als letzte zum Training eingeteilt, bis ich dann so fertig war im Stall, dauerte es ziemlich lange. Da bekam ich einen Anpfiff von unserem Equipechef Anton Fischer, dass das zu lange dauere und alle schon im Bus auf mich warten müssten. Aber ich kann nicht einfach nur so absitzen und mein Pferd abgeben.“

„Das ist anstrengend, aber wir scheuen das ja auch nicht“

Hat man die Frauen früher einfach unterschätzt? „Möglicherweise“, sagt Monica. „Früher war Leistungsreitsport vielleicht eher eine Männersache. Das kam schon aus der Kavallerie heraus. Bei meiner Mutter war das anders. Sie gehörte ja, wie auch Maria Günther, zu den Frauen, die im Krieg als Remontereiterinnen die jungen Kavalleriepferde ritten. Meine Mutter hat auch später immer ihre Pferde selbst geritten, die hat nicht mein Vater für sie vorbereitet.“ Als Inge in erster Ehe mit Hans Günter Winkler verheiratet war, hat sie die diffizile „Wunderstute“ Halla dressurmäßig gearbeitet. Da war es also genau umgekehrt.

In den letzten Jahrzehnten sind die Pferde edler, feiner, rittiger geworden, verlangen dem Reiter nicht mehr soviel Kraft ab. Monica stimmt nur halb zu: „Natürlich hat sich die Zucht unwahrscheinlich weiter entwickelt und spezialisiert. Aber anstrengend ist das. So oder so. Allein die großen Bewegungen, die wir in der Dressur brauchen, oder auch Hengste, die sind mehr oder weniger stark. Das ist anstrengend, aber wir scheuen das ja auch nicht.“

Wer drei oder vier Pferde auf dem Turnier hat oder zuhause acht oder mehr Pferde arbeitet, weiß, was er getan hat. Davon können Reiterinnen wie Isabell Werth, Dorothee Schneider oder auch Bianca Nowag-Aulenbrock ein Lied singen. Letztere fiel in Neumünster durch ihren eleganten Sitz auf. Die Berufsreiterin hat einen Stall von 15 Pferden in Beritt. „Von alleine gehen die nicht, keiner“, sagt Monica. „Natürlich haben wir immer mehr gelernt, die Pferde zu gymnastizieren und körperlich aufzubauen, damit es nachher auch leicht aussieht.“ Und wer das kann, braucht keine Gendersternchen und keinen Schluckauf mitten im Wort, um sich bemerkbar zu machen. Auch hier gilt mal wieder: Gutes Reiten reicht.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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  1. berndride

    Zu spät. Reiten ist, von ein paar Profis abgesehen, bereits ein Frauensport in Deutschland. Weit über 90% der Reitanfänger sind weiblich. Da nutzt auch eine Männerquote nichts mehr. Es kommen keine mehr nach. Ein paar Söhne von Berufsreitern noch, das war’s. Game over!

  2. Peter Born

    Es braucht mehr männliche Vorbilder. Väter, die nicht nur nebendran (oder gar im Auto) sitzen, wenn die Tochter reitet, sondern im Sattel. Dann kommen auch andere Väter und Söhne nach.


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