Klaus Philipp lebt nicht mehr. Der bedeutendste deutsche Pferdemaler der Gegenwart verstarb im Kreise seiner Angehörigen wenige Wochen vor seinem 91. Geburtstag.
St.GEORG Chefredakteur Jan Tönjes und Fotograf Jacques Toffi hatten ihn anlässlich seines 85. Geburtstags porträtiert.
Besuch beim Meister – Pferdemaler Klaus Philipp
Am Anfang stand ein Kuss, dann folgte eine Polizeikarriere. Und schließlich wurde aus Klaus Philipp der bedeutendste deutsche Pferdemaler. Eine Visite im Atelier mit Gesprächen über Knochenbrüche, schöne Frauen und die Angst vor Kitsch. Eine Reportage aus St.GEORG 4/2017
Text: Jan Tönjes Fotos: Jacques Toffi
George Stubbs (1724-1806) hatte sich schon lange mit der Materie Pferd beschäftigt, bevor er der Pferdemaler des 18. Jahrhunderts wurde. Stubbs war von der Anatomie fasziniert, er ließ Pferde ausbluten und sezierte sie Schicht für Schicht. Was er sah, brachte er zu Papier. Jeder hat so seine Art, sich einer Materie anzunähern. Genauso wie der begeisterte Anatom Leonardo da Vinci mit seinen grandiosen Pferdebildern, anatomisch perfekt, wirklichkeitsgetreu. Anders der Spanier Francisco de Goya – dicke Pferde, kurze Hälse, kleine Köpfe – jede Zeit und Region hat ihre eigenen Schönheitsideale. Und ihre Künstler. Die meisten Pferde in Klaus Philipps Bildern sind das Gegenteil der Goya’schen Barockmoppel. Schlank, hochaufgeschossen stehen sie da, galoppieren hinter den Hunden im Jagdfeld oder sind im Finish auf der Rennbahn.
Klaus Philipp: Faible fürs Vollblut
Rennbahn, Gelände, Vielseitigkeit – als die noch Military hieß – das sind Klaus Philipps Themen. 16 Rennpferde hat er besessen, selbst im Rennsattel gewonnen. Der Traum von einer Karriere als Jockey nahm allerdings ein halbes Jahr nach Antritt der Lehre ein jähes Ende. „Sie sind nicht leichtwüchsig genug“, bedeutete ihm sein Lehrherr.
Die Philipp’sche Herangehensweise ans Pferd ist geprägt vom selbst Erleben. Vom Gefühl rhythmischen Galoppierens, wenn die Wärme des Pferdes den Reiter erreicht. Wenn die Nüstern gebläht im Takt der Galoppsprünge schnauben. Er kennt den Geruch, der nach der Morgenarbeit mit dem aufsteigenden Dampf den Reiter umhüllt. Dampf, der sich im Gegenlicht des anbrechenden Tages auf Leinwand bannen ließe. „Die Gefahr“, sagt Klaus Philipp, „liegt im Kitsch“. Je gegenständlicher das Motiv, je genauer das einzelne Pferd in all seinen Details zu erkennen ist, desto kritischer beäugt der Meister sein Werk. „Viele Leute mögen das, aber mich überkommt bei manch einem Motiv ein ungutes Gefühl. Nebel, Dampf, Stute mit Fohlen – male das mal unkitschig.“
War ihm das Malen in die Wiege gelegt? Ja! Und Nein! Ja, weil sein Vater, ein Fabrikant von Treibriemen im Erzgebirge, zu dessen großbürgerlichen Zerstreuungen neben großen Autos auch das Malen zählte, ihn schon früh dazu ermutigte. Und nein, weil der Geburtsjahrgang 1932 in Deutschland für alles steht, aber sicher nicht für einen stromlinienförmigen Lebenslauf.
BIOGRAPHIE
KLAUS PHILIPP
Jahrgang 1932, kam im Erzgebirge als Sohn einer Fabrikantenfamilie zur Welt. Nach Kriegsende verschlug es den jungen Klaus Philipp nach Eutin in Schleswig-Holstein, wo er eine Landwirtschaftslehre abschloss. Dort erster Kontakt mit Pferden. Später kam er an den Bodensee, verwarf den Plan Jockey zu werden und landete bei der berittenen Polizei. Als deren Chef ritt er vor dem RAF-Gefängnis Stuttgart-Stammheim. Parallel hat Philipp, der aus erster Ehe vier erwachsene Töchter hat, das Abitur nachgemacht und gemalt. Seit 1993 lebte er mit seiner Frau Bernadette in Putensen bei Luhmühlen.
Pferdemaler: Ein Kuss fürs erste Bild
Klaus Philipp sagt, er habe beides kennengelernt, arm und reich. Angewidert habe es ihn, wie seine Cousins und Cousinen mit den Hausangestellten umgingen. In einer Zweiklassengesellschaft, wie sie im Rennsport zwischen den reichen Besitzern, den Trainern und Pflegern und Jockeys herrscht, wollte er sich nie entscheiden müssen, pflegte auch Kontakt zu den einfachen Menschen, „denen, die mit den Pferden sind“. Brüche – und gemeint sind da nicht die zig Knochenbrüche, die er sich bei waghalsigen Skiabfahrten („ich hatte sogar mal das Genick gebrochen“) und Reitunfällen zugezogen hat („bei 56 oder 57 habe ich aufgehört zu zählen“), haben ihn geprägt.
Philipp ist gerade 13 Jahre alt geworden als der Krieg vorbei ist. Die Ehe der Eltern ist kaputt, der Vater in russischer Kriegsgefangenschaft. Erst Jahre später soll der ehmalige Reiter zurückkommen, beinamputiert. „Ich habe Fotos von ihm zu Pferde, er sitzt wie ich.“
Philipp tritt eine landwirtschaftliche Lehre in Eutin an. „Der Bauer hatte eine Tochter, Renate.“ Der Maler strahlt und erzählt von damals. Von einer verrückten Araberstute, die Flüchtlinge aus Ostpreußen mitgebracht hatten und die er auf Geheiß des Bauerns anritt, obwohl er eigentlich noch gar nicht reiten konnte. Die „Griese“, die graue Schimmelstute, war auf Fuchsjagden eine Geheimwaffe. „Sie hatte Angst vor den mächtigen Holsteinern rund um sie herum, da hat sie wild um sich geschlagen und manch eine Kniescheibe der Jagdreiter getroffen.“
Die Tochter des Lehrherren konnte sich darauf verlassen, auf Turnieren das sauberste aller Pferde zu haben. „Die schwarzen Gelenke habe ich so gewienert, dass sie leicht bläulich glänzten, so wie Stahl.“ Reiten konnte „Nate“, Zeichnen eher nicht so. Als sie einmal ein Pferd für den Kunstunterricht malen sollte, sprang Lehrbursche „Kläuschen“ in die Bresche. Er malte sein erstes Pferdebild. Zum Dank erhielt er einen Kuss.
Keine Muse hätte nachhaltiger küssen können. Fortan fanden sich auch immer Pferdestudien in den Skizzenblöcken des jungen Philipp. Aber eine Künstlerkarriere? Unvorstellbar! „Zehn Mark habe ich damals verdient, davon konnte ich noch nicht einmal Renate ausführen.“
Der Kontakt zu Renate ist nie abgebrochen. Die wellige Landschaft von Eutin mit ihren buschbewachsenen Knicks ist als ewige Reminiszenz an sie, „den Bauern“ und die Lehrzeit in Philipps erstem, „richtigen“ Pferde- porträt verewigt, gleichsam das erste Ölbild in seinem Werk. Es zeigt den Vollblüter Manometer xx. Ein Schimmel, der sich vor dem sattgrünen Hintergrund abhebt. 100 Prozent naturalistisch, null Prozent Kitsch. In einem besonderen Rahmen hängt das Bild noch heute im Atelier. Die Ölfarbe stammte von seinem Schwiegervater, einem Hobbymaler, spezialisiert aufs Kopieren alter Werke.
Lehr- und Wanderjahre
Keine stringente Karriereplanung machte Klaus Philipp zu dem, was er heute ist, aber ein Faktor hat ihn begleitet: der Zufall. Von Eutin ging es an den Bodensee, wieder Landwirtschaft. Dort wurde Dr. Kaufmann, ein Industrieller aus Friedrichshafen, auf den jungen Reiter aufmerksam. Über ihn kam Philipp in Kontakt zu Dr. Lohner – „ein Mann mit dem Auftreten eines Offiziers, ein Gentleman“, erinnert sich Klaus Philipp. Lohner sah den schmächtigen Jungen reiten und förderte ihn, gab ihm Pferde. Als Philipp in die Schweiz als Turnierreiter gehen wollte, riet Dr. Lohner ab. „Wenn Sie Ihre Passion zum Beruf machen wollen, gehen Sie zur berittenen Polizei.“ Und: „Machen Sie Ihr Abitur nach!“ Lohner war mit der Führungsriege der Polizei bekannt. Der Mentor entwarf einen Plan, an dessen Ende Klaus Philipp als Leiter der berittenen Polizei Stuttgart stehen sollte. Der Plan ging auf. Philipp diente sich hoch, vom Auszubildenden, mit 19, 1951 in Biberach, über harte Jahre in der Polizeireiterstaffel, in denen die Vorgesetzten es dem ungestümen Nachwuchspolizisten nicht immer einfach machten. Philipp war nie darauf aus, sich beliebt zu machen. „Du reitest wie ein Polizist“, rief er später seinen Untergebenen zu. „Ich wollte, dass sie sportlich sind, an Meisterschaften teilnehmen.“
Die härtesten Einsätze zu dieser Zeit, waren die vor dem Gefängnis Stammheim, in dem die RAF-Terroristen einsaßen. Der deutsche Herbst, militante Anhänger der Roten Armee Fraktion vor dem Stuttgarter Hochsicherheitsgefängnis. „Es kursierten die Stockholmer Papiere, in denen beschrieben wurde, wie man ein Polizeipferd streicheln sollte, nur um dann plötzlich die Zügel mit einem Messer durchzuschneiden und gleichzeitig einen Knallkörper explodieren lassen.“ Es war Philipps Idee, Stahlbänder in die Zügel einarbeiten zu lassen, um dies zu vereiteln; heute Standard bei Polizeireiterstaffeln.
Parallel malte Phillip. Zunächst kaum Pferde und selten Gegenständliches, Kubismus, Expressionistisches interessierten ihn. Aber bei einer Ausstellung des Stuttgarter Kunstvereins stellte er dann auch ein paar Pferdebilder aus. Diese, nur mit „P.“ statt der vollen Unterschrift signiert, sorgten für Aufsehen. Ein anderer Künstler schimpfte: „Zitronenmalerei.“ Klaus Philipp ist noch heute empört. „Der konnte nicht einmal Zitronen malen, und das habe ich ihm auch gesagt.“ Menschen, „die zwei Stunden über rote Leinwände sprechen können“, sind ihm zuwider. Mindestens so wie Kitsch.
Die Pferde rückten zunehmend ins Zentrum des künstlerischen Schaffens. Malen und reiten –in den 1980er Jahren erwarb er von Dietrich Hesselbach den Vollblüter The Mole, „der Maulwurf“, genial im Gelände, unreitbar in der Dressur. „Der ,Kerle‘ machte Flic Flac, landete aber immer neben mir.“ Philipp versuchte es mit Gefühl und Stimme statt Druck. Außerdem fand er heraus, dass die Blutwerte des verschrienen Wallachs durcheinander waren. Trotzdem war sein Herz größer als alles zuvor Dagewesene. „In Bielefeld ist er mal zu früh abgesprungen über einen überbauten Graben, neun Meter sind wir geflogen.“ Und sicher gelandet. Busch-Ikone Lucinda Green sprach ihn auf das Pferd an. Sie hatte vier Jahre ihr Glück versucht und aufgegeben. Die Antwort auf die Frage, wie er es denn geschafft hätte, dieses Pferd zu reiten, ließ die Britin stutzen: „I slept with him“ – ich habe mit ihm geschlafen– entgegnete Philipp, meinte aber selbstredend, er habe in der Box des Wallachs geschlafen. „Ja, mein Englisch war nie so richtig gut.“ The Mole starb mit 33 Jahren nach einem Reheschub. „Ich war im Urlaub in den Dolomiten, morgens sollte er eingeschläfert werden, das wusste ich. Ich war auf einem Gipfel. Um halb zehn morgens begannen die Kirchenglocken in den Tälern zu läuten. Da sind mir die Tränen gekommen.“
Sogar in Newmarket
Zu diesem Zeitpunkt war Philipp mit seiner zweiten Frau Bernadette bereits in die Lüneburger Heide gezogen, nach Putensen, ein Dörfchen bei Luhmühlen. Ein altes Bauernhaus, Reetdach, Wirtschaftsgebäude, Platz für Atelier und Stall. Hier malt er die Bilder, die ihm Weltruhm eingebracht haben. Berühmte Vollbluthengste, Szenen aus Pferderennen – auf dem Turf und an den Rails. Für die großen Vollblutdynastien hat er Seidentücher gestaltet. Heroen aller Disziplinen hat er unsterblich gemacht, in Kohle, Tusche, Öl. Bei Alwin Schockemöhle durfte er den Schimmel Rex the Robber reiten, als er zum Porträtieren des Schimmels und dessen Boxennachbarn Warwick Rex, Olympiasieger von 1976, eingeladen war. Paul Schockemöhles Deister hat er zweimal gemalt. Stempelhengste wie Landgraf und Capitol, Lauries Crusador xx und De Niro genauso wie den piaffierenden Donnerhall.
Auf ein Bild ist er besonders stolz. Weniger weil es den berühmten Vollblüter Northern Dancer xx als muskelbepackten Deckhengst zeigt, sondern vor allem, weil es an einer ganz besonderen Stelle hängt. Captain John McDonald-Buchanan vom britischen Jockeyclub hatte es in Auftrag gegeben und es hängt im Museum von Newmarket, dem Mekka des Vollblutsports. Apropos: Auch für Scheich Mohammed al Maktoum hat er gemalt. Studien großer Rennpferde, aber auch ein Bild mit mehreren Stuten. „Es war noch nicht fertig, ich hatte es aber schon auf die Rennbahn mitgenommen. Jemand zeigte es dem Scheich, der mochte es und behielt es sofort. Mein Protest, dass es noch nicht fertig sei, war erfolglos. Der Scheich hat es nicht einmal für nötig gehalten, mich in seiner Loge zu begrüßen. Da habe ich gedacht, wenn ihr arrogant seid, dann kann ich es auch sein. Einladungen nach Dubai habe ich immer ausgeschlagen.“ Mit Jockey-Legende Lester Piggot versteht sich Philipp hingegen gut. „Ich habe einmal in Wien ein Pferd geritten, Jolly Dudith, das unter ihm wenige Wochen zuvor Fünfter war. Ich habe gewonnen.“
In 85 Jahren Klaus Philipp ist viel geschehen. Die Wände im Atelier legen davon Zeugnis ab. Truthähne mit Tränen in den Augen, Damen in schwarz weiß, die Scham unbekleidet, und unzählige Pferde, Philipps Pferde. Versteckt hinter einem ausladenden Tisch mit Stapeln von Drucken und Skizzen: eine kleine Tuschezeichnung, eine Reiterin von hinten, schmale Taille, Zylinder, darunter ein Dutt. Das ist doch …? „Prinzessin Anne, erkannt? Ich mag die Zeichnung“, sagt der Künstler. Nur ein paar flüchtige Striche auf Papier? Nein. Mehr! Ein echter Philipp.
Ein wunderbares Buch über den Künstler Klaus Philipp hat vor eineinhalb Jahren Yvonne von Stempel für den Hamburger Verlag Koehler Mittler verfasst..
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Begnaded und talentiert.
Für mich der Beste.
RIP!
Er machte Adrenalin sichtbar. Vielen Dank, Klaus Philipp!