… und die Frage, woran es liegt, wenn ein Pferd nicht traversieren will. In der Soers dreht sich auch am Donnerstag alles um ein Thema mit fünf Buchstaben: P F E R D.
Mit dem Fünfsterne-Grand Prix nahm die Dressur heute Fahrt auf, auf den Tribünen die vielen hundert Richter, die alles am besten wissen und ja sogar per Handy über die Zuschauer-App ihre eigenen Noten geben können. Noch nicht allzu interessiert war der jüngste Gast auf der Tribüne, die Baby-Tochter von Charlotte Dujardin, die weniger das Geschehen auf dem Viereck beobachtete als ihren eigenen Daumen. Na, das wird noch. Ihre Mutter übernahm derweil schon mal mit ihren Imhotep zeitweise die Zwischenführung, ein starkes Paar. Bis Jessy und Dalera kamen und die Welt aus deutscher Sicht wieder zurechtrückten. Aber entschieden ist noch nichts, erst am Samstag nach dem Grand Prix Special wissen wir, welche Mannschaft die Nase vorn hat.
Heute morgen beim Frühstück im „Stables Inn“ hatten wir einen bequemen Blick auf das Treiben in der Halle. Eine junge Frau ritt ihr schönes schwarzes Pferd, leider knickte sie dauernd in der Hüfte ein, pardon, es ist ja eigentlich die Taille. Entsprechend mühsam sah die Traversale aus. Kein Trainer zu sehen, der ihr mal eben hätte sagen können: „Setz Dich mal gerade hin,“ oder so. Mein Freundin Christine, im St.GEORG ja als Briefkastentante für alle reiterlichen Probleme und in Aachen für die Vierspänner zuständig, erklärte mir, dass das nicht sooo einfach wäre, wie ich mir das vorstelle. „Das geht heute ganz anders. Erstmal muss ein neues Gebiss her, vielleicht sogar eine ganz neue Trense, denn es kann schließlich am Reithalfter liegen, wenn das Pferd nicht seitwärts gehen will. Als nächstes wird nach dem Sattel geguckt, vielleicht passt der nicht, dann muss ein neuer her. Wenn die Traversale immer noch nicht klappt, wird der Tierarzt gerufen, dann der Zahnarzt, der Physiotherapeut und der Osteopath. Wenn auch die Ganzkörper-Röntgenbilder keine Erklärung liefern, bieten sich noch Ultraschall und Szintigrafie an.“ Oder man verkauft das Pferd gleich und sattelt um aufs Fahrrad.
Schon seit einige Jahren stehen an den Abreiteplätzen Dressur und Springen kleine weiße Pavillons, in denen nette Damen und Herren sitzen und neugierige Fragen der Zuschauer beantworten, die Info-Stewards. Als ich kam, hatte gerade Thies Kaspareit Dienst, Mannschaftsolympiasieger 1988, seitdem in Warendorf Leiter der Abteilung Ausbildung. Da immer weniger Reiter offen rollkurmäßig übers den Viereck walzen, (wofür ja auch wir vom St.GEORG gesorgt haben), gebe es kaum Kritik am vorbereitenden Training. Jetzt interessiert vor allem: Warum gibt es drei Dressur-Abreiteplätze, wer reitet wo? Also: Ganz rechts arbeiten die Reiter ihre Pferde, die erst später dran sind, meist noch in Zivil, also noch nicht in schwarz-weitem Outfit, in der Mitte bereiten sich die Starter der aktuellen Prüfung vor, schon im Turnier-Outfit und die Arena links ist für den Reiter reserviert, der als nächstes drankommt, damit er in Ruhe die letzten Minuten nutzen kann.
Anderen Fragen müssen sich die Stewards am Springabreiteplatz stellen. Etwa, warum so viele Pferde so viel Eisen im Maul und Leder am Kopf haben. Das Thema hat Fahrt aufgenommen, seitdem der St.GEORG sich seiner angenommen und die Auswüchse an Gebissen und Zäumungen an den Pranger gestellt hat. Es sei damit zu rechnen, dass sich bald etwas tut, sagt Thies Kaspareit. Zeit wird es, dass der Weltreiterverband (FEI) aufwacht.
Als ich zum Pressezentrum zurückschlenderte, kam ich am Hermes-Pavillon vorbei. Da prangten neben sündhaft teuren Seidentüchern und Lederutensilien auch ein paar Steckenpferde, Hobby Horses genannt, total in. Auf ziemlich normalen Besenstielen waren hübsche Pferdeköpfe aus buntem Filz montiert. Leider unverkäuflich. „Die können Sie aber gut selbst basteln“, versicherte einer der netten jungen Herren am Stand. „Da brauchen Sie bloß in den Baumarkt zu gehen, einen Besenstiel und ein paar Stücke Filz zu kaufen. Bei Hermes müssten Sie dafür sicher 700 bis 800 Euro bezahlen.“ Dann lieber Baumarkt.
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