Eine Pferdewohl-Charta, Zäumungen im Springsport, Fußnoten in der Dressur und mehr – diverse Vorschläge für die FEI Rules Revision 2023

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Gebisskontrolle

Demnächst sollen nicht nur Gebisskontrollen bei internationalen Turnieren durchgeführt werden, sondern auch einheitliche Messungen der Nasenriemenweite in allen Disziplinen. (© Julia Rau)

Die Überprüfung der Unterschiedlichen FEI-Regelwerke für 2023 steht an. Dafür wurden von allen Mitgliedsverbänden, Interessengruppen sowie dem Weltverband selbst Vorschläge erarbeitet – zum Teil sehr interessante. Ein Überblick.

Unter anderem sollen alle, die in dem Sport involviert sind, demnächst einen Eid auf eine „FEI Equestrian Charter“ ablegen. Sie schwören auf den „FEI Code of Conduct for the Welfare of the Horse“ und akzeptieren, dass das Wohlergehen der Pferde immer und zu jeder Zeit Vorrang vor allem hat.

Die Equine Ethics and Wellbeing Commission hatte außerdem vorgeschlagen, ein Messgerät einzuführen, mit dem die Verschnallung der Nasenriemen in allen Disziplinen einheitlich objektiv beurteilt werden könnte.

Es soll einen neuen Passus geben, der festlegt, welche Voraussetzungen Turnierveranstalter in Sachen Tierwohl und Sicherheit für Pferde und Menschen erfüllen müssen.

Deutschland hatte angeregt, neben den U25 Europameisterschaften in der Dressur auf EMs für diese Altersklasse in Springen und Vielseitigkeit einzuführen. Das stieß auf Zustimmung seitens der FEI. Weitere Abstimmungen darüber, in welchen Intervallen diese abgehalten werden sollen und ob es sie in allen Disziplinen geben wird, sollen folgen.

Es soll Anpassungen in der FEI Safeguarding Policy geben, wo unter anderem die Maßnahmen verankert sind, die bei Missbrauch in jeglicher Form zu treffen sind. Hier soll klargestellt werden, in welchem Umfang die FEI zur Handlung verpflichtet ist, wenn aus ihrer Sicht kein Risiko im Zusammenhang mit dem Pferdesport besteht.

Es sollen Social Media Leitlinien für Offizielle und Athleten eingeführt werden, die die Integrität der Postenden, der anderen Beteiligten und des Sports gleichermaßen schützen sollen.

Auf Anraten der FEI-Anwälte soll ein Passus aufgenommen werden, der den Weltverband berechtigt, zu investigativen Zwecken Einblick zum Beispiel in Handys zu beantragen.

Konkrete Vorschläge innerhalb der einzelnen Disziplinen

Außerdem wurden auch innerhalb der einzelnen Disziplinen diverse Vorschläge gemacht, die auf die Verbesserung des Pferdewohls abzielen. Im Einzelnen.

Springen

Artikel 241.4 Ausschlüsse im Spring-Reglement – hier wurde so umformuliert, dass nun klar ist, dass die Ground Jury eindeutig die Befugnis hat, ein Paar auszuschließen, wenn es im besten Interesse des Pferdes ist und/oder der Sicherheit von Pferd und Reiter dient.

Außerdem sollen die sogenannten Kammsporen verboten werden. Das sind Sporen ohne Dorn, aber mit einer gezackten Innenkante an der Ferse. Sie könnten Pferde verletzen, sagt die FEI.

Sowohl von Seiten des International Jumping Owners Club (IJOC) als auch des irischen Verbandes kam der Hinweis, dass aktuell Zäumungen benutzt werden, die „nicht mit dem Pferdewohl zu vereinbaren sind“. Das seien Metallketten, geriffelte Seile, aber auch harte, spitze Innenteile. „Die Akzeptanz von nicht pferdefreundlichem Equipment ist heutzutage eine Norm, die besser geregelt werden muss“, so der IJOC. Hier wird verlangt, dass Nasenriemen flach sein müssen und aus Leder oder lederähnlichem Material gefertigt sein müssen. Die irische Vereinigung ist der Ansicht man sollte das Reglement aus dem Ponysport übernehmen, da diese Dinge dort ausgeschlossen sind.
Reaktion von der FEI: „Die Überarbeitung der Regeln zur Ausrüstung erfordere eine breitere Konsultation und wird auf die nächste vollständige Überarbeitung des Regelwerks verschoben.“ In der Zwischenzeit werde die FEI Tack App regelmäßig kontrolliert.
Anmerkung der Redaktion: Das Thema Zäumungen und Gebisse im Springsport hatten wir ausführlich in St.GEORG 6/2023 thematisiert inklusive Statements von FEI und FN. Man kann das Heft hier nachbestellen

In den offiziellen Ergebnislisten soll nun klar ausgewiesen werden, wofür die Reiter Strafpunkte bekommen haben – für Hindernis- oder für Zeitfehler.

Unter anderem vom IJRC wurde die Forderung gestellt, die Gebührenordnung für die Teilnahme an Turnieren zu überprüfen, weil die allgemeinen Kosten so stark gestiegen sind, dass bestimmte Nationen sie sich nicht mehr leisten können. Diese Forderung erfüllt aber laut FEI nicht die Anforderungen, die sie bräuchte, um außerhalb der turnusmäßigen Überprüfung des gesamten Reglements untersucht zu werden. Daher wird das Ganze vertagt.

Ebenfalls von der FEI vertagt wurde die Forderung des Schweizer Verbandes, das Mindestalter für Pferde in U25 und Junge Reiter-Prüfungen in Springen bis 1,35 Meter auf sechs Jahre abzusenken. Aktuell beträgt das Mindestalter sieben Jahre.

Dressur

In der Dressur sind Sporen nun optional. Wenn sie benutzt werden, müssen sie aus Metall sein. Kunststoff ist verboten.

Sowohl aus den Niederlanden als auch aus Schweden kam die Forderung, den Reitern die Wahlfreiheit zwischen Trense und Kandare zu lassen. Begründung: Die Kandarenpflicht sei mit dem Pferdewohl nicht zu vereinbaren. Reaktion FEI: „Das DTC (Dressage Technical Committee) der FEI ist übereinstimmend der Meinung, dass die Verwendung von Trense und Kandare eine technische (sportliche) Angelegenheit ist und nicht eine Frage des Pferdewohls. Wir verstehen die Problematik der Wahrnehmung in der (medialen) Öffentlichkeit. Aber aus der Onlineumfrage, die diesem Komitee vorliegt, können wir keine wissenschaftlichen Beweise oder unzweifelhaften Daten ableiten, die es uns erlauben würden, zu einem anderen Schluss als diesem zu kommen.“ Es sei an der Zeit, ein „multidisziplinäres Team“ zusammenzustellen, das Experten aller Interessengruppen umfasst, um eine Studie zu entwickeln, mit der man alle Vor- und Nachteile der vorgeschlagenen Änderung verstehen kann. „Sobald diese Studie durchgeführt wurde, werden wir in der Lage sein, uns eine fundierte, durchdachte und ausgewogene Meinung zu dem Thema zu bilden.“

Unter anderem die Deutsche und die Britische Reiterliche Vereinigung hatten sich einem Vorschlag der Arbeitsgruppe Dressur innerhalb der European Equestrian Federation (EEF) angeschlossen, der vorschlug, die Qualifikationskriterien für die Teilnahme an CDI4*/CDIO4* und CDI-W WEL (= West European League) Prüfungen wieder zurückzunehmen. Die besagen aktuell, dass ein Paar mindestens 63 Prozent bei einem CDI3*-Turnier erreicht haben muss. Das habe sich in der Umsetzung als problematisch erwiesen, „besonders, wenn der Reiter ein neues Pferd hat“.
In der Tat gab es große Diskussionen, als Nanna Skodborg Merrald und Zepter in Basel bei ihrem Turnierdebüt direkt in der Weltcup-Kür gestartet sind. Die Mindestkriterien hätten die späteren Weltcup-Zweiten bei einem vorherigen Start freilich spielend erfüllt.
Die FEI scheint geneigt, dem Vorschlag Folge leisten zu wollen. Auch dem, dass die Mindestleistung für die weitere Turnierteilnahme an Special und/oder Kür von aktuell 65 Prozent auf 60 Prozent heruntergesetzt wird. Dieser Passus hatte beispielsweise beim Nationenpreisturnier in Rotterdam dazu geführt, dass die Niederlande ausschieden, weil zwei Paare unter 65 Prozent erhalten hatten.

Die Österreichische und die Deutsche Reiterliche Vereinigung sowie die EEF hatten eine Eingabe gemacht, die Fußnoten bei internationalen Turnieren wieder einzuführen. Dies wurde von der FEI abgelehnt. Begründung: Das Thema sei 2018 schon einmal von der Task Force der Arbeitsgruppe Dressurrichten zusammen mit der Nottingham Trend University aufgegriffen worden. Damals sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Fußnoten „die kumulierte Auswirkung auf die kognitive Belastung verschlimmern“. Gemeint ist wohl die kognitive Belastung der Richter.

Der International Dressage Owners Club hatte gefordert, dass im Fall des Verdachts von Blut am Pferd auf dem Abreiteplatz der Steward das Recht bekommt, das Pferd zu untersuchen. Stellt er fest, dass das Pferd wirklich eine frische Wunde hat, solle er das dem Chefrichter mitteilen, der das Pferd ausschließt. Reaktion FEI: Sofort solle das nicht eingeführt werden. Aber man wolle diese Diskussion noch einmal aufgreifen und dann für alle Disziplinen, falls erforderlich.

Die Pferde dürfen nicht in irgendeiner Weise angemalt oder so manipuliert werden, dass Verletzungen kaschiert werden könnten. Es darf aber weiterhin Glitzerspray verwendet werden.

Aktuell ist nicht explizit klargestellt, dass die Richter nachdem sie ihre letzte Note gegeben und das Protokoll unterschrieben haben, keine Noten mehr verändern dürfen. Auf Anregung des IDOC soll das nun ins Regelwerk aufgenommen werden.

Der IDOC hatte gefordert, dass auch bei Europameisterschaften der Nachwuchsklassen sieben statt nur fünf Richter am Viereck sitzen, weil das die Notenunterschiede zwischen den Richtern egalisieren würde. Das wurde von FEI-Seite abgelehnt. Stattdessen solle ein Mitglied des JSP (Judges Supervisory Panel) bei Europäischen Jugendmeisterschaften anwesend sein.

Österreich, Deutschland und die EEF hatten gefordert, die Mitgliedschaft der Richter im JSP auf vier Jahre zu begrenzen. Der IDOC schlug eine Rotation der Besetzung vor, nach der jedes Jahr ein JSP-Mitglied gegen einen aktiven 4*/5* Richter ausgetauscht werden sollte. Das wurde von der FEI abgelehnt. Zwar werden die JSP-Mitglieder für vier Jahre ernannt, aber sie können wiedergewählt werden.

Um die Amateur-Touren attraktiver zu gestalten, sollen die Aufgaben einfacher werden. Vorgeschlagen und von der FEI unterstützt wird dieses Schema: Bronze Tour = FEI-Juniorenprüfungen (M**-Niveau), Silver Tour = FEI-Junge Reiter Prüfungen (S-Niveau), Gold Tour = Kleine Tour (Prix St. Georges, Intermédiaire I), Platinum Tour = Mittlere Tour (Intermédiaire II, A und B), Diamond Tour = Große Tour (Grand Prix und Special).

Vielseitigkeit

Frankreich schlug vor, das Mindestalter der Pferde für Starts in 4*- und 5*-Prüfungen um ein Jahr heraufzusetzen. Das stieß bei der FEI auf Zustimmung. Statt mit acht, dürfen die Pferde erst mit neun Jahren bei 4*- und 5*-CCI starten.

Ferner hatte die Französische Reiterliche Vereinigung angeregt, MER (Minimum Eligibility Requirement) nur dann zu vergeben, wenn im Gelände keine Alternativen gewählt wurden. Das stieß bei der FEI auf Ablehnung, unter anderem, weil die ausgeflaggten Alternativen den gleichen Schwierigkeitsstandard haben sollen, wie der Rest des Kurses und nicht zwangsläufig einfacher sind. Auch sei das in der Praxis schwer umzusetzen.

Deutschland und die EEF hatten gefordert, auch in der Vielseitigkeit eine „Morning Re-Inspection“ zuzulassen, sollte es beim regulären Vet-Check Beanstandungen bei einem Pferd gegeben haben. Das aber wurde von der FEI abgelehnt. Das aktuelle Reglement erlaube es der Ground Jury bereits, jedes Pferd, dessen Fitness fraglich erscheint, noch einmal zu checken und ggf. auszuschließen.

Fahren

Auch im Fahrsport wurde das Reglement um einen Passus erweitert, der der Ground Jury das Recht gibt, unverzüglich einzugreifen und ein Gespann auszuschließen, wenn das im besten Interesse der Pferde ist und/oder der Sicherheit aller Beteiligten dient.

Aktuell gibt es noch keine klare Definition eines Pferdesturzes beim Fahren und auch keine Regelung, welche Sanktionen das nach sich zieht. Beides soll nun angepasst werden.

Zudem wird es nun analog zur Vielseitigkeit ein Verwarnsystem für „gefährliches Fahren“ geben. Dazu wird ein Annex entwickelt, der die eine Einordnung vornimmt und informiert, welche Strafpunkte für welches Vergehen seitens der Fahrer verhängt werden.

Voltigieren

Die Qualifikationskriterien von Athleten und Pferden für Championate wurden verschärft. Das ist das Ergebnis des FEI Vaulting Forum 2023 sowie einer im Vorfeld durchgeführten Umfrage, denn dabei wurde verschiedentlich Sorge um Sicherheit und Wohlergehen der Pferde zum Ausdruck gebracht.

Zudem sollen neben Ausbindern auch Dreieckszügel erlaubt werden (sofern der Abstand der hinteren „Schenkel“ nicht größer als 40 Zentimeter ist).

Distanzreiten

Die Pausen zwischen Streckenabschnitten von 20 bis 29 Kilometer sollen auf mindestens 30 Minuten verkürzt werden.

Im Bereich Ausrüstung wird ergänzt, dass jede Form des Wundseins im Maul auf der Vet Card vermerkt werden muss. Sollte die Fortsetzung des Rittes die Verletzung potenziell verschlimmern oder in irgendeiner anderen Weise das Wohlergehen des Pferdes beeinträchtigen, darf nicht weitergeritten werden. Das wird dann vermerkt unter dem Kürzel FTQ-MI und bedeutet „Failed to Qualify – Minor Injury“.

Für sechsjährige Nachwuchspferde, die an ihrem ersten CEI1* wurde eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 18 km/h eingeführt.

Es werden neue Preise vergeben, z. B. für die Beendigung mehrerer Ritte in Folge und die beste Verfassung des Pferdes.

FEI Veterinary Regulations

Die Krankentransporter für Pferde müssen nun mit einer Winde ausgestattet sein, um verletzte Pferde verladen zu können.

Voltigierpferde sollen aufgrund ihrer Größe extragroße Boxen bekommen mit den Mindestmaßen 3×4 Meter.

In Sachen Stallausstattung wurde einiges ergänzt hinsichtlich Lichteinfall, Belüftung, Trinkwasserstandards, Sicherheit für Menschen und Pferde und Feuerschutzmaßnahmen.

Die Maßnahmen zur Stallreinigung und Desinfektion sollen vereinheitlicht und standardisiert werden, um sicherzustellen, dass das alles korrekt abgelaufen ist.

Das Ausladen der Pferde muss innerhalb einer Stunde nach Ankunft am Turnierplatz geschehen. Der Untergrund, auf dem die Untersuchung bei Ankunft stattfindet, muss sicher und rutschfest sein.

In Sachen Biosecurity wurde festgelegt, dass die Pferde nicht mehr in den Stallgassen geputzt und gesattelt werden dürfen. Der verantwortliche Veterinär vor Ort kann jederzeit dazu auffordern, Fieber zu messen. Außerdem hat er die Aufgabe, täglich bei fünf Prozent der Pferde unter Aufsicht Fieber zu messen, sofern es sich um Turniere handelt, bei denen die Pferde länger als eine Woche eingestallt sind.

Es gibt neue Sanktionen für die Fälschung der Temperatur oder die Nutzung einer nicht von der FEI anerkannten Methode.

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

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  1. Gabriele

    Alles richtig, was der irische Verband zur Zäumung der Springpferde sagt. By the way, hat schon mal jemand ins Maul eines Trabers geschaut? Oder in den Ausrüstungsshop auf der Trabrennbahn?


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