„Der Rhythmus ist der Ankerpunkt“, sagt Lars Meyer zu Bexten und merkt an, dass viele Reiter auf der Suche nach der richtigen Distanz den Rhythmus verlieren. Ohne ihn wird es jedoch schwierig im Parcours. Die gute Nachricht: Rhythmus lässt sich erlernen. Wir haben uns angeschaut, auf welche Tipps und Tricks der Springtrainer dafür zurückgreift.
Lars Meyer zu Bexten ist auf dem elterlichen Hof in Herford aufgewachsen, hat mit 15 Jahren sein erstes S-Springen gewonnen, mit 17 erhielt er das Goldene Reitabzeichen. Mittlerweile ist er internationaler Trainer und führt Lehrgänge im In- und Ausland durch. Von 2005 bis 2013 war er Mitglied im Bundestrainerteam Springen und zeitweise Bundestrainer der Junioren und Jungen Reiter. Im Training seiner Schüler legt Lars Meyer zu Bexten besonderen Wert auf rhythmisches Reiten. Im Special, das in der Septemberausgabe 2023 des St.GEORG erschienen ist, hat er uns dazu diese sieben Tipps verraten.
1. Richtig treiben um rhythmisch zu reiten
Der Rhythmus beginnt mit dem richtigen Treiben. Oft sieht man nicht einen leicht anliegenden, atmenden Schenkel des Reiters, sondern einen pressenden Schenkel, auf den das Pferd nicht reagiert, erklärt Lars Meyer zu Bexten. „Egal, welche Hilfe, sie muss ankommen.“ Um das zu trainieren, hilft zuzulegen und einzufangen im Galopp. Nach dem Prinzip, sich vom Einfachen zum Schweren vorzuarbeiten, sollte damit an der langen Seite begonnen werden, wo viel Platz ist. Die Aufgabe: Man nehme zwei feste Punkte, z. B. die Zirkelpunkte oder auf dem Boden liegende Schaumstoffstangen, und zählt die Galoppsprünge zwischen diesen beiden Punkten. Im nächsten Anlauf versucht der Reiter, die Anzahl der Galoppsprünge auf der gleichen Strecke zu verringern oder zu erhöhen. Wichtig ist dabei, das Pferd nicht lospreschen zu lassen. Die Anzahl der Galoppsprünge sollte nur durch ausbalanciertes Zulegen verringert werden. Das Ziel ist, diese Übung nicht nur an der langen Seite, sondern an jeder Stelle des Platzes reiten zu können.
2. Vertrauen finden
Nur vertrauensvolles Springen lässt Rhythmus zu, sagt Lars Meyer zu Bexten. Pferden, die abbremsen oder sich überspringen, fehlt es daran. Reiter neigen dann oft dazu, die letzten Galoppsprünge vor dem Sprung deutlich zuzulegen und die Verbindung zum Pferdemaul aufzugeben. Unsichere Pferde werden dadurch noch unsicherer. Hier gilt es, Vertrauen aufzubauen. Das gelingt, indem man zunächst über kleinere Sprünge arbeitet und diese z. B. in Richtung Ausgang aufbaut, wo das Pferd von sich aus mehr hinzieht. Der Anreiteweg sollte weder zu kurz noch zu lang gewählt und sowohl auf gerader Strecke als auch in der Wendung das Pferd gleichmäßig vor den Hilfen gehalten werden. Der ausbalancierte Galopp sollte bei schreckhaften Pferden oberste Priorität haben.
Pferde, die viel gucken, können sukzessive an die Problemquelle herangeführt werden. Das bedeutet, sich z. B. einem auf dem Platz liegenden Wassergraben in entgegengesetzter Biegung und Stellung schrittweise anzunähern. Das Pferd wird so nicht offensiv mit dem Problem konfrontiert. Grundsätzlich gilt: Mit viel Abwechslung arbeiten und das Pferd immer wieder vor neue, kleine Herausforderungen stellen.
3. Rhythmisches reiten benötigt Ruhe
Das Gegenteil von triebig und schreckhaft sind Pferde, die zu stark zum Sprung ziehen oder danach loslaufen. Dadurch ergibt sich das Problem, dass der Reiter ins Ziehen kommt, ohne damit einen positiven Einfluss auf den Rhythmus erzielen zu können. Für diese „heißen“ Pferde ist es wichtig, viel Abwechslung ins Training zu bringen. Die Wege zu den Sprüngen sollten eher kürzer gehalten werden, um dem Pferd wenig Zeit und Platz zum Loslaufen zu geben. Nach dem Hindernis helfen Begrenzungen wie die Bande und gebogene Linien, um das Pferd ohne Ziehen, stattdessen über Wendungen und einen ausbalancierten Sitz (siehe Tipp sechs) einzufangen. Die Skizze unten zeigt eine Übung, die dabei helfen kann, sowohl den Rhythmus als auch den Sitz zu schulen. Durch die Stangen wird dem Pferd der korrekte Rhythmus vorgegeben, während sich der Reiter auf seinen Sitz konzentrieren kann.
4. Das eigene Gefühl schulen
Viele Reiter machen sich mehr Sorgen um die passende Distanz als um einen guten Rhythmus. Das ist eine Fehlerquelle, erklärt der Trainer, da es nicht auf den Zentimeter ankommt. Bevor bewusst eine Distanz gesucht wird, müssen Galopp und Rhythmus stimmen. Das sind Grundlagen, denen in der täglichen Arbeit ein hoher Wert beigemessen werden sollte. Erst wenn diese Grundlagen sitzen, sollte man in die Feinabstimmung für die richtige Distanz gehen. Lars Meyer zu Bexten hat in seinen Trainings festgestellt, dass dabei oft schon das Gefühl des Reiters nicht ganz der Realität entspricht. Eine Distanz, die sich für den Reiter passend angefühlt hat, ist vom Boden betrachtet dann doch gar nicht so passend gewesen. Also sollte erstmal das Gefühl geschult werden. Der Tipp des Trainers: den Ritt auf Video aufzeichnen lassen und im Nachhinein analysieren. Dabei kann der Reiter sein Gefühl am Sprung mit der Realität abgleichen und lernen, wie sich ein passend und im Rhythmus gerittener Sprung tatsächlich anfühlt.
5. Gegebenheiten annehmen und rhythmisch reiten
Oft genug werden Reiter vor die Aufgabe gestellt, dass eine Distanz oder Kombination nicht hundertprozentig passend für das eigene Pferd gebaut ist. Teil der Aufgabe ist es, dennoch seinen Rhythmus beizubehalten. Steht eine Kombination eher weit, gelingt das mit genügend Platz am Einsprung. Der Reiter sollte sein Pferd schon am ersten Sprung mit treibender Hilfe begleiten, um eine gleichmäßige Flugkurve weit in die Kombination zu erzielen. Umgekehrtes gilt, wenn die Kombination eher eng steht. Auf dem Weg zum Einsprung kann dann ggf. schon ein Galoppsprung mehr geritten werden. Der Reiter muss seinen Oberkörper kontrollieren, über dem Einsprung etwas weiter zurückbleiben und ausbalanciert sitzen.
Sitzt man auf einem eher schüchternen Pferd, wird die Kombination schnell zu weit, fügt Lars Meyer zu Bexten hinzu. Auch hier gilt es wieder, erstmal Vertrauen aufzubauen. Dafür sollten die Sprünge klein und der Abstand in einem für das Pferd optimalen Maß aufgebaut werden, sodass es mit einem guten Gefühl durch die Kombination kommt.
6. Ein ausbalancierter Sitz
Als essenzielles Kriterium für den Rhythmus nennt Lars Meyer zu Bexten immer wieder den ausbalancierten Sitz. Kommt ein Reiter häufiger vor oder hinter die Bewegung des Pferdes, fehlt diesem Sicherheit und Konstanz. Der Springtrainer rät in diesem Fall, immer wieder den Grundsitz und den Springsitz in den verschiedenen Ausprägungsformen abzurufen und in der täglichen Dressurarbeit zu trainieren. „Je leichter und unabhängiger vom Zügel der Reiter sitzt, umso leichter fällt ihm das auch am Sprung“, erklärt der Experte. Im Springtraining kann es helfen, immer mal wieder eine Reihe einzubauen. Dann ist der Rhythmus für das Pferd vorgegeben und der Reiter kann sich mehr auf seinen Sitz konzentrieren. Die schnelle Abfolge von Sprüngen wirkt außerdem dem Problem vor, dass ein Reiter nach vorne fällt.
Auch ein Ausritt im Gelände eignet sich, um seinen Sitz zu schulen. Besonders bergauf und bergab Reiten erfordert Balance und Körperspannung. Laut dem Experten ist es deshalb ratsam, diese Übungen immer wieder in das alltägliche Training einfließen zu lassen.
7. Turniertipp
Die Prüfung beginnt mit dem Abgehen des Parcours. Dieser sollte auf genau der Strecke abgegangen werden, auf der er später auch geritten wird. Dazu müssen Reiter frühzeitig lernen, Distanzen richtig abzuschreiten. „Das ist auch wichtig für den Rhythmus“, mahnt Lars Meyer zu Bexten. Sein Tipp: im Alltag immer mal wieder eine drei Meter lange Sprungstange abschreiten. Das perfektioniert den Meterschritt und mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür, wie sich das eigene Pferd auf gewissen Distanzen reiten lässt.
Dann ist am Turniertag „der Kopf des Reiters entscheidend“, weiß der Experte. Ein unerfahrener Reiter sollte auf dem Abreiteplatz nichts Neues mehr ausprobieren. Stattdessen sollte das umgesetzt werden, was zu Hause erarbeitet wurde. Dazu gehört, das Abspringen so zu gestalten, dass man Dinge macht, von denen man weiß, dass sie funktionieren. Der Rat: die positiven Dinge ranholen. Dazu kommt das Zeitmanagement mit der Frage: Wie viele Pferde vorher fange ich an? Bei der Beantwortung kann es helfen, die letzten Turniere zu reflektieren, rauszuarbeiten, was gut funktioniert hat und sich daraus Routinen zu entwickeln.
Bevor es dann in den Parcours geht, rät der Trainer, sich nochmal einen Moment zu nehmen, um sich zu sammeln. Schon vor dem Einritt sollte klar sein, wo gegrüßt und welcher Weg zum ersten Sprung gewählt wird. Dann steht einem rhythmisch-harmonischen Ritt nichts mehr im Weg.
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