Der CDIO5*- Grand Prix Special Aachen 2024ist in vielerlei HInsicht eine besonders interessante Dressur in diesem Jahr. Erstens weil in dieser Aufgabe bei den Olympischen Spielen der Mannschaftswettbewerb entschieden wird, und zweitens weil die Olympiarichter 2024 in der Aachener Soers über die Notenvergabe entscheiden.
Fazit CDIO5*-Grand Prix Special
Das deutsche Dressurteam für die Olympischen Spiele ist noch nicht nominiert, aber zwei, die schon einmal eine Einzelgoldmedaille gewonnen haben, sind sicher dabei. Jessica von Bredow-Werndl und Isabell Werth. Letztere hat heute im CDIO5*-Grand Prix Special sich den Teamplatz Nummer zwei gesichert. Offiziell ist das noch nicht bestätigt, aber die sportlichen Fakten sprechen für sich. Mit Wendy war sie trotz eines technischen Fehlers (Beschreibung des Ritts weiter unten im Liveticker-Verlauf) deutlich besser als ihre mannschaftsinterne Konkurrenz.
Die nächste nicht „selbstgemachte“ Stute für Isabell Werth
Hat Werth mit Ausnahme von Weihegold jedes ihrer Spitzenpferde selbst in den Grand Prix Sport gebracht, ist es mit Wendy anders. Vor etwas mehr als einem halben Jahr kam die Stute, die übrigens genau wie Weihegold via Embryotransfer schon Mutter mehrerer Fohlen, darunter zwei gekörter Hengste ist, zu Isabell Werth in den Stall. Die Olympiasiegerin, die ihrer siebten Olympiateilnahme entgegenblickt, dankt „Andreas“ (Helgstrand) für die Ausbildung, die nicht so falsch gewesen sein könne, sonst wären ja diese Leistungen nicht nach so kurzer Zeit möglich, argumentiert die 54-Jährige. Kurz vorm Auftakt der Spiele in Paris wird sie 55. Wer Werth kennt, weiß, dass sie keinen der Tage bis zum Einreiten ins olympische Viereck ungenutzt verstreichen lassen wird. Morgen ist erstmal die Kür dran, „ich liebe die Musik“ sagt die Reiterin. In Rotterdam war sie das erste Mal die extra für Wendy zusammengestellte Kür geritten.
Herauszufinden, wie Lektionen geritten sein wollen, seien nur das eine, wenn man ein ausgebildetes Pferd übernimmt. Es ginge aber auch darum, eine Verbindung herzustellen. Erstes Learning „Sie mag keine Äpfel, liebt aber Bananen, die frisst sie schneller als jeder Elefant“. Werth sagt, sie gehe mit Wendy grasen – Teambildung mit Blick gen Paris. Der Ritt im Detail weiter unten im Verlauf des Livetickers.
Frederic Wandres wird zum Rainman und erhält einen Rat von Isabell Werth
Morgens Sonne, sommerlich, beinahe schwül. Am frühen Nachmittag dann „Wasser marsch“. Frederic Wandres und Ingrid Klimke hatten unter den Sturzfluten, die Petrus vom Himmel schickte, am meisten zu kämpfen. „Teilweise habe ich gar nicht mehr richtig sehen können wegen des Regens“, sagt Frederic Wandres. Mit einem nahezu fehlerfreien Ritt hat er seine Position in Bezug auf eine mögliche Berücksichtigung fürs Olympiateam gestärkt. Ein bisschen hadert Wandres mit sich selbst. Eigentlich sei Nervenstärke sein Pro, aber der Druck nach den Deutschen Meisterschaften sei groß gewesen. Geholfen habe ihm ein Drei-Wort-Satz, den ihm Isabell Werth gestern Abend mit auf den Weg gegeben hat: „Reiß dich zusammen!“ (Details zum Ritt unten im Liveticker).
Wandres wurde Dritter. 0,5 Punkte trennten ihn von Dinja van Liere. Mit dem erst neun Jahre jungen Hannoveraner Vita di Lusso hat sie ein Pferd, von dem man sicherlich noch viel hören wird. Er kam sechsjährig in den Stall der Niederländerin. Im vergangenen Jahr ging er in der Kleinen Tour beim CHIO Aachen, im Dezember 2023 seinen ersten Grand Prix. Sie arbeite noch „am Rahmen“, käme aber immer mehr zum Loslassen. Anfangs sei der Braune nicht ganz einfach gewesen. „Allmählich muss ich ihn nicht nur bremsen, sondern kommen mehr zum Reiten“, sagt die WM-Dritte von 2022.
Ingrid Klimke und Franziskus erlebten keinen schlechten Tag, aber auch nicht den richtig guten, der ihnen im CDIO5*-Grand Prix Special Aachen zu wünschgen gewesen wäre- Auch in Hinblick auf die Olympiateilnahme. Franziskus war in der ersten Piaffe nicht ganz auf Spur und sprang bei beiden der zweimal geforderten Einerwechsel-Sequenzen hinten nicht alle Wechsel durch. Keine groben Fehler, aber eben auch keine Achten. Wer die Kür der beiden mit ihren mehr als 20 Einerwechseln auf gebogener Linie vorm geistigen Auge hat, der weiß – die Wechsel sind eigentlich eine sichere Bank beim „Tanz mit Franz“. Auch das Münsteraner Duo musste bei Wetterbedingungen ins Viereck, wie man sie am Nordseedeich im Herbst kennt, nass und windig.
Liveticker CDIO5*-Grand Prix Special Aachen 2024
Update 14.42 Uhr Ingrid Klimke und Franziskus
Rhythmisches Klatschen schon vorm Einreiten – das gab es bislang im CDIO5*-Grand Prix Special Aachen noch nicht. Aber das Publikum wollte Ingrid Klimke wohl klarmachen, wie sehr die Daumen gedrückt waren.
Mustergültiges Halten zum Beginn (7,8), kontrolliert der starke Trab, in perfekter Selbsthaltung die Traversalen, Reiten von Punkt zu Punkt, präziser ging es nicht. Die Passage schwingend, nicht zu effekthaschend geritten. Ein Musterbeispiel eines durchlässigen Pferdes, Klimke eben …
Der Schritt war gelassen, man hätte sich etwa mehr Energie gewünscht (6,9). Nach etwas zaghaftem Anpiaffieren hob sich der Hengst einmal heraus, fand dann aber in die Piaffe zurück. Die zweite Piaffe gelang besser, aber die Noten waren dennoch im Bereich von 72 Prozent gelandet. Also musste Klimke in der Galopptour kämpfen: Die Traversalen gelangen wieder gut, genau wie die Zweierwechsel (8,1). In den 15 Einerwechseln schlichen sich zwei kurz gesprungene Wechsel ein (7,0). Aus der ersten Pirouette kam der Fidertanz-Sohn leicht traversartig zurück auf die Mittellinie. Auch in den neun Einern zwischen den Pirouetten gab es einen kurz gesprungenen Wechsel. Die Rechtspirouette war richtig gut. Das galt auch für die letzte Piaffe und die Passagen zum Abschluss der Prüfung 74,596 Prozent, Platz vier.
Update 14.34 Uhr Patrik Kittel und Jovian (SWE)
Starker Trab 9,0, Traversalen im Trab 8,1, Passagen 7,5 – der Grand Prix Special ist im ersten Drittel der Aufgabe dem ehemaligen Jungpferde-Weltmeister auf den (trabenden) Leib geschneidert. 79 Prozent waren der Zwischenwert vorm Schritt, 75,5 waren es danach. In den Piaffen fiel der Hengst mitunter auf das linke Hinterbein. In den Seitenwechseln schwankte der Apache-Sohn deutlich (Zweierwechsel 6,6, Einerwechsel: 7,4). Versammelter Galopp und Pirouetten waren nicht immer im klaren Dreitakt. Ein Taktfehler im letzten starken Trab kostete weitere Punkte. 72,979 Prozent
Update 14.23 Uhr Dinja van Liere und Vita di Lusso (NED)
Der junge Vitalis-Sohn lag lange auf Platz eins im Ranking. Pasagen und starker Trab liegen dem Braunen. Im Schritt musste der Neunjährige dann Federn lassen (6,4). Aber in den Piaffen, etwas zu eng im Hals, dafür fleißig und regelmäßig getreten, gab es Punkte satt. Zumal auch die Übergänge mit großem Selbstverständnis ausgeführt wurden. Der Hannoveraner hat von Haus aus keine riesengroße Galoppmechanik, aber der Galopp ist praktisch und balanciert. Die Galopplektionen sind von beeindruckender Sicherheit für ein neun Jahre junges Pferd. Und die Schlusslinie mit Passagen und Piaffe waren ein erster Fingerzeig, dass dieses Pferd irgendwann einmal ein 80+-Kandidat werden könnte. 76,872 Prozent sind nicht nur eine persönliche Bestleistung, das sich damit mit einer Differenz von 21 Hundertstel Prozentpunktwn vor Wandres setzt.
Update 14.15 Uhr Frederic Wandres und Bluetooth
Konzentrierter Auftakt des Paars imCDIO5*-Grand Prix Special mit einer glatten 8,0 für die Trabverstärkung, fließenden Traversalverschiebungen und einem federnden Übergang in eine gut abgesetzte Passage. Wandres, dessen Bordeaux-Sohn am Donnerstag mit der Atmosphäre zu kämpfen hatte, begann souverän.
Die erste Piaffe war auf Sicherheit geritten, leicht im Vorwärts. Allerdings schüttete es zu dem Zeitpunkt wie aus Wannen und das in Verbindung mit kalten Windböen. Ein Wetter, bei dem Pferde normalerweise auf der Weide den Hintern in den Wind drehen und hoffen, dass es schnell vorbei ist. In der zweiten Piaffe ließ Wandres die Zügel einmal durchhängen, Bluetooth fand die Balance, piaffierte weiter, und passagierte tapfer gegen die Regenwand an.
Bei den 15 Einerwechseln auf der Diagonale zeigte „Freddie“ vollen Körpereinsatz. Deutlich stellte er den Wallach im letzten Drittel der Lektion im Hals hin und her, brachte die Serienwechsel dafür sicher nach Haus. Die Linkspirouette war sehr groß, der nach nach gelungenen neun Einerwechseln gezeigte Rechtspirouette fehlte es im letzten Drittel an Energie und klarem Absprung im Hinterbein. 76,851 Prozent für einen konzentrierten Ritt bei Sauwetter.
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Update 14.03 Uhr Isabell Werth und Wendy
Drei Grand Prix Specials ist Wendy unter Isabell Werth bislang gegangen. Bei der Premiere in Le Mans (74,511), dann bei dem „kleinen Aachen“ (75,149) und schließlich auf dem Maimarkt in Mannheim 76,255.
Beim Abreiten ritt die Rheinländerin die Sezuan-Tochter aus dänischer Zucht immer wieder auch Piaffe-Pirouetten. Der Applaus im Stadion bevor die Glocke zum Einreiten bat, störte Wendy nicht.
7,6 gab es für ein ruhiges Halten. Der Wechsel zwischen Passagen, versammelten Trab-Reprisen und Trabverstärkungen waren rhythmisch. In der Passage könnte die Stute im Hinterbein mehr Abdruck zeigen. Vor dem Schritt lag die Zwischennote bei 77,5 Prozent. Die erste Piaffe war sicher, danach schnaubte die Stute einmal ab. Die zweite Piaffe hatte „Weihe“-Qualität: gesetzt, rhythmisch, balanciert. Die Übergänge fließend und akzentuiert – Weltklasse.
In der Galopptour folgten auf gerade Zweierwechsel (7,7), 15 Einerwechsel, in deren Verlauf die Stute nicht mehr ganz so entspannt wirkte und mehrfach schnaubte (7,5). Die Pirouette nach links zelebrierte Isabell Werth (8,5). Dann misslangen die neun Einerwechsel (4,9). In der Rechtspirouette hatten beide wieder zueinandergefunden. 78,08 Prozent, neue Bestleistung des Paars, Magnus Ringmark, schwedischer Richter bei C, gab 79,149 Prozent.
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Update 13.50 Uhr Nanna Skodborg Merrald und St. Schufro (DEN)
Nanna Skodborg Merrald und St. Schufro. Der Hannoveraner Rapphengst startete stark. In den Passagen wünschte man sich einen etwas lockereren Rücken, ein weiter unter den Schwerpunkt schwingendes Hinterbein und dass der Schweif genauso ruhig pendelt, wie er das sonst bei dem St. Schufro-Sohn tut. Ein Taktfehler im straken Trab drückte die Note, die bis dahin bei 74 Prozent lag. Die Piaffe sind ein Schwachpunkt. Der Hengst tritt hinten weit, weicht mitunter aus. Die Lektion im Vorwärts anzulegen, ist da genau richtig. Aber wer mehrere Meter (in der ersten Piaffe) nach vorn „travelt“ (Richtersprache), mag sich für ein Frequent Traveller Programm, aber nicht um Achten in der Piaffe bewerben. Sichere Serienwechsel und, Highlights(!), die Pirouetten halfen die verlorengegangenen Punkte wieder zu kompensieren. 72,489 Prozent
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Update 13.30 Uhr
23 Paare sind mittlerweile vor den Richtern im CDIO5*-Grand Prix Special von Aachen erschienen. Mit einem gut anzusehenden Ritt, das Pferd sicher vor den treibenden Hilfen, setzte sich die Dänin Nadja Aaboe Sloth mit Favour Gersdorf an die Sptze des Feldes. Der Foundation RR-Sohn hatte sich in der vergangenen Weltcupsaison „hochgedient“. Mittlerweile hat sich die 31-Jährige im Establishment unterm Danebrog etabliert. Mit 74,17 Prozent schaffte das Paar im Stadion in Aachen seine persönliche Bestleistung.
Dahinter rangiert die Weltcup-Finalistin Marieke van der Putten mit ihrem Totilas-Sohn Titanium. Der runde Wallach hat ins Sachen Piaffe und Passagen viel von seinem Erzeuger. Das half im CDIO5*-Grand Prix Special von Aachen, 74,021 Prozent.
Die Französin Pauline Basquin kam auf 72,957 Prozent. Über 73 Prozent wären locker drin gewesen. Aber ein Fehler in den 15 Einerwechseln drückte die Note von Sertorius de Rima.
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Katharina Hemmer und Denoix haben sich intensiv vorbereitet auf ihren Start im CDIO5*-Grand Prix Special von Aachen. Nachdem der Fuchs sich im Stadion im Grand Prix ganz offenkundig nicht wohlgefühlt hatte, hatten „Katha“ und der Oldenburger Fuchs viele vertrauensbildende Maßnahmen am wettkampffreien Freitag auf dem Trainingsplan. Beispielsweise entspannt im Schritt reiten wenn parallel der Applaus im Stadion aufbrandet.
Katharina Hemmer und Denoix CDIO5*- Grand Prix Special Aachen
Als das Paar aus der Meisterschmiede von Hubertus Schmidt das Stadion betrat, konnte man schon sehen, dass Denoix zumindest skeptisch war. Aber er folgte den Hilfen seiner Reiterin. Der Auftakt der Prüfung zeigte allen, warum die beiden auf der Longlist für die Olympischen Spiele gelandet sind: Gute Passagen, der Schweif pendelnd, das Pferd zufrieden. Traversalen im Trab wie sie die Richtlinien für Reiten und Fahren nicht anders beschreiben würden. Aber spätestens im Schritt deutete sich an, dass die Spannung noch im Pferd war. Er blieb aber im Takt und im Verlauf der Diagonale wurde der Schritt zunehmend entspannter. Im versammelten Schritt vor der Piaffe wurde der Destano-Sohn etwas „wach“. Zunächst trat er willig an, entwickelte eine federnde Piaffe. Doch dann – plötzlich guckte er entsetzt nach links auf die Tribüne an der kurzen Seite. Auch in der zweiten Piaffe guckt der Fuchs in die Tribünen. Er gefror förmlich. Wie schade! Das Viereck im Dressurstadion im CDIO5*-Grand Prix Special von Aachen und Denoix sind zwei Dinge, die an diesem Wochenende einfach nicht zueinanderfinden wollen.
Wie groß das Vertrauen zwischen „Purzel“ und „Katha“ ist, zeigte sich im weiteren Verlauf der Prüfung. Auch wenn der Fuchs zweifelsohne innerlich gespannt war, absolvierte er die gewünschten Lektionen, bekam aber dann nicht mehr die Noten, die ihm vom Talent her durchaus zukämen – ohne Spannung, versteht sich. 66,93 Prozent dürften einen Start in der Kür am morgigen Sonntag unrealistisch erscheinen lassen. Aber auf das nächste Turnier von Katharina Hemmer und Denoix darf sich jeder freuen, der schönes Reiten im Wettkampf mag.
Nach zehn Ritten lag die Dänin Anna Zibrandtsen mit dem Oldenburger Quel Filou vorn. Als einzige war es ihr gelungen, die 70-Prozent-Marke zu knacken, wenn auch nur knapp (70,574).
Die Live-Ergebnisse des CDIO5*-Grand Prix Special
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