Der Geländekurs Olympia 2024. Alle Sprünge im Einzelbild, Coursewalk der Cross Country Strecke bei den Olympischen Spielen 2024 mit Kommentaren von Bettina Hoy.
Die technischen Daten des Olympia-Geländekurses
Länge: 5149 Meter, Idealzeit: 9:02 Minuten, Abstand zwischen den Startern: 4 Minuten, Anzahl der Hindernisse: 28 (mit 41 Sprüngen)
1 Olympische Ringe Citius, altius, fortius, communiter
Schneller, höher, weiter – vereint! Das Olympisches Motto von Pierre de Coubertin auf der einen Seite eines Hochweitsprungs zum Auftakt. Die Pferde springen durch einen (naja) Lorbeerkranz, eine Reminiszenz an die antiken Olympischen Spiele.
2 Der Handwerker-Oxer
Nicht Hammer und Sichel, sondern zwei Hämmer und ein Stechbeitel. Parcourschef Pierre LeGoupil setzte einen Sprung an den Anfang der Strecke, der an die Arbeit derjenigen erinnert, die den gesamten Parcours gebaut haben. Die Konzeption der Strecke begann schon zwei Jahre vor den Spielen.
3 Auf der Pfauen Allee
Diese Schneise heißt Pfauen Allee. Blaue Farben dominieren den Tisch. Bettina Hoy lobt schon hier, nach kaum mehr als 200 Metern den Kursdesigner: „Ganz geschickt hat er ein Deko-Element eingebaut, diesen Busch, in dem Pfauen sitzen. Er steht so, dass die Reiter das Pferd noch einmal aufnehmen müssen, bevor sie dann aus leichter Kurve den Tisch springen. Das ist vorausschauend gedacht, denn es folgt ja ziemlich schnell eine nahezu 90-Grad-Kurve nach links. Da muss man die Pferde auf dem Hinterbein haben, denn nach rechts kommt eine Passage, wo der Boden rutschig werden könnte.“
4 Die Brautwerbung des Pfauen
Poetischer Name für einen Graben mit Bürste. Eins steht fest: Vor dieser Brautwerbung sollte kein Junggesellenabschied stehen, denn in der Rechtskurve vor dem Hindernis stehen einige Bäume, da muss man alle Sinne beisammen haben.
5 ABC Bassin de Ménagerie
Bassin – auch mit rudimentärem Französisch kann man es vermuten: Der erste Wasserkomplex, der recht früh kommt. In einem kreisrunden Becken ist mindestens eine Denksportaufgabe gestellt. Auf direktem Weg geht es über einen schrägen Baumstamm. Da müssen sich die Pferde schon mal mächtig strecken. Und dann geht es über eine schmale Heckenecke.
Die Alternativen muss man sich genau anschauen. Vorher geht es schon einmal bergauf. Bettina Hoy erkennt eine generelle Herausforderung der Strecke: „Du hast hier den Wechsel des Bodens, mal Gras, dann immer wieder beim Kreuzen der Wege im Park Sand. Wenn der Boden tiefer wird, dann muss man auf jeden Fall das Pferd gut auf dem äußeren Hinterbein haben in den Wendungen. Drei lange Stollen in den Hintereisen sind für mich ein Muss!“ Raus aus dem Wasser geht es über eine Stufe mit hellem Baumstamm im Wasser, der optisch die Aufgabe klar definiert.
6 AB Der Brunnen der Ménagerie
Ein sehr schmales Element, das nach zwei Galoppsprüngen kommt. Aus Sicherheitsgründen kann der komplette obere Teil nach hinten wegklappen.
B dürfte wenig problematisch sein. Dann geht es aus dem hellen lichten Teil für einen kurzen Moment unter die dunklen Kronen eines Waldstücks. Und zwar nach oben!
7 AB Die Begleiter des Odysseus
Bettina Hoy sieht bei diesem schrägen Aufsprung gleich mehrere Dinge zu bedenken: „Das sind zunächst die Lichtverhältnisse. Vom Hellen ins Dunkle. Dann werden die Pferde vielleicht noch den Applaus von hinten hören. Der Aufsprung auf einen Hang ist eher ungewöhnlich. Clever ist die Idee, dann einen schräg zu springenden Birkensprung, einen reellen Steilsprung, zu bauen. Damit hat man klare Kontraste, was den Pferden das Einschätzen einfacher macht“. Ein geschnitzter Wolf oder Hund soll wohl an die diversen Untiere erinnern, mit denen sich Odysseus auf seiner Irrfahrt konfrontiert sieht.
8 Die Leseecke
Wer möchte nicht auf diesen Sofas sitzen und lesen. Parcourschef Pierre LeGoupil dachte an Marie Antoinette, sagt er. Nach den Bürsten geht es auf leicht ansteigender Trasse in Richtung des zweiten Wasserkomplexes.
9 Der Pferch
Hirtenmotive, „Pastoralen“, gehören zu den klassischen Bildmotiven. Hier ein Oxer nach längerer Galoppstrecke. Luftig aber fair.
10 Die Zitadelle von Vauban
Erinnert an den Baumeister Sébastien Le Prestre, der an verschiedenen Stellen Festungsanlagen erschaffen hat. Denksport meets Wassersport!
Das A-Element: eine Brücke aus grauem Feldstein (kein echter Stein) über einen trockenen Graben, dahinter etwas tiefer Wasser. Das B-Element ist eine schmale Bürste. „A will mit viel Überlegung angeritten werden. Pierre LeGoupil hat aber wieder mit Deko-Büschen eine gute Linie vorgegeben. Man kommt ja aus einer Rechtskurve, benötigt aber viel Schwung. Hier darf man nicht ziehen. Die Pferde sollten engagiert über den Hochweitsprung kommen, dann schwungvoll weiter über das schmale Element im Wasser“.
Wie man den Wasserkomplex verlässt, muss man gut überlegen. Es gibt zwei C-Elemente, allesamt Ecken über Bürsten mit einem Turm in der Mitte. Bei beiden Elementen kann man sich entscheiden, ob man links oder rechts springen möchte. „Ich denke der gerade Weg auf die rechte Ecke des C-Elements wird der schnellste sein. Die Reiter sind sicherlich gut beraten, hier Plan B und C parat zu haben. Ein Vorbeiläufer geschieht schnell, da muss man wissen, welchen Weg man dann einschlagen muss.“
11 Das Wissenschaftslabor
Ein Tisch zur Erholung, auf den es thematisch passend links zur Bibliothek weitergeht.
12 Das Bücherregal des Zeitalters der Aufklärung
Sieben oder acht Galoppsprünge auf gebogener Linie, dann dieses Literatur-Hindernis. Oben liegen die Werke von Diderot, Robespierre und Voltaire, die mit ihren Schriften das Zeitalter der Aufklärung (nein, nicht die Sache mit den Blümchen und den Bienen) maßgeblich vorangebracht haben. Ein Hochweitsprung.
13 Die Werkstatt des Seemanns
Zwei unfertige Holzboote, die nahezu parallel zueinanderstehen. Im Hintergrund der Canal, auf dem zu Zeiten Ludwig XIV hunderte Boote unterwegs waren, weswegen dieser Bereich des Parks auch „La Flotille“ heißt.
14 Die Guingette der Impressionisten
Unter der für die Bistros und Tavernen, eben die namensgebenden „Guingette“, so typischen rot weiß karierten Tischdecke steckt ein Tisch, an dem eine 34-köpfige Familie ein 5-Gänge-Menü verzehren könnte. Vorher wird am Ufer des Grand Canal galoppiert, da kann noch einmal Zeit aufgeholt werden. Der Tisch ist so breit, dass die Pferde zurückkommen. Das ist wichtig, denn nun muss der Grand Canal überwunden werden. Nicht als Schwimmer, sondern auf einem Reitweg, der auf einem extra gebauten Ponton ruht.
15 Der kleine Graben
Ein trockener Graben, optisch klar zu erkennen dank hellem Kiesel, dann geht es bergauf. „Ich finde 15 ganz interessant, weil der Kursdesigner natürlich auch irgendwie einen weiteren Sprung oder etwas über den Graben bauen können. Aber das hat er glaube ich extra nicht gemacht, weil der Boden ansteigt. Das heißt, wenn du hier jetzt einen dicken Oxer oder einen dicken Baumstamm drüber gemacht hättest, springen die Pferde in den Hang rein, das ist nicht schön für die Pferdebeine. Ich finde das sehr überlegt gebaut. Wobei die Reiter aufpassen müssen: Wer springt heute noch einen offenen Graben?“, so Bettina Hoy.
16 ABCD Aussichtspunkt über den Grand Canal
Tiefer geht es nirgends auf der Strecke. Ein Tiefsprung, genauer zwei – wobei der rechte noch höher ist als der linke. Auf der Route links gilt es nach einer kleinen Senke eine schmale Bürste zu überwinden, dann folgt eine weitere.
Die Variante rechts hat einen Graben und eine Bürste. „Das ist ein Tiefsprung, der wirklich einiges an Höhenunterschied aufweist“, sagt Bettina Hoy. „Der weniger tiefe ,Drop‘ hat dann aber zwei schmale Elemente hinterher – da gibt es schnell auch mal einen Vorbeiläufer. Sicherlich ein Hindernis, an dem das ein oder andere geschehen wird. Pierre wird den Effekt gemocht haben, dass das ein Sprung ist, der den ein oder anderen Reiter echt überraschen und ein bisschen aus dem Konzept bringen kann“.
Anschließend geht es noch einmal über den Grand Canal, der sich hier kreuzt.
17 Der französische Garten
Falls jemand einen „französischen Garten“ anlegen möchte: Hecken und weiße Zäune gehören dazu. Und bunte Blumen. Die Hecken stehen versetzt zueinander. „Schräge Hecken aufs Stadion zu, das wissen die Pferde, sie wissen, wo es zum Stall geht“, erläutert Bettina Hoy. Anschließend geht es parallel zum Ufer des Grand Canal weiter.
18 Das Geweih
Ein wunderschöner Sprung, mit klar definierter Aufgabe. Ein Meisterwerk von Christian Aschard, der diese Hindernisse erschaffen hat. Anschließend geht es linksherum in eine weitere Schneise im Park von Versailles.
19 /20 Die Holzstapel
Die Menschen, die im 13. Jahrhundert das Recht hatten, Holz im Wald zu schlagen, die „Affouages“, sind die Namensgeber dieser Hochweitsprünge.
21 ABCD Der „Kringelwald“
Noch einmal etwas hügeliges Terrain. „Der Hang hierauf ist steil“, warnt Bettina Hoy, „das könnte rutschig werden“. Auf direktem Weg geht es nach einer Rechtskurve über einen Steilsprung bergab. Es folgen zwei schmale Büsche. Hier muss das Pferd gut eingerahmt und immer noch konzentriert bei der Sache sein.
22 Der Sattelschrank
In leichter Hanglage liegt diese Truhe, die einen Sattelschrank aus längst vergangener Zeit darstellen soll. Ein Hochweitsprung, oben leicht gewölbt wie ein Schweinestall. Aber Sattelschrank klingt irgendwie royaler. Mittlerweile ist das Stadion schon beinahe wieder erreicht. Und die königliche Reitschule liegt schließlich „ums Eck“.
23 Les Eaux de l‘Ètoile Royale – das Wasser der königlichen Reitschule
Die königlichen Ställe inklusive Reitschule, die ‘Ètoile Royale sind in der Nähe des Stadions. Deswegen wurde der letzte Wasserkomplex zu Fuße des Olympiastadions nach ihnen benannt. Es geht über einen Baumstamm ins Wasser, dann links über die Hecke, die im rechten Winkel zum Einsprung stehen. „Hier ist noch einmal Konzentration gefragt“, so Bettina Hoy. „Die Pferde könnten sich kurz vorm Stall wähnen, müssen dann aber noch einmal nach links aus dem Wasser und dort über eine recht weite Ecke springen. Das erfordert Schwung und das auch noch vom Stall weg‘“, mahnt Bettina Hoy. „Man ist da noch nicht zuhause, hat aber schon einige Kilometer hinter sich“.
24 Die 100-Stufen-Treppe
Eine Triple Barre, die auch mit einem Sicherheitselement, einem Pin, ausgerüstet ist.
25/26 Le Choix Cornélien, das Dilemma des Cornélien
Zwei Hecken, die fokussiert anzureiten sind. Recht tricky, deswegen auch die Namensgebung. Der Philosoph Cornélien hat im 17. Jahrhundert das Dilemma beschrieben, zwischen zwei widersprüchlichen moralphilosophischen Werten, die beide gleichermaßen wichtig sind, was zu einem psychischen Konflikt führt. Alles klar? Ja, ist komplex!
27 Los Angeles 2028
Dieser Steilsprung ist deutlich einfacher zu verstehen. Das Olympiastadion von Los Angeles, 1984 Schauplatz der Spiele und 2028 wiederum Austragungsort. Der vorletzte Sprung.
28 Liberté, Egalié, Fraternité
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – die Maximen und Grundfeste der französischen Demokratie. Der letzte Sprung.
Mehr Details in der Cross Country App
Guten Tag,
vielen Dank für die hifreichen Beschreibungen der Hindernisse. Eine schöne Vorbereitung auf den heutigen Geländeritt. Auf dem ‚Bücherregal‘ (Hindernis 12), liegt allerdings ein Buch von Rousseau, nicht von Robespierre. Rousseau ist ein Aufklärer, Robespierre nicht.
Viele Grüße aus Köln
Karsten Witt