Irgendwie muss sich an diesem Sonntag Edit Piaf in den Park von Versailles geschlichen haben, man sah sie nicht, aber man hörte sie. Und sie war gekommen, um Jessica und ihre Primaballerina Dalera durch die Kür schweben zu sehen. Ihre Ohrwürmer brachten Pferd, Reiterin und Zuschauer zum seligen Mitschwingen.
What a day mal wieder! Diese Bühne kriegt die Dressur nie wieder, das wussten sie alle, die am Sonntag im Park des Sonnenkönigs mit ihren Pferden tanzen durften, Pirouetten, Piaffen, Passagen, Fliegende Wechsel – und wie sie alle heißen, diese Lektionen, die schon am Hof von Ludwig XIV geritten wurden. Fraglich, ob so gut.
Glücklich waren nicht nur die beiden Medaillendamen, Isabell und Jessica. Der dritte Deutsche dieser Olympiakür, Fredric Wandres auf Bluetooth, verließ die Olympiaarena medaillenlos aber glücklich. Sein 15-jährige Bluetooth war deutlich frischer als am Tag der Mannschaftsentscheidung, von Wandres war jetzt aller Druck abgefallen, er ritt jetzt nur noch für sich selbst auf Platz 13. „Vergiss nicht, dass Du ab sofort Olympiasieger bist“, hatte ihm Bundestrainerin Monica Theodorescu noch vor dem Einreiten zugerufen. Ein Leben lang. Wie sollte er das vergessen!
Mehr fröhlich als feierlich ging die Siegerehrung nach der Dressur ab. Erst flossen die Tränen, (leider kein Schampus), dann wurde gekichert und sich so ins Publikum gedreht, dass wirklich jeder Zuschauer sein Video mit dem Medaillen-Winke-Winke bekam. Es hatte ein bisschen was von Karneval. Das Podium war nicht zum ersten Mal rein „female“. Sowas freut ja Aktivistinnen, mir ist es komplett egal. Aber der Pferdesport konnte zeigen, was Frauen sportlich alles können, auch in gemischter Gesellschaft. Nicht zum ersten Mal, die Männer brauchen allmählich eine Quote. Während den Reiterinnen die Medaillen umgehängt wurden und die Hymne erklang, wurden ihre Pferde herumgeführt. Glamourdale, der Rapphengst von Charlotte Fry, ein richtiges Ritterpferd, paradierte , von zwei starken Männer gebändigt, die Blumenrabatten entlang. Das hätte Ludwig gefallen. Doch kaum saß „Lottie“ wieder im Sattel, lief der große schwarze Hengst daher brav wie ein Lamm. Ein Gentleman eben.
Zwei Tage zuvor hatte er fotogen die niederländische Königin Maxima im Stall geherzt. Das ist jetzt Mode. Jessica tut es, Isabell tut es und, geben wir’s zu, wir alle tun‘ irgendwann mal. PDA, Public Display of Affection sagen die Briten, wenn verliebte Paare in der Öffentlichkeit turteln, und das ist bei feinen Leuten natürlich verpönt. Bei Reitern und ihren Pferden – und beileibe nicht nur bei Reiterinnen – werden wir in diesen Tagen auf allen Kanälen mit Bildern geflutet, auf denen im wahrsten Sinne die überschäumende Zuneigung von Mensch und Tier vor Augen geführt wird. Pferdenase an Menschengesicht. Das muss Liebe sein. Und ich gebe es zu, auch ich freue mich, wenn das Fohlen zum ersten Mal mit seiner Nase an meine stößt, als wollte es sagen: „Ich vertraue Dir, schließlich bezahlst du mein Futter.“
Nachmachen ist nur bedingt zu empfehlen, werden jetzt strenge Reitlehrer sagen. Wenn das Ponymaul dann doch mal in die Kindernase kneift, ist der Jammer groß.
Am Ende gab es noch ein paar ernste Töne. Wie bei den anderen Pferdesportwettkämpfen wurde auch die Dressur von einem jubelnden Publikum begleitet, eine Abstimmung mit den Füßen für den Verbleib im olympischen Programm. Denn die Gefahr ist nicht gebannt, Bilder und -videos von -Tierquälereien, zuletzt von der inzwischen suspendierten Britin Charlotte Dujardin, bedrohen den Sport „Wir sind alle in der Verantwortung, so etwas zu verhindern“, sagte Isabell Werth am Schluss „Nicht erst Jahre später, um den größtmöglichen Schaden anzurichten. Sondern sofort“.
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