Abteilungsreiten: Für jeden was!

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Lernen in der Gruppe: Abteilungsreiten hat viele Vorteile. (© Lafrentz)

Das Abteilungsreiten wird oft verschmäht. Veraltet! Stimmt aber nicht! In der Gruppe zu lernen, macht Spaß und ist lehr- und hilfreich. Nicht nur Reitanfänger, auch Fortgeschrittene und junge Pferde profitieren vom gemeinsamen Training.

Winter ist die Zeit der Ausbildung – sagt FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess. Und er plädiert für ein flexibles Training. Dazu gehört für ihn unbedingt auch das Reiten in einer Gruppe, das Abteilungsreiten: „Das Training in der Gruppe eignet sich perfekt für die Winterarbeit. Vielseitige, flexible Ausbildung muss individuell sein, aber auch immer wieder im Kollektiv stattfinden.“

In früheren Zeiten wurde ausschließlich in der Abteilung geritten, geprägt vom Militär. „Abteilungsreiten ist Renaissance, aber auch Zukunft – also überhaupt keine Vergangenheitsreiterei“, erklärt Christoph Hess. „Früher war einiges nicht gut, aber bei weitem nicht alles schlecht. Lasst uns die positiven Aspekte herauspicken!“

Kurzum: Abteilungsreiten hilft einer Reitanfängerin an ihrem Sitz und ihrer Hilfengebung zu arbeiten. Ein fortgeschrittener Reiter kann seine Einwirkung überprüfen, für Turnierprüfungen üben und Teil einer Mannschaft oder Quadrille werden. Dem jungen Pferd unter dem Sattel ist ein erfahrener Stallkollege mentale Unterstützung und Anführer, wenn es in oder über unbekanntes Terrain geht. Zögerliche Youngster finden dank Herdentrieb besser in den Vorwärtsgang.

Abteilungsreiten: viele Vorteile

Ganz viele Pluspunkte also für das Abteilungsreiten bzw. das Lernen in der Gruppe. „Abteilungsreiten ist ideenreich, lehrreich, wirtschaftlich, sinnvoll und pferdeschonend“, fasst es Katrin Eschenhorst zusammen. Die Pferdewirtschaftsmeisterin und Bewegungstrainerin EM leitet einen Ausbildungsstall und Schulbetrieb in Ehrenburg bei Bremen. Abteilungsreiten gehört bei ihr zur alltäglichen Ausbildung ihrer Schülerinnen und Schüler und zum Training von jungen Pferden dazu.

Abteilungsreiten ist ideenreich, lehrreich, wirtschaftlich, sinnvoll und pferdeschonend!

Klassisches Abteilungsreiten wird geritten mit jeweils einer Pferdelänge Abstand zum Vordermann bzw. zur Vorderfrau. Beim „Hintereinander herreiten“ können die Abstände variieren und auch zwei Pferdelängen betragen. Wichtig: In der Gruppe sollte nur unter den Augen einer Ausbilderin oder eines Ausbilders trainiert werden. Ob in der Abteilung oder hintereinander, hängt ab von der Größe der Gruppe, der Halle und der Pferde sowie vom Ausbildungsstand der Teilnehmenden. Das muss der Ausbilder entscheiden.

Eine Gruppe im Gelände kann auch zu zweien oder zu dreien nebeneinander reiten. Vorneweg, an der Tete, sollte immer eine erfahrene Reiterin auf einem zumindest nicht ganz unerfahrenen Pferd sitzen.

Ein Plus für die Ausbildung

Das Reiten in der Abteilung hat einen hohen ausbilderischen Wert. Es zeigt, ob sowohl Pferd als auch Reiter ausbildungsmäßig auf dem richtigen Weg sind. Man sieht, ob jemand handunabhängig reitet, ob er einwirken, hinter anderen herreiten und sich an das Tempo anpassen kann. „In einer Abteilung kann man das Reiten perfektionieren“, beschreibt Christoph Hess. „Ich muss mein Pferd am Sitz haben, die Ecke flacher oder tiefer ausreiten … Und jedes Pferd hat eine andere Frequenz.

Paul Stecken sagte irgendwann zu mir: Die zwei wichtigsten Punkte beim Reiten sind Tempo und Weg. Das gilt in der Vielseitigkeit, im Springen, aber auch in der Dressur, also auch im Abteilungsreiten. Ich muss das richtige Tempo finden, ohne zu ziehen, ohne zu drücken.“ Wenn man das gut in der Gruppe macht, hilft das auch für das individuelle Reiten. Mal ganz davon abgesehen, macht das Reiten in der Gruppe Spaß, bringt Abwechslung und viele Lerneffekte. Es ist gesellig und stärkt den Teamgeist. Eine Gruppe anzuführen oder geordnet hinter jemand anderem herzureiten, fordert Konzentration, Einwirkung und Übersicht. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt, wenn man der Gruppe auch mal etwas vorreiten darf oder man sieht, dass andere auch üben müssen.

In einer Abteilung können die drei Grundgangarten, verschiedene Tempi, Hufschlagfiguren – Zirkel, Schlangenlinien, Volten, Handwechsel – und Lektionen – Schenkelweichen, Übergänge, Vorhandwendung – geübt werden. „Abteilungsreiten darf aber kein Selbstzweck sein, es muss immer eingebettet sein in ein größeres Trainingskonzept“, betont Christoph Hess.

Am Anfang zusammen

Reitanfängerinnen und -anfänger gehören nach der (Sitz)longe in die Abteilung. Nach der Longe ist es einfacher, sich in einer Abteilung an das freie Reiten zu gewöhnen und sich aufs Pferd einzustellen. Und auch gefahrloser (wenn die Pferde brav sind). Pferde fühlen sich in der Regel in der Gruppe wohler. An der Tete sollte auch hier eine etwas fortgeschrittenere Reiterin die Führung der Gruppe übernehmen.

In der Abteilung können sich Anfängerinnen und Anfänger zunächst auf ihre Hilfengebung konzentrieren, sie geben sozusagen erst einmal eine Sache (das Pferd vorwärtszureiten und anzuleiten) ab, um ihren Sitz zu schulen, ein Gefühl fürs freie Reiten zu bekommen und sich die Übersicht in der Reithalle zu erarbeiten. „Die Reiterin oder der Reiter kann sich auf sich selbst fokussieren“, bringt es Katrin Eschenhorst auf den Punkt. „Das Positive an einer Abteilung ist, dass das Pferd von allein mehr nach vorne zieht: So kann eine Reiterin oder ein Reiter das Gefühl für das an-die-Hand-Herantreten entwickeln.“

Hinzu kommt, dass der Ausbilder einen guten Überblick bekommt und er kann die Reiterinnen und Reiter optimal auf das Ausreiten vorbereiten. Abteilungsreiten funktioniert nach Kommando. Typische Anweisungen sind: Rechte Hand Abteilung bilden; Abteilung, im Arbeitstempo antraben, leichttraben – Abteilung, Volte Marsch – Abteilung rechts dreht, links marschiert auf, marsch – Anfang halt. „Das Abteilungsreiten bietet mir verschiedene Möglichkeiten in der Art des Unterrichtens“, ergänzt Katrin Eschenhorst. „Ich kann alle dasselbe machen lassen oder auch binnendifferenzieren – das heißt, jeder nimmt beispielsweise eine andere Sitzart ein.“

Einzelübungen

Abteilungsreiten ist dann besonders effektiv, wenn zwischendurch auch einzeln geübt wird. (Foto: Lafrentz)

Innere Differenzierung kann auch bedeuten, dass einzelne Schüler aus der Abteilung herausgenommen werden, eine Lektion oder eine Aufgabe individuell üben und dann in die Gruppe zurückkehren. Christoph Hess geht ins Detail: „Unterricht, der ausschließlich auf Abteilungsbasis ausgerichtet ist, ist nicht effektiv. Ich muss als Ausbilder meinen Unterricht so strukturieren, dass ich erst in die Abteilung gehe und mich dann um jeden einzelnen meiner Schülerinnen und Schüler kümmere, nacheinander, um sie in ihrem individuellen Lernvermögen reiterlich weiterzubringen. Jeder lernt unterschiedlich und hat ein anderes Lerntempo. Das Besondere, was im Reitsport hinzukommt: Die Pferde sind auch alle unterschiedlich. Manche Punkte kann man nur individuell lösen. Einer kann nicht aussitzen, bei einem fehlt das Gefühl fürs Angaloppieren, einer versteht das Schenkelweichen nicht … Am Ende der Einzelübungen geht es dann wieder zurück in die Abteilung, um das Gelernte zu überprüfen.“

Bei allen positiven Aspekten des Abteilungsreitens gilt es zu beachten:

  • Pferde können in einer Abteilung zu „Klebern“ werden. Dem kann man entgegenwirken, indem man immer wieder in anderen Konstellationen reiten lässt und auch einzeln.
  • Der Reiter bekommt wenig individuelle Orientierung. Deshalb: Immer wieder einzeln reiten lassen!
  • Bei manchen Pferden verfällt der Reiter ins Ziehen oder Festklammern (bei eiligen Pferden): Konstellationen der Abteilung verändern, einzeln reiten lassen.
  • Die korrekte Längsbiegung ist schwierig zu erarbeiten: Im weiteren Verlauf der Ausbildung immer wieder einzeln reiten lassen.
  • Unterschiedliche Pferde, unterschiedliche Reiter: „Das ist die Herausforderung einer Abteilung: Sie so zusammenstellen, dass sich jeder abgeholt fühlt und gefördert werden kann“, gibt Katrin Eschenhorst zu Bedenken.

 


Gut zu wissen: Abteilungen auf Turnieren

Christoph Hess ist viel als Dressurrichter unterwegs: Er berichtet: „Zu Hause üben immer alle einzeln und auf dem Turnier muss dann auf einmal in der Abteilung geritten werden. Da kommen viele in die Bredouille.“

Auf Turnieren wird in Abteilungen geritten: in Reiterwettbewerben, teilweise in E-und A-Dressuren, in Dressurreiterprüfungen Klasse A. Ebenso in Reitpferde- und Dressurpferdeprüfungen. In Münster gibt es Prüfungen in Abteilungen in Klasse A, L, M und S und außerdem die traditionelle „Bauern­olympiade“ mit Dressur, Springen und einer Mannschafts-Kür.


Abteilungsreiten ist auch etwas für Könner

Für Fortgeschrittenere bringt das Abteilungsreiten ebenfalls viele Vorteile. Es überprüft die Einwirkung und die Übersicht. Man kann für Turniere, Mannschaftswettbewerbe und Quadrillen üben. Mit erfahreneren Pferden ist es eine gute Übung, in einer Gruppe auszureiten, zu traben und zu galoppieren, sich auch mal von der Gruppe zu entfernen. Alle hintereinander oder zu zweit oder zu dritt nebeneinander – je nach Gruppenzusammenstellung, wie die Pferde sich verstehen und wie breit die Wege sind.

„So erlebt man sein Pferd in unterschiedlichen Situationen. Man lernt, es kontrollieren zu können, in unterschiedlichen Tempi zu reiten, Abstände einzuhalten, nicht zu überholen. Man erlebt und fühlt das Pferd ganz anders, lernt es besser kennen“, beschreibt Christoph Hess. Aber: Sicherheit hat immer oberste Priorität. Ein Pferd, das gerne mal ausschlägt, wenn ihm ein anderes Pferd von hinten zu nahe kommt, sollte am Ende der Abteilung bzw. mit genügend Abstand zum Nebenmann geritten werden. Wenn die Gruppe sich im Galopp zu sehr aufheizt, erst einmal im Schritt und Trab trainieren.

Ausreiten in der Gruppe erhöht die Sicherheit und unterstützt unerfahrene Reiterinnen, Reiter und Pferde. (Foto: Lafrentz)


Mit Musik: Quadrille reiten

Aus dem Abteilungsreiten kann eine Quadrille entwickelt werden, zu besonderen Anlässen, für Wettkämpfe oder einfach zum Spaß. Das Reiten zu Musik in einer Gruppe mit verschiedenen Figuren ist anspruchsvoll und motivierend für Reiter und Pferde gleichermaßen. Es stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und bereitet Zuschauerinnen und Zuschauern Freude. Es gibt Dressur- und Springquadrillen, klassisch oder verknüpft mit einem Kostümwettbewerb. „Eine Quadrille ist die Fortführung, das Sahnehäubchen des Abteilungsreitens“, begeistert sich Christoph Hess. „Die Pferde müssen richtig gut geritten sein, umso besser wirkt die Quadrille.“


Junge Pferde in der Gruppe

Den Herdentrieb der Pferde positiv zu nutzen, ist bei jungen Pferden in Ausbildung die beste Möglichkeit, sie stressfrei zu fördern. „In der Gruppe zu lernen ist für jeden Pferdetyp etwas. Für die, die etwas zäh sind, für die etwas Ängstlichen und auch für die etwas Übermütigen“, erklärt Christoph Hess. „Vorneweg sollte grundsätzlich ein erfahrenes Pferd-Reiter-Paar gehen. Zwischendurch kann dann auch ein junges Pferd mal an der Tete gehen. Das pusht das Selbstbewusstsein.“

Beim Training in der Gruppe bekommen junge Pferde Zug nach vorne und gleichzeitig Sicherheit durch das Führpferd. „Sie lernen stressfreier“, so Katrin Eschenhorst. Sie trainiert am liebsten in Zweierkonstellationen mit einem Youngster. Also ein Routinier mit einem Jungpferd. „Wenn am Anfang zu viele Pferd in einer Gruppe trainiert werden, können sich schon mal diverse Dynamiken entwickeln.“

Youngster lernen in der Reitbahn, ins Gehen zu kommen, unterschiedliche Gegebenheiten kennenzulernen und sich auszubalancieren. Die Pferde bekommen Selbstbewusstsein und Vertrauen. Stangen und Cavaletti können junge Pferde ebenfalls gut in der Gruppe kennenlernen. Ein erfahrenes, routiniertes und braves Pferd geht vorneweg über eine einzelne Stange, der Youngster geht dicht dahinter und bekommt so Vertrauen. Das kann man steigern auf mehrere Stangen bzw. Cavaletti.

Youngster lernen mit einem erfahrenen Stallkollegen unbekannte Anforderungen kennen. (Foto: Lafrentz)

Aufeinander abstimmen

Bedenken sollte man jedoch: Es kann passieren, dass ein junges Pferd in einer Abteilung mit unterschiedlichen Pferden schwerer seinen Takt findet, weil es zu verhalten oder zu eilig geritten wird. Und mancher Youngster legt seinen Fokus mehr auf das Vorderpferd als auf den Reiter. Wichtig ist, dass die Reiter sich untereinander absprechen.

Dasselbe Prinzip wie in der Reitbahn und beim Reiten über Stangen funktioniert auch im Gelände. Ausreiten sollte man mit jungen Pferden nie allein! Am besten zu zweit oder zu dritt, hintereinander und/oder nebeneinander. Ein ruhiger, verlässlicher Routinier geht vorneweg. Ein routiniertes Pferd hinter einem Youngster gehen zu lassen, hat eher den Effekt, dass der Youngster davon irritiert ist und sich nach hinten orientiert.

In der Gruppe bekommt das Pferd Freude am Ausreiten, am Geländetraining und Überwinden natürlicher Hindernisse. Beispiel Baumstamm: der Routinier galoppiert voraus, der Youngster möglichst dicht dahinter. So wird er über den Sprung „mitgezogen“, verliert seine Scheu und der Fluchtinstinkt wird gebremst. Das junge Pferd lernt, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, kommt in Balance und wird mutig. „Einen Graben oder ein Wasserhindernis absolvieren wir gern, indem wir den Youngster in die Mitte zwischen zwei Routiniers nehmen. Das klappt wunderbar“, sagt Katrin Eschenhorst.


Zur Person

Christoph Hess
ist Ausbildungsbotschafter der FN, Richter bis Grand Prix und Vielseitigkeit, Trainer und Moderator und gefragter Referent. Seine Lebensaufgabe besteht darin, die deutsche Reitlehre weltweit zu verbreiten. www.christoph-hess.com

Christoph Hess (Foto: Toffi)

Katrin Eschenhorst
ist doppelte Pferdewirtschaftsmeisterin und Bewegungstrainerin EM. Sie leitet das Pferdezentrum Meeresburg in der Nähe von Bremen, organisiert Lehrgänge, gibt Unterricht in Dressur und Springen von Anfänger bis Klasse S. www.hof-eschenhorst.de

Katrin Eschenhorst (Foto: Lafrentz)

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Laura BeckerRedakteurin

Nach der Lehre zur Pferdewirtin „Klassische Reitausbildung“ und Coach für Longier- und Reitabzeichen Studium der Germanistik. Anschließend Volontariat beim St.GEORG. Mutter von zwei Söhnen, verantwortet alle Themen rund um die Berufsreiterei. Auch Tipps und Hilfen in punkto Pferde- und Reiterausbildung sowie Recherchen rund ums Pferd gehören zu ihrem Aufgabenbereich.

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