Nicht nur, aber gerade junge Pferde brauchen Abwechslung. Im nassen Herbst und kalten Winter eine Herausforderung. Wir haben ein paar Ideen für die Hallensaison gesammelt.
Beschäftigung ist das Stichwort für Pferde, die aufgestallt werden, zwei- auf dreijährig oder drei- auf vierjährig. Junge Pferde sind bei der Winterarbeit schnell unkonzentriert und gelangweilt. Da muss ein abwechslungsreiches und im besten Fall mit unterschiedlichen Ausbildungsinhalten gefülltes Programm her.
„Wir sollten es den Pferden so gut und einfach machen, uns zu ertragen“, stellt Pferdewirtschaftsmeister Hendrik Gäbel kurz und bündig fest. „Grundsätzlich gehört dazu tägliche freie Bewegung in Kleinstgruppen (zwei bis vier Pferde). Je nach Wetter Wiese, Paddock, Winterpaddocks, Auslauf mit Heuraufen und Wasserbottichen oder Bewegungshalle. Das ist ein Muss! Ohne eine Mindestmöglichkeit an Bewegung geht es nicht, täglich!“
Winterarbeit, aber bitte mit Spaßprogramm
Ist diese Grundlage gegeben, kann man darauf ein angepasstes Trainings- und Ausbildungskonzept aufbauen.
„Außerhalb des normalen Pensums für junge Pferde mit Anlongieren, Anreiten und gymnastizierender Arbeit brauchen sie ein Spaßprogramm. Geistiges Futter sozusagen, mit dem man gleichzeitig auch die körperliche Entwicklung fördert. Den Kopf bewegen. Es geht um beides, Körper und Geist. Der Körper kann sich nur vernünftig entwickeln, wenn er verschiedenen Reizen ausgesetzt wird. Das ist wie bei kleinen Kindern. Grundschüler lernen nicht, wenn sie jeden Tag dasselbe machen, sondern sie lernen am besten durch Abwechslung.
Wenn ein Pferd besonders Talent hat für die Dressur oder fürs Springen, kann man sich später immer noch darauf konzentrieren, für den Einstieg ist mir eine vielseitige Grundausbildung immens wichtig. Jeden Tag eine kurze Sequenz. Wenn man zu lange etwas macht, zermürbt das ein junges Pferd schnell. Die Konzentrationsspanne bei einem Youngster liegt ungefähr bei 20 Minuten – diese Zeit muss ich sinnvoll nutzen. Ich übe etwas ordentlich und gezielt und wiederhole es zu einem anderen Zeitpunkt wieder. Man darf nicht vergessen, dass ein junges Pferd Zeit braucht, etwas Gelerntes zu verarbeiten.“
Vertrauen und Respekt
Die Ausbildung eines jungen Pferdes muss auf Vertrauen zum Menschen basieren, gleichzeitig muss der Youngster bereit sein, Respekt zu haben. Das ist eine feine Gratwanderung. Das Pferd hat die Möglichkeit sich zu entwickeln, der Mensch bestimmt den Weg – mal mehr und mal weniger, jeder Tag ist neu, aber immer ohne das Pferd zu überfordern.
Hendrik Gäbel: „Wir sollten uns jeden Tag neu auf das Pferd einstellen und jedes Pferd von seiner Persönlichkeit individuell behandeln. Aber für jedes Pferd gilt ausnahmslos: Mit Spaß etwas beizubringen, ist einfacher. Und je mehr Abwechslung man den Pferden bietet, umso unerschrockener werden sie im täglichen Umgang und Reiten, auch in fremder Umgebung. Wenn man sie mit Vertrauen und Spaß trainiert, sind sie nachher von jedermann einfacher zu händeln. Und ein Spaßprogramm zu absolvieren ist auch nicht zeitaufwendiger, man macht sowieso jeden Tag etwas mit den Pferden.“
Bodenarbeit
Möglichkeiten für ein Spaßprogramm bei der Winterarbeit sind neben Ablongieren, Gymnastik und Stehen üben Freispringen, in eine andere Reithalle fahren, zirzensische Übungen, Bodenarbeit, Working Equitation, Freilaufen lassen (mit Ball), Stangenarbeit, Verladetraining…
Hier sind einige Beispiele:
„Einparken“
Das Pferd lernt vom Boden außen, sich an eine Aufstieghilfe zu stellen und ruhig stehen zu bleiben. Zunächst lernt es, dem Touchieren mit der Gerte auszuweichen. Rechts Touchieren an der Hinterhand oder der Flanke bedeutet, nach links zu weichen. Und dann ruhiges Stehen. Mag der Youngster zunächst nicht stehenbleiben: Geduld! Immer wieder anhalten, beruhigen, ausatmen lassen. Später kann man von der Gegenseite aus üben und auf einem Stuhl stehend oder einer Aufstieghilfe. „Wenn ich das vernünftig und geduldig übe, habe ich ein Pferd, das bombenfest beim Aufsitzen steht“, berichtet Hendrik Gäbel. „Es steht, wartet und geht dann mit mir in Ruhe los. In jeder Situation, drinnen und draußen. Auf diese Art geht die Arbeit unheimlich entspannt los. Jungen Pferden wird der ganz Stress genommen. So schafft man von Anfang an eine gute Lernsituation. Die Pferde sind dann viel aufnahmebereiter. Beim Aufsitzen entscheidet sich schon, wie das Training wird.“
Gymnastik in der Winterarbeit
Die ersten drei Monate sind für einen Youngster die wichtigsten. Dabei ist unter dem Sattel das Gymnastizieren das A und O. Schritt, Trab, Galopp, linke Hand, rechte Hand, auf großen Linien, locker und in der Tendenz vorwärts-abwärts. „Wenn man am Anfang zu schnell macht, muss man hinterher doppelt so lange nacharbeiten“, betont der Ausbilder. „Dann startet man bei minus zwei und muss erstmal wieder auf null kommen. Wenn ich es am Anfang in Ruhe und mit Vertrauen mache, habe ich die Basis, auf der ich weiter-arbeiten kann.
Der erste Übergang vom Schritt in den Trab sollte bereits so stressfrei wie möglich sein. Mein Ziel ist es, so anzutraben, dass die Pferde merken, ich sage wann und wie, und sie warten auf meine Hilfengebung. Jede Minute, die ich versuche, auf ein verspanntes Pferd einzuwirken, bedeutet Verschleiß. Die Pferde zeigen uns, welche Kleinigkeiten wichtig sind. Man muss ihnen nur zuhören.“
Ablongieren
„Ich longiere ein junges Pferd vor jeder Reiteinheit kurz ab“, berichtet Hendrik Gäbel. „Dann sehe ich, wie es an dem Tag drauf ist, ich kann ,in das Pferd hineinschauen‘, kann problemlos nachgurten, aufsteigen und gleich anfangen. Je weniger ich von oben die Konzentrationsphase unterbreche (nachgurten), desto mehr Kapazitäten habe ich zur Verfügung.“
Zirzensische Übungen
Flatterband und Gasse
Beispiel: klassische Bodenarbeit, Führtraining mit unterschiedlichen Elementen. Es fördert Gleichgewicht, Taktreinheit, Gelassenheit, Sensibilität, Vertrauen sowie den Gehorsam und Respekt des Pferdes. Es lernt, sich an der Hand vorwärts, rückwärts und seitwärts zu bewegen. Mit den Requisiten setzt man zusätzliche Reize. Das junge Pferd konzentriert sich und gewöhnt sich gleichzeitig an verschiedene Umwelteinflüsse. Das kommt einem im Umgang zugute. Ein gelassenes Pferd steht ruhig am Anbindeplatz, lässt sich problemlos anfassen und führen.
Den Flattervorhang zunächst in Ruhe zeigen. Mit der Hand dem Pferd das Geräusch demonstrieren, dass durch die Bänder oder Bälle entsteht. Für die ersten Durchgänge den Vorhang zur Seite halten bis sich das Pferd traut, hindurchzugehen.
Nach demselben Prinzip wird die Gasse mit „Schaumstoffnudeln“ trainiert: Erst in Ruhe zeigen. Für den Einstieg kann man die Gasse mit einem breiten Durchgang aufstellen, der Schritt für Schritt verengt wird. Weitere Übung: In der Mitte der Gasse anhalten. Ruhig stehenlassen und dann wieder antreten lassen.
Podest
Die Übung am Podest fördert das Vertrauen, die Trittsicherheit und das Gleichgewicht und schult die Körperwahrnehmung des Pferdes. Es sollte kontrolliert auf- und absteigen. Dafür muss das Pferd an Gertensignale an den Beinen, dem Bauch und den Flanken gewöhnt sein. Einen leichten Einstieg bietet ein flaches Podest, auf das sich das Pferd mit den Vorderbeinen stellt. Ruhig stehen lassen, loben und rückwärts wieder hinunterführen. Das Pferd an ein hohes Podest heranführen, in der Vorwärtstendenz bleiben, so dass es die Vorderbeine aufstellt. Ist es unsicher, ruhig stehen lassen und es dann mithilfe der Gertensignale animieren, die Vorderbeine nach oben zu stellen. Loben! Manche Pferde trauen sich eher, wenn man selbst auch auf dem Podest steht.
Winterarbeit mit Stangen und frischer Luft
Stangenarbeit
Um etwas Abwechslung ins Training zu bringen, sollte man nicht die immergleichen drei Cavaletti auf der Geraden reiten. Mit Kleinstständern und Stangen lassen sich unterschiedliche Aufgaben stellen, auf der Geraden und der Gebogenen, eine Seite oben, eine am Boden. „Bei solchen Übungen schauen die Pferde hin und fangen an, ihren Körper zu bewegen. Sie lenken manchmal auch von Dingen ab, die noch nicht funktionieren. Ob ein junges Pferd gebogen über die Stangen auf gebogener Linie geht, ist zunächst egal, das entwickelt sich mit der Zeit über die Bewegung, den vorgegebenen Takt und Rhythmus. Liegen die Stangen auf der gebogenen Linie, ist der Reiter anders gefordert, das Pferd einzurahmen. Ich würde immer ein paar Stangen in der Halle liegen lassen. Wenn man sie erst einmal weggeräumt hat, ist man häufig zu bequem, sie wieder hervorzuholen.“
Working Equitation – Schenkelweichen über eine Stange
Anspruchsvolle Übung: seitwärtstreten über einer einzelnen Stange. Dafür muss das Pferd Schenkelweichen ohne Stange schon beherrschen. Es muss gelernt haben, in feiner Anlehnung dem Schenkel zu weichen. Die Übung mit einer Stange ist eine zusätzliche Herausforderung, bei der sich das Pferd konzentrieren muss. Es lernt, seine Beine bewusst zu setzen. Der Reiter ist gefordert, das Pferd optimal zu führen und einzurahmen.
Raus aus der Halle
Auch im Herbst und Winter sollte man jede Gelegenheit nutzen, um das Pferd draußen zu bewegen. Es hat tagelang geregnet und der Außenplatz ist voll mit Pfützen? Umso besser: Pfützentreten setzt neue Reize! Es fördert die Trittsicherheit, die Aktivität der Hinterhand und das Selbstbewusstsein. Nach dem Training müssen dann eben Wurzelbürste und Waschmaschine ran. Aber es lohnt sich!
Die Wege sind vereist? Vielleicht gibt es auf einem Grasstreifen um den Außenplatz herum die Möglichkeit, zumindest ein paar Runden Schritt draußen zu reiten. Besser als nichts! Und ein Plus für die Winterarbeit.
Zur Person
Hendrik Gäbel
Pferdewirtschaftsmeister, Lehre in der Hannoverschen Reit- und Fahrschule Verden, Mitglied im Prüfungsausschuss für Pferdewirte, BBR-Delegierter Niedersachsen, betreibt einen Ausbildungsbetrieb in Duderstadt.
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