Leichter Sitz – die Basis für besseres Reiten

Von
20231019_Markus-Laemmle_0127

Mit etwas Kreativität lassen sich mit wenig Aufwand effektive und lehrreiche Stangenreihen aufbauen (wie hier mit alten Feuerwehrschläuchen als Gasse). (© TOMSPIC)

Im leichten Sitz durch den Winter: Abwechslung in der (Winter-)Arbeit ist wichtig. Helfen können dabei Trabstangen und Cavaletti. Eine gute und wichtige Gelegenheit, um auch am leichten Sitz zu feilen.

In den Wintermonaten muss Abwechslung her. Im besten Fall nutzt man die Zeit, um mit dem Pferd voranzukommen, sich vorzubereiten auf die nächste Saison und um sich selbst zu verbessern. Für neuen Trainingsinput sorgen Stangen und Cavaletti, und ganz nebenbei lässt sich so wunderbar an leichter Sitz arbeiten.

„Ich lege in meinem Unterricht sehr viel Wert auf den leichten Sitz. Der wird in meinen Augen nicht mehr richtig gelehrt, schon in den Grundlagen gibt es Defizite“, betont Ausbilder Markus Lämmle. „Dazu gehört die Fähigkeit, aus dem ausbalancierten, leichten Sitz heraus auf das Pferd einzuwirken. Der leichte Sitz ist kein Dressursitz mit kurzen Bügeln. Es ist eine eigene Sitzform, die jede Reiterin und jeder Reiter bereits in der Grundausbildung erlernen sollte. Meiner Meinung nach ist er unerlässlich für jede Disziplin.

Gleichgewicht ist das A und O

Ich muss mein Pferd aus dem leichten Sitz heraus vor mich, also vor die Hilfen bekommen und dabei ausbalanciert aus einem sicheren Fundament heraus einwirken können. Gleichgewicht ist dabei das A und O. Auch der Oberkörper spielt beim leichten Sitz eine wichtige Rolle: Durch tieferes Vorgehen kann der Reiter entlasten, durch vermehrtes Aufrichten des Oberkörpers vermehrt belasten. Wichtig ist dabei, dass der Reiter lernt, in jeder Situation seinen Körperschwerpunkt anzupassen, der Oberkörper dabei stets vor der Senkrechten bleibt und somit ein Eingehen in die Bewegung des Pferdes ermöglicht“, so der Leiter der Landesreitschule Marbach. Im leichten Sitz bleibt das Gesäß der Reiterin oder des Reiters nah am Sattel, der Oberkörper geht nach vorne, Tendenz geht immer ins Vorwärts.

„Gesäß zum Sattel und Bauchnabel zum Widerrist“, ist Markus Lämmles Merksatz. Rutscht das Fundament nach vorne, neigt der Reiter dazu, in den Stuhlsitz zu kommen, die Hände werden fest. Kommt das Fundament zu weit zurück, fällt der Reiter in einen „Schiebesitz“. Zur Überprüfung kann der Reiter ohne Pferd am Boden in die Position des leichten Sitzes gehen und muss dabei im Gleichgewicht stehen bleiben können.

Mit Stangen Übergänge reiten: Leichter Sitz

Ein weiterer Tipp: „Ich lasse auch gerne mal zwischen Übungen mit Stangen Übergänge reiten, um am leichten Sitz zu arbeiten, da der Reiter dann unterschiedliche Körperhaltungen einnehmen muss, um auch im Übergang weiterhin korrekt einzuwirken“, verrät Markus Lämmle.

„Um das Training mit Stangen und Cavaletti abwechslungsreich zu gestalten und um am Sitz arbeiten zu können, muss nicht die ganze Halle vollgestellt sein“, beruhigt der Ausbilder die Sorge vor zu viel Aufwand fürs Training. Er plädiert für einfache Aufbaumöglichkeiten, die viele Variationen bieten. Kein Standardaufbau.

Steigerung der Konzentrationsfähigkeit

Verschiedene Variationen in der Durchführung steigern gleichzeitig die Konzentrationsfähigkeit. Nicht die Quantität entscheidet, sondern die Qualität. Manchmal ist weniger mehr. Häufig reicht schon, von der geraden Linie auf die gebogene Linie zu wechseln. Und es können auch immer wieder Dressurelemente wie Volten eingebaut werden – z. B. in Anlehnung an Caprilli-Tests. Somit kann man auch die verschiedenen Ausprägungen des leichten Sitzes schulen.

Für das Pferd bringt das Stangentraining etliche Vorteile: Es wird gleichmäßig gymnastiziert, und man kann an allen Punkten der Skala der Ausbildung arbeiten. Korrekt aufgebaute Stangenreihen festigen beispielsweise den Takt, fördern die Losgelassenheit und das gleichmäßige Herantreten an die Hand, da sie das Pferd animieren, den Rücken aufzuwölben. Sie stärken die Hinterhand und somit auch den Schub von hinten nach vorn.

Leichter Sitz: Auf die Bewegungen des Pferdes eingehen

Der leichte Sitz wird zu wenig gelehrt, sagt Markus Lämmle. So sollte er aussehen: Das Gesäß bleibt nah am Sattel, den Oberkörper kann die Reiterin flexibel mehr oder weniger nach vorn nehmen, sie balanciert sich über die Knie und ihre nach unten federnden Fußgelenke aus.

„Über Trabstangen sollen meine Schüler wieder darauf achten, dass sie mit dem Oberkörper vor der Senkrechten bleiben. Die nach unten federnden Absätze verleihen dem leichten Sitz Stabilität und Elastizität. Dabei hängt es von der Art der Übung und dem Ausbildungsstand ab, ob im Leichttraben oder der Grundposition Springsitz geritten wird“, so Markus Lämmles Devise.

Ist die Reiterin oder der Reiter in der Lage, in einem korrekten leichten Sitz über die Stangen zu reiten, kommt auch das Pferd besser ins Gleichgewicht und kann den Rücken noch mehr öffnen. Durch ein stabiles Fundament kann die Reiterin oder der Reiter besser auf die Bewegung des Pferdes eingehen und das Pferd mehr und mehr nur über den Sitz gymnastizieren. Die Bewegungen werden gleichmäßiger, das Pferd zufriedener.

Durch die Hilfen einrahmen und Vertrauen geben

Auch für junge, unsichere und unroutinierte Pferde ist das Stangen- und Cavaletti-Training als Abwechslung bei der Winterarbeit unerlässlich. Hier ist ein erfahrener und ausbalancierter Reiter, der dem Pferd optimal helfen kann, wichtig.„Ein unsicheres, ängstliches Pferd muss der Reiter gut unterstützen können“, betont Lämmle. „Mehr durch die Hilfen einrahmen, mit einfachen Übungen beginnen und darauf aufbauend Vertrauen geben.“ Egal ob bei routinierten oder unroutinierten Pferden, wichtig ist immer ein korrekter Aufbau. Eine nicht korrekt aufgebaute Stangenreihe kann sehr kontraproduktiv sein. Die Abstände müssen stimmen – und zwar für das Pferd!

„Ich muss als Ausbilder erkennen, wenn ich die Abstände geringfügig vergrößern oder verkleinern muss, sonst provoziere ich Taktfehler. Auch die Abstände in den Richtlinien geben Spielraum, da sie immer dem Pferd angepasst werden müssen. Lieber beginne ich im Trab mal mit einem Abstand von 1,10 Meter in einem ruhigeren Arbeitstempo und steigere das dann allmählich, denn dann bleibt der Reiter im Gleichgewicht und das Fundament des Reiters stabil.

Stets an der Basis arbeiten – Leichter Sitz

Auch die Galoppade eines jeden Pferdes ist nicht gleich. Hier trägt die Stangen- und Cavaletti-Arbeit maßgeblich zur Ausbildung bei. Ich kann an der Galoppade eines Pferdes arbeiten, es vermehrt schließen und die Lastaufnahme verbessern. Davon profitiert dann auch die weitere Springausbildung.“

Ganz wichtig ist es Markus Lämmle stets, an der Basis zu arbeiten – denn nur auf einem guten Fundament im Sitz kann die weitere Ausbildung aufgebaut werden. Bei allen Übungen sollte man sich immer überlegen, ob es die passende Aufgabe fürs jeweilige Pferd-Reiter-Paar ist. Gassen und Pylonen können eine visuelle Hilfe für die Reiterin, den Reiter und das Pferd sein.

Parcours: Konzentration und Rhythmusgefühl

Allgemein gilt für das Training mit Stangen: Mit weniger anfangen, dann steigern. Wenn ein Problem auftaucht, geht man einen Schritt zurück. Wenn das Pferd dazu neigt, über zwei Trabstangen zu springen, lässt man es zunächst nur über eine Stange traben. So kann man die Anforderungen peu à peu steigern bis hin zu einer ganzen Linie, die mit Stangen ausgelegt werden kann. Stangenarbeit bedeutet starke Konzentrationsarbeit für Reiter und Pferd. Wiederholungen sollten wohldosiert und regelmäßige Schrittpausen eingeplant sein. Ein- bis zweimal die Woche Stangen- und/oder Cavaletti-Training kann Markus Lämmle empfehlen. „Natürlich auch für Schulpferde!“

Einen Parcours lässt der Ausbilder gerne auch mal nur mit Stangen reiten. So kann sich die Reiterin oder der Reiter auf den Weg konzentrieren und am Rhythmusgefühl arbeiten. Und diese Übung schult das Auge des Reiters und des Pferdes. „Und Schulpferde brauchen häufig ein besseres Auge als der Reiter“, fügt der erfahrene Ausbilder hinzu.

Leichter Sitz: Wie baut man einen Parcours?

„Bevor es aber überhaupt losgeht, erkläre ich meinen Schülern erst einmal, wie man einen Parcours aufbaut. Wir gehen ihn dann auch gemeinsam zu Fuß ab. Das gehört für mich zu einer Springstunde dazu. Alle sollen wissen, was wir aufbauen und warum und welche Abstände gebaut sind. Das hilft, ein Gefühl für Distanzen, Wege und Wendungen zu bekommen, was mir dann beim Reiten wiederum hilft, situationsbedingt agieren zu können und dementsprechend flexibel über meinen Sitz einwirken zu können.“

ÜBUNG 1: Hufschlagfiguren mit Stangen zum Darüberreiten, z. B. Schlangenlinien mit drei Bögen mit jeweils einer Stange auf der Mittellinie, später: ein Kreuz auf der Mittellinie – Schult die Durchlässigkeit und Aufmerksamkeit, Reiter muss flexibel reagieren und Pferd einrahmen

ÜBUNG 2: Schlangenlinien mit Stangen/Kreuz und Galoppvolten im Bogen dazwischen – Schult Durchlässigkeit, Aufmerksamkeit, Versammlung, Reiter muss flexibel reagieren und Pferd einrahmen, diagonale Hilfengebung

ÜBUNG 3: Schrittstangen (0,80 Meter), dann antraben und drei bis vier Trabstangen (1,20 Meter) überwinden (auch mit Pylonen)  – Effekt: flexibler Sitz wird geschult, Einwirkung, Aufmerksamkeit

ÜBUNG 4: Eine Gasse vor einer Stangen­ reihe (mit Stangen) oder auch in der Reihe (mit Pylonen) gerade reiten, in Balance bleiben, gleichmäßige Anlehnung.

ÜBUNG 5: Einen Parcours lässt Markus Lämmle gern auch mal nur mit Stangen reiten schult die Konzentration auf die Wege und das Rhythmusgefühl.

ÜBUNG 6: Eine Distanz verbinden mit dressurmäßiger Arbeit: Eine klassische Distanz auf fünf oder sechs Galoppsprünge, Steil-Oxer zunächst nur mit Stangen am Boden, später mit Sprüngen, und dazwischen durchparieren. Auch möglich: Trabstangen auf Steil oder Oxer – Schult Reaktionsvermögen und die Durchlässigkeit, Reiter muss Pferd einrahmen und am Sitz vor sich haben. Außerdem sagt Markus Lämmle: „Wenn ich später schräg reiten will, muss ich vorher gerade reiten können.“

Lesen Sie auch:

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

stgeorg_newsletter_booklet