Weltcupfinale Dressur: Das Pannen-Finale von Las Vegas

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Charlotte Dujardin und Valegro auf der Ehrenrunde nach ihrem zweiten Weltcupsieg in Las Vegas 2015.

(© Charlotte Dujardin (GBR) und Valegro auf der Ehrenrunde nach ihrem Las Vegas-Sieg. Die Schleife hängt nun an der Trense von Shetty Daisy!)

Aufbrandender Szenenapplaus und ein funkelnder Siegerpokal,
die für mächtig Spannung sorgen sowie ein Valegro, der sich als einziges der
Toppferde davon nicht beeinflussen ließ. Dazu ein Viertplatzierter mit blutenden
Flanken. Es hat schon glanzvollere Weltcupfinals gegeben.

Las Vegas ist anders! Amerika ist anders! Und dann ist Dressur auch ein bisschen anders. Das ist das Fazit der Dressurentscheidungen beim diesjährigen Weltcupfinale. Eine überragende Leistung sicherte der Britin Charlotte Dujardin mit Valegro den zweiten Weltcuptitel ihrer Karriere. Mit mehr als zehn Prozent gewannen die Welt- und Europameister das Kürfinale. Und es hätten noch mehr Prozentpunkte sein müssen. Viel mehr. Denn der alles überragende Valegro zeigte eine seiner besten Leistungen, das sah auch Besitzer und Trainer Carl Hester so. Zur Musik aus dem Film Drachenzähmen leicht gemacht, ritt die Britin die Kür, die Premiere vor einem Jahr beim Weltcupfinale gefeiert hatte. Neben dem Bewegungspotenzial des 13-jährigen KWPN-Wallach, der komplexen Choreographie mit Höhepunkten wie ausdruckstarken Passage-Traversalen, hervorragenden doppelten Pirouetten und einer abschließenden 360-Grad-Piaffe-Pirouette, ist es vor allem der Ausdruck des Paares, der besticht. Ein Pferd, dem die Arbeit ist es für ihn überhaupt Arbeit? Spaß macht. 94,196 Prozent gab die Jury, die US-Richterin Liselotte Fore, die Chefrichterin bei C, sogar 97 Prozent.

Aber die vergab auch 84 Prozent für Steffen Peters (USA) für einen Ritt, der erstens sicherlich nicht so hoch anzusetzen war und der zweitens auch nicht in die Wertung kam. Denn Peters, dessen Legolas wie schon bei der WM in Caen ungleiche Tritte in Trabverstärkungen und Traversalen zeigte und die gesamte Galopptour mit hoher Kruppe absolvierte, wurde nach dem Ritt disqualifiziert sein Westfale blutete an der Seite, auch die Sporen war blutig. Der gebürtige Deutsche, der schon lange in Kalifornien lebt, gab daraufhin den reuigen Sünder: Es ist mir peinlich, ich bin voll schuldig, am Ende des Tages bin ich es, der für das Wohlergehen des Pferdes verantwortlich ist, ich habe versagt. Vorher hatte er allerdings mit langen Sporen deutliche Hilfen gegeben, um den nicht immer ganz so willigen Wallach, der durch das euphorische US-Publikum mächtig unter Spannung geriet, durchs Viereck zu bugsieren. Peters sagte, er sei sich nicht sicher, ob die Verletzung während der Prüfung oder beim Scheuen im Anschluss entstanden sei. Bilder des St.GEORG zeigen aber, dass das Pferd schon in der Prüfung blutete, dies aber erst im Anschluss festgestellt wurde.

Edward Gal ist immer für einen guten Spruch gut. 80 sind die neuen 70, so seine These. Was er meint ist, dass die Prozentpunkte immer weiter davon galoppieren. Er ist einer, der von den Richtern, die offensichtlich die Bodenhaftung verloren haben, gut profitierte. Sein niederländischer Ferro-Sohn Undercover ging deutlich unter Spannung. Die vielen Piaffen und Passagen zum Anfang der Kür mögen das noch ein bisschen kaschieren, aber spätestens als die fliegenden Wechsel von Sprung zu Sprung zweimal komplett daneben gingen, und auch das Herunterschalten aus dem Galopp gar nicht funktionieren wollte, hatte Gal wohl nicht mit einer 80-plus-Runde gerechnet. Er bekam aber 84,696 Prozent, Platz zwei.

Neben dem spontan applaudierenden Publikum schälte sich vor allem die Weltcup-Trophäe als Fehlerquelle heraus. Angestrahlt von einem Scheinwerfer stand sie auf einem Sockel auf Höhe des Wechselpunkts und funkelte mit den Strassstirnbändern der Pferde um die Wette. Zu den Pferden, die das aus dem Konzept brachte, gehörte auch Unee BB. Der Rapphengst von Jessica von Bredow-Werndl machte schon vor dem Beginn der Kür große Augen. Und ausgerechnet in dieser Ecke geschehen in der Kür der 29-Jährigen viele Dinge. Einmal ist dies die Stelle, an der sie einen Übergang aus dem starken Galopp in den Schritt reitet. Dieser Rittigkeitsbeweis misslang aber, da der Gribadi-Sohn schon vorher guckte, umsprang und abgelenkt war. Es war eine Achterbahn der Gefühle, sagte Jessica von Bredow-Werndl, und es war sicherlich die schwerste Prüfung, die ich je geritten bin. Permanent musste sie umschalten. Einerseits fordert die Kür mit sehr komplexen Lektionsfolgen eh schon volle Konzentration, andererseits musste sie mit den Fehlern umgehen. Unee BB patzte auch noch in den fliegenden Wechseln zu zwei Sprüngen, dennoch musste die Reiterin immer wieder zusehen, dass sie im richtigen Moment passend zur Musik wieder die richtige Lektion zeigte. Und das gelang ihr. Übergänge wie starker Galopp/Piaffe/sofortige 180-Grad-Wendung/Schritt sind höchst schwierig. Dass solche Dinge klappten und Unee BB auch sehr gut piaffierte und passagierte, war den Richtern 80,393 Prozent wert. Wie Gal hatte auch Werndl auf dramatische Orchestermusik zur Untermalung ihres Ritts gesetzt, das kommt gut an bei den Richtern.

Musik aus den frühen 1980-er Jahren nutzt die US-Amerikanerin Laura Graves mit dem von ihr selbst ausgebildeten Verdades v. Florett As: Rondo Veneziano, und ewig grüßt die Pop-Fidel. Der Braune wurde etwas heiß durch den Szenenapplaus, in einer Piaffe an der kurzen Seite im Klick-Gewitter der Fotografen war eine Rückwärtstendenz nicht zu übersehen. Aber technische Raffinessen wie Serienwechsel auf gebogener Linie und der insgesamt positive Ausdruck des gehfreudigen Wallachs überwogen: Platz vier, 79,125 Prozent.

Damit waren vier holländische Pferde an der Spitze, gefolgt von einem niederländischen Reiter mit einem Schweizer Pferd, Flirt v. Florestan, der in Deutschland von Hartwig Burfeind und Juliana Brunkhorst in den Grand Prix-Sport gebracht wurde. Unter Hans Peter Minderhoud ging der Fuchs eine solide Runde, begleitet von spanischen Rhythmen, dann sprang Flirt allerdings in der Galopppirouette rechts hinten um. Ein schwerwiegender Fehler, neben Passagen und Piaffen sind auch die Galopppirouetten in der Kür mit dem Koeffizienten zwei versehen. Mit 79,036 Prozent wurde das Paar Fünfte vor Isabell Werth und El Santo. Der Rheinländer gilt als Verlasspferd und deutlich nervenstärker als sein Boxennachbar Don Johnson. Deswegen hatte Werth sich für Ernie in Las Vegas entschieden. Zu den Klängen von David Bowies Lets dance das kam gut an beim Publikum ging es los. Und schon bald gab es aber kein Vorwärts, sondern ein Ruck und dann den Rückwärtsgang. Ernie mochte ebenfalls den Pokal nicht. Werth fand aber schnell zu ihrer Choreographie zurück und war schon bei der nächsten Lektion wieder im Einklang mit der Musik. Mit 77,875 Prozent wurde Werth in ihrem 14. Weltcupfinale Sechste.

Dass Passage und Piaffe wichtig, Stellung, Biegung und Grundausbildung aber tendenziell zu vernachlässigen sind, zeigte Platz sieben der Russin Inessa Merkulova mit dem Russen-Trakehner Mister X. Der Braune kann piaffieren und passagieren wie ein Uhrwerk auf gebogenen Linien und in den Pirouetten ist er aber gerade wie ein Bügelbrett. Die Musik der Russin war eine Tour de Force durch den Plattenschrank: Lateinamerikanische Rhythmen, etwas russische Klassik, dann Smile von Nat King Cole, am Ende sogar Lady Madonna von den Beatles. Das nennt man wohl Stilmix. 76,911 Prozent, rang sieben. Damit setzte sie sich vor die jüngste Reiterin mit dem ältesten Pferd: Die Spanierin Morgan Barbançon Mestre, 22, und Las Vegas-Veteran Painted Black, 18 er ging schon unter Anky van Grunsven im Thomas and Mack Center in der Spielerstadt. Leider unterlief dem Paar, das mit guten Passagen und Piaffen zu geschmackvoll arrangierten Melodien von u.a. Gilbert Becaud punktete, Fehler in den fliegenden Galoppwechseln (76,161).

Hinter der Dänin Mikala Münter Gundersen und My Lady v. Michellino, die Melodien aus dem Musical Chicago (vor allem All that Jazz) verwandte, 75,018 Prozent, Neunte, landete Fabienne Lütkemeier mit dem Oldenburger Qui Vincit Dynamis v. Quattro B auf Rang zehn. Sie hatte den 16-jährigen Fuchs mit nach Las Vegas genommen, um ihr Championatspferd DAgostino, sicherlich kein unbedingter Fan der Las Vegas-Atmosphäre, für die EM-Sichtungen zu schonen. Der Fuchs, mit dem Fabi im Piaff-Förderpreis am Start war, erhielt 74,804 Prozent. Ein tolles Ergebnis des Pferdes, das ursprünglich eigentlich für Mutter Gina Capellmann-Lütkemeier gedacht war und das allmächlich in die Jahre kommt. Wobei man dem Fuchs seine 16 Jahre nicht ansah. Im Gegenteil! Diese Kür war eine der besten Auftritte des Oldenburgers, nur einmal sprang er im starken Galopp kurz um, sonst sah er frisch aus und die Musik, Carmina Burana, passt auch zu Quinci.

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