Tag eins beim Weltcupfinale in Göteborg – von hilfsbereiten Schweden, Turnhallen und schönen und unterhaltsamen Eindrücken bei der Morgenarbeit.
Nach acht Stunden Auto- und zweimaliger Fährenfahrt sind Kollegin Pauline von Hardenberg und ich gestern von unserem Navi zielsicher gelotst im Scandinavium Göteborg angekommen. Schon von der Straße aus, ließen überdimensionale Banner und Werbetafeln keinen Zweifel daran aufkommen, dass wir den Austragungsort des Weltcupfinales 2016 der Dressur- und Springreiter erreicht hatten. FEI-Generalsponosr Longines hatte es sich auch nicht nehmen lassen, ein nostalgisches Karussell mit hübsch bemalten Holzpferdchen vor dem Eingang zu postieren. Da könnte man doch …
Aber ehe wir die ersten Fotoideen umsetzen können, müssen wir uns erst einmal unsere Akkreditierungen abholen. Das klappt erfreulich problemlos und wir sind sehr begeistert von der rührenden Hilfsbereitschaft der landestypisch hübschen, blondhaarigen und blauäugigen Dame hinter dem Desk: „Sie brauchen einen Parkplatz? Gar kein Problem, ungefähr 1,5 Kilometer von hier sind Presseparkplätze. Hier haben wir einen Stadtplan. Sie fahren rechts, dann immer geradeaus bis zu der nächsten großen Veranstaltungshalle …“ Fortsetzung folgte ca. fünf Minuten lang, bis die beiden orientierungslosen Frauen aus Deutschland verarztet waren. So viel Eifer rührt uns, wir bringen es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass unser Hotel auch nur 400 Meter weiter ist und es sich daher nicht wirklich lohnt, jenen mühsam erklärten Parkplatz aufzusuchen.
Also bedanken wir uns artig und inspizieren unser neues Zuhause für die nächsten Tage: eine umfunktionierte Turnhalle, die uns mit diesem eigenartigen Geruch nach Gummi? Oder Linoleum? Jedenfalls an Rolle vorwärts, Strecksprung und Wort das „Leibesertüchtigung“ erinnert. Auf ziemlich hässlichen Spanplatten, die uns als Schreibtische dienen sollen und erfreulicherweise mit ausrechend Steckdosen bestückt sind, hat man Tribute an Ostern verteilt: gerupfter Kunstvogel an Primel. Auch: rührend! Schnell die wichtigsten Gegebenheiten überprüft – W-lan? Check! Fernseher mit Hallenübertragung? Check! Abschließbare Schränke für unser Zeugs? Check! Verpflegung? Check! Kann weitergehen.
Das Skandinavium unterscheidet sich innen nicht wirklich von anderen Mehrzweckhallen: alle 20 Meter eine Fressbude aus der ein penetranter Geruch nach angebranntem Fett riecht und endlose Gänge, bis man endlich den einem zugewiesenen Eingang erreicht hat. Interessanter sind da schon die Katakomben des Baus. Nach dreimal fragen und zweimal Achselzucken finden wir einen Bescheidwisser, der uns in die Abreitehalle lotsen kann. Die wichtigsten Wege sollte man auskundschaften, ehe es zur Sache geht! Wir sind bereits fürs Bett. Denn um fünf Uhr wird die Nacht vorbei sein.
Wenn mich jemand fragen würde, welches meine Lieblingsmomente auf einem großen Turnier sind, wäre meine Antwort eindeutig: morgens um sechs Uhr in der Halle. Das ist die Zeit, in der die Dressurreiter Gelegenheit haben, ihre Pferde an die Atmosphäre zu gewöhnen. Ich liebe es, ihnen bei der Arbeit zuzuschauen. Wobei einige es heute noch sehr ruhig angehen lassen. Fabienne Lütkemeier zeigt ihrem D’Agostino aka „Daggi“ die Halle zu Fuß am Halfter. Gelassen trottet er neben ihr her. Unheimlich findet er nur die Matten, die auf der Rampe von der Abreite- und die Haupthalle ausgelegt wurden. Die verursachen nämlich ein hohles Echo, wenn man darüber geht. Kann ich verstehen, dass der De Niro-Sohn da stutzt. Fabienne lässt ihn schauen, klopft ihn. D’Agostino wendet sich ihr zu. Das soll wohl so etwas wie „Meinst du wirklich?“ heißen. Fabienne geht vor und D’Agostino ist überredet.
Auch Jessica von Bredow-Werndl und Unee BB, die beiden Drittplatzierten des Finales in Las Vegas, die hier in Göteborg weder auf die Titelverteidigerin Charlotte Dujardin noch auf den Vorjahres-Zweiten Edward Gal treffen (Go Jessi!), lassen es locker angehen. Auf Trense wird der Schwarzbraune ein bisschen gelöst, Vorwärts-abwärts, einmal aufnehmen, einmal schnell machen, alles klappt. Brav! Fertig!
Marcela Krinke-Susmelj reitet ihren Smeyers Molberg ausschließlich Schritt, genau wie Hans-Peter Minderhoud den in der Schweiz gezogenen Flirt.
Immer wieder eine Augenweide ist der US-Amerikaner Günther Seidel. Wenn es die Verkörperung des perfekten Sitzes gibt, er hat ihn. Die Kandare genau im 45°-Winkel, feine Hand, atmender Schenkel. Da hat man dann das Pferd mit dem geschlossenen Maul, das dennoch zufrieden auf dem Gebiss kaut. In dem Fall handelt es sich um den zwölfjährigen KWPN-Wallach Zero Gravity v. Royal Hit, der zufrieden seine Runden dreht, sich zwar schon auch mal anstrengen muss, aber immer wieder sofort gelobt und gelöst wird.
In der eigentlichen Abreitehalle ist die Equipe Tricolore im Einsatz. Die Nummer eins der Weltrangliste, Simon Delestre, mit Qlassic Bois Margot, Penelope Leprevost mit Vagabond de la Pomme, Patrice Delaveau mit Lacrimoso und Kevin Staut mit For Joy van’t Zorgvliet drehen ihre Runden. Ganz locker, ohne Schlaufzügel, mit englischem Reithalfter und auf normaler Wassertrense testen sie, ob „Gas“ und „Bremse“ funktionieren. Tun sie! Einen Stilpreis gäbe es allerdings wahrscheinlich eher nicht, aber dafür werden sie ja auch nicht bezahlt. Und Hauptsache, die Pferde fühlen sich wohl! Übrigens: Auch Weltklassespringreiter machen noch „Distanz-Trockenübungen“ mit Stangen am Boden.
Nach und nach füllt sich die Halle. Die nächsten, die eintreffen, sind die beiden Oldies aus den USA, Flexible (20) und Rich Fellers (56). Die beiden hatten 2012 für eine kleine Sensation gesorgt als sie in ’s-Hertogenbosch nach 25 Jahren Jahren wieder einen Weltcupfinalsieg für die USA holten. Jetzt vier Jahre später ist der irische Cruising-Sohn wieder dabei. Ein bisschen steif, aber mit sehr eifrigem, man möchte fast sagen begeistertem Gesichtsausdruck trabt er durch die Bahn. Nö, wie einer, der in Rente geschickt werden muss, sieht er eigentlich nicht aus!
Es ist jetzt ein Kommen und Gehen. Das nächste Duo, das die Abreitehalle betritt, ist ganz in hellblau und gelb gehüllt: Christian Ahlmann und sein Weltcupsieger von 2011, Taloubet Z. Ausführlich Schritt reiten, dann antraben, leicht traben, ganz locker und lässig am hingegebenen Zügel, mit nur einer Hand an der Schnalle und der anderen leger auf dem Oberschenkel machen die beiden sich warm für alles, was da noch kommt. Und das ist ja einiges. Heute Abend geht es los und wir sind dabei. Bis dann!
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