Blog 3: Der Countdown läuft, die Patrouille marschiert und das Knie piept

Von
Pochhamers Rio Blog3

(© Pauline von Hardenberg)

Von alten Helden mit neuen Zielen, Heavy-Metal-Generatoren, Rucksackträgern in Gefahr und potenziellen körperintegrierten Bomben.

Es ist Samstag früh, in wenigen Stunden wird das erste Vielseitigkeitspferd ins Viereck galoppieren, der Trakehner A Little Romance unter der Kanadierin Jessica Phönix. Noch wuseln die Putzfrauen auf der Tribüne herum, Gesellschaft leisten mir nur die beiden BBC-Korrespondenten, einer von ihnen Ian Stark, der Silbermedaillengewinner von Los Angeles 1984. Ich sehe ihn noch vor mir auf seinem feinen edlen Oxford Blue. Inzwischen ist er ein renommierter Aufbauer, unter anderem des Kurses der EM in Blair im vergangenen Jahr, der ja leider im Dauerregen ersoff.

An der Tür zum Frühstücksraum erfuhr ich heute morgen, wie ich einen Verbrecher erkenne. Ganz einfach: Er sieht anders aus als die anderen, etwa weil er ein Kapuzensweatshirt trägt und einen Rucksack. Verdächtige Menschen soll man sofort melden, also seht Euch vor, Ihr Rucksackträger! Ausgenommen sind – hoffe ich mal – die Rucksäcke, die im Main Press Centre an die Journalisten verteilt werden.

Die Sicherheit, die wir im Deodoro Wohnvillage genießen, hat ihren Preis. Für uns heißt es: Eigentlich wohnen wir im Kasernenhof. Zu allen möglichen und unmöglichen Tageszeiten exerziert unter unseren Fenstern ein Infanterieregiment mit entsprechendem Feldwebel-Gebrüll und Stiefelknallen. Es kann aber noch schlimmer kommen. Ein paar Blocks weiter logieren unter anderem die Fahrer der Firma Johannsmann, direkt neben ihrem Flat brummt Tag und Nacht ein Generator in einer Lautstärke, der den Heavy Metal-Tagen in Wacken alle Ehre mache würde.

Fotografieren verboten

Bei unseren neuen Freunden aus dem Lager der Transportspezialisten waren Pauline und ich gestern zum Grillen eingeladen. Fleisch in rauen Mengen, das ist noch das Beste, was ich bisher von der brasilianischen Küche kennen gelernt habe. Unsere Gastgeber hatten alles, was nach Tisch aussah, zusammengerückt und drumherum alles drapiert, auf dem man sitzen konnte. Super. Auch ihr Chef Martin Atock von der Firma Peden war da, er organisiert den Transport der Pferde, darunter auch der deutschen. Eigentlich wollte Pauline gerne am Sonntag abend dabei sein, wenn die deutschen Springpferde ankommen, das scheiterte an den Security-Bestimmungen, die lassen keinen rein in das Cargo-Gelände, der sicherheitstechnisch nicht gründlichst durchleuchtet wurde. Macht ja Sinn, auch wenn es schade ist, dass Pauline jetzt nicht fotografieren kann, wie die Pferdetransporter eskortiert von bewaffneten Soldaten vom Flughafen zu den Ställen gebracht werden.

Martin Atock griff mächtig zu, er ist als Subunternehmer in einem anderen Etablissement untergebracht, gegen das unser Village offenbar eine Luxusdomizil ist. Abgezählt zwei kleine Stücke Brot für jeden und eine Scheibe Käse zum Frühstück plus einen Becher Kaffee. Da war er froh, dass er sich mal richtig satt essen konnte. Nebenbei guckten wir uns die Eröffnungsfeier im Fernsehen an. Ich hätte von meinen Münchener Kollegen noch eine Karte bekommen können und war versucht, hinzugehen. Aber das erwartete Chaos, wenn 50.000 Leute nach Hause wollen, trat dann ja auch ein, die letzten waren erst am frühen Morgen zuhause und erschienen nach zwei Stunden Schlaf heute morgen auf dem Platz. Das war mir jetzt mal zu stressig.

Im Fernsehen sah man ja das meiste, auch den Auftritt des deutschen Teams. Ingrid Klimke war zwar nicht als Fahnenträgerin, aber in der ersten Reihe dabei. Einen Sonderehrenpreis hat sich das deutsche Team schon verdient: den für das hässlichste Outfit. Ich finde, die Strumpfhosen  mit den Bermudas darüber grenzten an optische Körperverletzung. Es war ja nett, dass jede Mannschaft ein Bäumchen pflanzen wird, das als Keimling bei der Eröffnungsfeier von einem Kind hereingetragen wurde. Der Nachhaltigkeit würde es natürlich auch gut tun, wenn nicht jedes einzelne Geschirrteil beim Frühstück – Tassen, Becher, Teller, Besteck – aus Wegwerf-Plastik wäre.

Mein Flat ist jetzt voll, außer mir wohnt hier eine chinesische Fotografin und Louise Parkes aus Irland. Sie schreibt immer die fabelhaften Turnierberichte auf der FEI-Website.

Neue Erkenntnisse in Sachen Parcoursaufbau

Es war wirklich nett von Chris, dass er sich gestern die Zeit genommen hat, mit mir den Geländekurs auf dem Papier durchzugehen. Dabei lernte ich, dass es in der Springausbildung einen jedenfalls für mich neuen Begriff gibt: „Rhythm Jump“. Darunter fällt alles, was man geradeaus flüssig anreiten kann, ohne zuppeln oder wenden zu müssen. Davon gibt es zum Glück auch ein paar. Wichtig ist, den richtigen Absprungpunkt zu treffen, also im richtigen Rhythmus zum Sprung zu kommen.

Die Sache mit Ostholt, der gegen Reservistin Julia Krajewski ausgetauscht wurde,  hängt doch ein bisschen trübe über dem deutschen Team. Ich habe selten einen Sportler gesehen, der sichtlich so um Fassung ringen musste. Eine Woche lang hat Andreas Ostholt ja nichts sagen dürfen, musste lächeln, als ob nichts wäre, musste seine Freunde anlügen. Das ist nicht fair.

Metallknie schlägt Alarm

Jedesmal wenn ich durch die Sicherheitsschranke gehe, piept das Metall in meinem rechten Knie. Aber die Security-Leute sind sehr freundlich, und lassen mich nach entsprechender Erklärung durch. Wenn sie wüssten, dass es auch Kunstgelenke mit eingebauten Bömbchen gibt!

Als der freundliche Soldat mir heute morgen ach der Controlle meine Computertasche zurückgab, bedankte ich mich: „Obregada“. Er strahlte: endlich mal eine, die fließend Portugiesisch spricht.Luxury Online Shop | High-End Designer Fashion Store Shopping | JmksportShops | air jordan 1 dior cheap

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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