Vor 50 Jahren, Olympische Spiele 1972 in München, das waren gleich in mehrfacher Hinsicht dramatische Tage. St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer hat sich mit der letzten Athletin getroffen, die damals zur Dressurmannschaft gehörte.
Sie ist noch immer so elegant wie vor 50 Jahren und ihre Augen funkeln mit 85 Jahren genauso fröhlich wie vor einem halben Jahrhundert. Am Sonntag hatte ich das Vergnügen, Karin Billings wieder zu treffen, als Karin Schlüter Mitglied der deutschen Dressurmannschaft für die Olympischen Spiele 1972 in München, die hinter den Russen die Silbermedaille gewann.
Sie hatte zum Tee ihre Silbermedaille von München ’72 mitgebracht. Alle anderen Pokale und Erinnerungsstücke hat sie bereits dem Pferdemuseum in Verden übergeben. Und dahin soll eines Tages auch die Plakette wandern, auf deren Vorderseite die Siegesgöttin mit Palmenzweig und Siegerkrone zu sehen ist und auf der Rückseite zwei nackte Athleten. Es sind die Zwillingsbrüder Kastor und Pollux, die Söhne von Göttervater Zeus und Leda, der Schutzherrin der Olympischen Spiele.
Karin Billings lebt als einzige des damaligen Trios noch – auch 1972 gab es in der Dressur keinen vierten Reiter. Mit dem schönen Hannoveraner Halbblüter Liostro v. Der Löwe xx-Dolman wurde sie Siebte in der Einzelwertung. Liselott Linsenhoff gewann als erste Frau auf dem schwedischen Hengst Piaff die olympische Dressur, Josef Neckermann mit der Holsteiner Stute Venetia die Bronzemedaille.
Reiner Klimke saß auf der Reservebank, erst zwölf Jahre später wurde er in Los Angeles selbst Olympiasieger mit Ahlerich, übrigens seit 1972 bis heute der einzige Mann auf dem olympischen Dressurthron.
1976 ließ die Schweizerin Christine Stückelberger auf Granat alle Männer hinter sich, 1988 und 1992 Nicole Uphoff auf Rembrandt, 1996 Isabell Werth auf Gigolo, 2000, 2004 und 2008 Anky van Grunsven, 2012 und 2016 Charlotte Dujardin und schließlich 2021 in Tokio Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera. Man sieht mal wieder, es braucht keine feministische Dressurpolitik, gutes Reiten reicht auch hier.
Bewegtes Leben
Zu Karin Schlüters reiterlichen Erfolgen gehören vier Deutsche Meister-Titel und fünf Medaillen bei internationalen Championaten. In den USA setzte sie zunächst ihre Dressurkarriere fort. Ihr Pferd Amazonas wurde 1987 auf Grand Prix-Level „Horse of the Year“, also Pferd des Jahres. 1992 nahm sie noch an den US-Qualifikationen für die Olympischen Spiele in Barcelona teil, dafür wurde sie US-Staatsbürgerin. Dann sagte sie den Pferden Adieu, begab sich auf den Golfplatz und widmete sich einem weiteren Talent. Malen kann sie nämlich auch. Ihre Bilder, Menschen, Tiere und Landschaften in Acryl und Öl sind hoch begehrt.
Ihren dritten Ehemann, den US-Amerikaner Jim Billings, traf sie auf einem Fest bei Freunden. Er begann seinen Smalltalk mit der Frage nach ihrem Golfhandicap. Er erfuhr, dass es besser war als seins. Dann erzählte er stolz von seinen Rennpferden, bis ihm klar wurde, dass er nicht nur mit einer Pferdefrau, sondern sogar mit einer Olympiareiterin sprach. Schließlich wollte er ein Tänzchen wagen, machte einen Rückzieher, als er hörte, dass er es mit einer Championesse im Gesellschaftstanz zu tun hatte. Er gab auf und heiratete die Frau. So die Kurzversion von Jim Billings. Heute lebt das Paar in Sarasota in der Nähe von Wellington (Florida), gleich neben dem Golfplatz.
Erinnerungen an München ’72
Noch immer kommt die gebürtige Hamburgerin regelmäßig nach Deutschland. Für das Olympia-Erinnerungsevent, ein Heimturnier mit Dressur bis Grand Prix auf der Reitanlage München Riem, hat sie einen kleinen Videofilm abgeliefert.
Es ist bekanntlich genau 50 Jahre her, dass in München die fröhlichen Olympischen Spiele nach dem Attentat der palästinensischen Terroristen in einen Albtraum umschlugen. Karin Billings erinnert sich noch gut, ihr Zimmer im olympischen Dorf war genau gegenüber den Zimmern der israelischen Sportler. Es war der 5. September, die Nacht vor ihrem Start, die einzige, die sie im Hotel verbrachte, um Ruhe zu haben. Anschließend Ratlosigkeit, Chaos und Entsetzen überall. „Wir wussten nicht, ob wir reiten sollten, wann wir reiten sollen, alle waren total durcheinander“, erzählt sie.
Die Spiele wurden schließlich für einen Tag ausgesetzt, die Dressur ging am 7. September vor der grandiosen Kulisse von Schloss Nymphenburg über die Bühne. Der Nationenpreis, die letzte Reitsport-Prüfung, damals noch im großen Olympiastadion, und die Schlussfeier wurden vom Sonntag auf den Montag verlegt.
Von den deutschen Springreitern, die damals Mannschaftsgold holten, Fritz Ligges, Hartwig Steenken, Gerd Wiltfang und Hans Günter Winkler, lebt heute keiner mehr. Aber alle vier Vielseitigkeitsreiter, die damals mit der Mannschaftsbronzemedaille für den ersten Erfolg der deutschen Reiter in München sorgten, sind noch immer gerne gesehene Zuschauer auf vielen Buschturnieren: Lutz Goessing, Horst Karsten, Harry Klugmann und Karl Schultz.
Während der Schlussfeier, in deren Rahmen auch die Neufassung der Deutschen Dressurquadrille ihre Premiere erlebte, mit allen namhaften deutschen Dressurreitern und -trainern im Sattel, wäre es fast zu einem weiteren Drama gekommen.
Ein Flugzeug steuerte ohne offizielle Genehmigung auf München zu, es wurde eine Terrorwarnung herausgegeben. Stadionsprecher Joachim Fuchsberger erhielt die Nachricht, ein Bombenangriff sei nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung, ob das Stadion geräumt werden sollte oder nicht, überließ man ihm. Fuchsberger befürchtete eine Massenpanik und ließ nicht räumen. „Ich war der einsamste und angeschissenste Mensch, den man sich vorstellen kann“, sagte er später der Süddeutschen Zeitung.
Am Ende entpuppte sich der vermeintliche Terrorflieger als finnisches Passagierflugzeug. Wenigstens das war nochmal gut gegangen.men’s jordan retro release dates | cheapest air jordan 1 high
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