Es fällt einem erst mal nichts mehr ein. Verglichen mit dem, was der früheren FEI-Präsidentin Prinzessin Haya (45) und zweien ihre Stieftöchter zugestoßen ist, mutet ein James-Bond-Streifen so aufregend an wie Emil und die Detektive.
Es geht um Vorwürfe von Folter, Morddrohungen, Entführung und Freiheitsentzug – allesamt für glaubwürdig erachtet vom Königlichen Gerichtshof in London, Abteilung Familienangelegenheiten (SG-online berichtete). Es geht auch um die Geschichte einer jungen Frau aus königlichem Haus, die glaubte, sie könne zwischen zwei Welten wandeln und in beiden Welten ihren Platz finden, ohne Schaden zu nehmen. Und die jetzt einen hohen Preis bezahlt: mit der Angst um Leib und Leben, womöglich ein Leben lang.
In dem Verfahren, das vor dem Royal Court des Vereinigten Königreichs in London an vier Tagen im November 2019 verhandelt wurde und dessen Ergebnisse der zuständige Richter, The Right Honourable Sir Andrew McFarlane, am 5. März öffentlich zugänglich machte, ging es um das Sorgerecht für die beiden Kinder, Tochter Zalil (12) und Sohn Zayed (7), von Prinzessin Haya von Jordanien und ihrem Exmann Mohammed bin Rashid al Maktoum, Emir von Dubai.
Wie in vielen Medien weltweit berichtet, floh Haya am 15. April 2019 mit den Kindern von Dubai nach London, weil sie um ihr Leben fürchtete. Der Scheich forderte die Rückführung der Kinder in die Emirate. Das lehnte das Gericht ab, die Kinder stehen jetzt unter gerichtlicher Vormundschaft und dürfen England nicht verlassen.
Nach dieser Schlappe hat der Scheich von seiner ursprünglichen Forderung Abstand genommen und verlangt jetzt nur noch ein Umgangsrecht. Darüber wird das Gericht in einer weiteren Verhandlung befinden.
Zu Hilfe kam Haya in ihrer Argumentation das Schicksal ihrer beiden Stieftöchter, Shamsa und Latifa, die nach Fluchtversuchen von ihrem Vater gewaltsam zurückgeholt wurden und nun in Dubai festgehalten werden. Auch Haya selbst erhielt Morddrohungen.
Scheich Mohammed Maktoum hatte am 7. Februar 2019 seine zweite von sechs Ehefrauen, (vier „inoffizielle’’), verstoßen, was in diesem Kulturkreis einer Scheidung gleichkommt, in Hayas Abwesenheit und ohne sie davon in Kenntnis zu setzen. Es war zufällig (?) der 20. Todestag ihres Vaters, König Hussein von Jordanien, des Menschen, der nach dem frühen Unfalltod der Mutter – Haya war zwei Jahre alt – ihre engste Bezugsperson war. Es heißt, sie sei seine Lieblingstochter gewesen.
Anlass der „Verstoßung“ war unter anderem die Affäre Hayas mit einem Leibwächter, was dem 70-jährigen Scheich missfiel. Doch es gab noch andere Gründe: Das Verhältnis der beiden Eheleute war seit 2018 abgekühlt, nachdem Haya immer wieder unbequeme Fragen nach dem Schicksal ihrer Stieftöchter Shamsa und Latifa stellte.
Prinzessin Haya – bewegtes Leben
Es scheint Ewigkeiten her, dass die 17-jährige Haya als Delegierte für Jordanien bei der Generalversammlung der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) das Mikrophon ergriff und an die Präsidentin, Prinzessin Anne, eine Frage richtete: ob man damit rechnen könne, dass Distanzreiten olympisch wird. „Wohl kaum“, war Annes lapidare Antwort und dabei ist es ja geblieben. Aber alle die soignierten Herren – Frauen konnte man damals an einer Hand abzählen – drehten sich nach der hübschen jungen Königstochter um, die so herrlich lachte und unbefangen in bestem Englisch plauderte.
Auf kleinen Turnieren im Rheinland kannte man sie schon, sie startete in A- und L-Springen unter dem Mädchennamen ihrer Mutter. Sie wohnte bei Springreiter, Züchter und Pferdevermittler Axel Wöckener in Oer-Erkenschwick und seiner Frau, freundete sich mit Tina an, der Tochter des Hauses. Zwei pferdeverrückte Teenager, von denen es so viele gibt.
Es folgten Studienjahre in Oxford, Abschlüsse mit Auszeichnung in mehreren Fächern. Den Pferden blieb Haya treu, strebte eine Karriere als internationale Springreiterin an. Zu dem Zweck ging sie für eine Zeitlang zu Paul Schockemöhle, wohnte in einer einfachen Wohnung und lebte das unglamouröse Leben einer Reitschülerin, ohne Extrawürste.
Da gibt es das Foto am Küchentisch in Mühlen, mit Paul und Bettina Schockemöhle, zu Gast der König von Jordanien und seine vierte Ehefrau Nur. Haya hatte sie eingeladen, um zu zeigen, wie es ihr erging im fernen Deutschland, und sie strahlte übers ganze Gesicht.
Da war sie schon gut integriert in die Springreiterszene, nicht unbedingt als gefürchtete Konkurrentin, sondern als „Good Sport“ und attraktiver Gewinn, der dem Springsport ein wenig royalen Glanz verlieh.
Olympia – aufstehen und Krönchen richten in Perfektion
Diese Karte wusste sie geschickt zu ziehen, wenn es um Startgenehmigungen für Turniere ging, auf die sie eigentlich nicht gehörte, trotz teurer Spitzenpferde.
Auch bei ihrer Olympiaqualifikation für Sydney 2000 ging es nicht ohne Mauschelei ab – ein Springen wurde nachträglich zur Qualifikation erklärt – und ihr Olympiaauftritt endete unrühmlich im ersten Springen an einem der ersten Hindernisse, an dem Haya gleich zweimal unfreiwillig den Sattel verließ.
Statt sich in ein Mauseloch zu verkriechen, wie es wohl die meisten von uns getan hätten, lud sie am selben Abend ihre Kollegen zur Grillparty, kletterte auf den Tisch und verkündete: „Ich bin unverletzt, das ist doch toll.“
Die Chuzpe muss man erst mal haben. Es ist anzunehmen, dass es für sie nach dem Tode ihres Vater 1999 schwieriger wurde. Ihr Halbbruder Abdullah war jetzt König und über die internen Verhältnisse am Hofe von Amman kann nur spekuliert werden.
Überraschungshochzeit
2004 überraschte Haya die Pferdewelt mit ihrer Hochzeit mit dem Emir von Dubai, der mit seiner ersten Ehefrau schon einen Stall voll zum Teil erwachsener Kinder hatte. Auf einmal tat sich der Vorhang auf in die andere Welt, zu der wir bis heute keinen Zugang haben. Warum hat sie ausgerechnet den geheiratet, fragten sich viele ihrer Reiterfreunde. Reich, ja, aber sonst? War es das Geld, war es politische Raison?
Scheich Mohammed, Besitzer riesiger Rennställe, sei der einzige Mensch, der noch pferdeverrückter sei als sie selbst, sagte Haya einem Vertrauten. In den folgenden Jahren sah man die beiden händchenhaltend über englische Rennplätze schlendern, auf Fotos mit der Queen. Sie elegant mit Hut und dem Haya-Strahlen im Gesicht, er mit Frack und Zylinder, irgendwie verkleidet.
Dann kam das Projekt FEI. Tatsache ist: Ohne das Geld ihres Mannes wäre Haya nie FEI-Präsidentin geworden. Sie führte als erste Kandidatin einen aufwändigen Wahlkampf um das Amt, organisierte vor der Wahl ein glanzvolles Turnier in Dubai, und versprach reiterlichen Entwicklungsländern Geld.
Vor allem mit diesen Stimmen gewann sie die Wahl und daraus folgend einen prestigeträchtigen Sitz im IOC. Mehr als ihre Vorgängerinnen mischte sie sich ins Alltagsgeschäft des Reiterverbandes ein, besorgte Sponsorengelder, auch dank ihrer familiären Beziehungen, und organisierte vieles in der FEI neu, um einen modernen Sportverband daraus zu machen, wie sie es nannte.
Bei den Weltreiterspielen in Aachen sah man sie auf der Ehrentribüne, kerzengerade, ohne die Sessellehne zu berühren, ganz die Präsidentin königlichen Geblüts, aber auch auf dem Abreiteplatz, um mal eine Stange einzulegen, wieder ganz von unserer Welt.
Der Doping-Scheich
Hayas Mann machte in diesen Jahren unerquickliche Schlagzeilen, wurde von der FEI wegen Doping als Distanzreiter sechs Monate gesperrt, für Haya eine fast unerträgliche Peinlichkeit.
Als er 2010 in Kentucky Mannschaftsweltmeister im Distanzreiten wurde, reiste er einen Tag vor der Siegerehrung ab, Haya musste die Medaille einem Angestellten überreichen.
In England machten 18 gedopte Scheich-Rennpferde und ein Flugzeug voller verbotener Medikamente Schlagzeilen, in beiden Fällen gelang es dem Scheich, die Schuld seinen Angestellten in die Schuhe zu schieben.
Chapeau, Haya!
Eine dritte FEI-Amtszeit sagte Haya überraschend ab und seitdem sah die Pferdewelt nicht mehr viel von ihr. Besuchern in Dubai begegnete sie auf einmal vollverschleiert. Die andere Welt hatte sie wieder.
Der ist sie nun entflohen. Noch immer unterhält sie einen Springstall mit verschiedenen Reitern. Er heißt „Team Harmony“ und das ist es wahrscheinlich, wonach sie sich zur Zeit am allermeisten sehnt. Das vermute ich.
Wir wissen es nicht, wir wissen überhaupt nichts von dieser arabischen Welt, in der Männer das Sagen haben, und Frauen sich unterordnen. Nicht jede hat die Möglichkeiten, ihrem Peiniger die Stirn zu bieten wie die mit einem jordanischen Diplomatenpass geschützte Haya.
Trotz allem: Chapeau Haya, für deinen Mut und deine Kraft!
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