Warum Uthopia heute nur spazieren geht und Paul Schockemöhle findet, man müsse von den zirkus-artigen Bewegungen wieder weg kommen.
Freitag in Rotterdam: Ruhepause für die EM-Pferde, Hektik in der Stadt, wegen eines innerstädtischen Autorennens am Sonntag. Na toll, wir werden ab Samstag nicht mehr unsere Autos aus dem 30-Euro-am Tag-Parkhaus fahren können. Wohin wissen wir auch nicht, denn für die lästige Presse gibt es keine Parkplätze am Reitstadion, die sind VIPs und Funktionären vorbehalten. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich die Aachener Macher noch mal in mein Nachtgebet einschließe, nämlich dass sie die EM 2015 in möglichst vielen Disziplinen bekommen und nicht Holland, dass sich für Springen und Vielseitigkeit beworben hat. Dass Aachen alle sechs Disziplinen (Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Reining, Voltigieren und Fahren) bekommt, halte ich für unwahrscheinlich. Wie ich aus gut informierten FEI-Kreisen erfahren habe, will man auf keinen Fall die Weltreiterspiele als Mega-Event alle vier Jahre zwischen den Olympischen Spielen entwerten.
Aachens Turnierchef Frank Kempermann, der hier als Vorsitzender des Dressurkomitees hofiert wird, saß wie wir gestern abend beim Italiener und war bester Dinge. Jovial spendierte er der Journaille am anderen Tisch eine Runde. Nochmals tausend Dank, aber das ist nicht der Grund, weswegen wir in vier Jahren lieber nach Aachen als nach Rotterdam fahren würden.
Der Italiener war gut, auch der Indonesier, bei dem wir am Mittwoch abend gegessen haben. Allerdings war ein Mindestverzehr von 17,50 Euro vorgeschrieben so etwas habe ich noch nie erlebt und einer der Kollegen verließ auch unter Protest ob dieser Dreistigkeit das Etablissement. Wir anderen waren einfach zu faul und hungrig, um es ihm gleichzutun.
Während unser Fotograf Jacques Toffi bereits die Bilderflut sortiert, von denen es dann einige in den nächsten ST.GEORG schaffen, atmen wir heute einfach mal durch. Die Presse-Busfahrt zum Rotterdamer Hafen wurde abgesagt, nur fünf Kollegen hatten Lust darauf.
Auch für Reiter und Pferde geht es ruhig zu. Mit den Kindern ins Aquarium war die Devise im deutschen Team. Zumindest zwei deutsche Reiter, Christoph Koschel und Isabell Werth, haben ja nach Bespaßung verlangenden Nachwuchs mit. Letztere kommt sich sowieso immer mehr wie die Mutter der Kompanie vor. Ich bin jetzt wohl hier die Mum, sagte Isabell Werth, als bei der Pressekonferenz nach einem Kommentar aus dem deutschen Team gefragt wurde. Übrigens: Ernie alias El Santo, der ja toll ging bis auf die Trippel-Piaffen, piaffierte bei der Siegerehrung für `ne zehn. Pferde können so undankbar sein!
Wer denn die Mum im niederländischen Team für einen kleinen Kommentar sei? fragte die Pressesprecherin und bekam im selben Moment eine knallroten Kopf. Die Frage war ja auch nicht so leicht zu beantworten. Edward Gal und sein Partner Hans-Peter Minderhoud sahen sich ratlos an, schließlich sagte Adelinde Cornelisse leicht angesäuert: Ja, dann bin ich wohl hier die Mum. Sie hatte das Glück oder das Pech, kurz nach einem veritablen Gewitter zu reiten, das verschaffte ihrem Parzival eine halbstündige Schrittpause in der Halle vor dem Start. Denn als es nicht nur zu schütten, sondern auch zu blitzen und zu donnern begann, leuchtete Panik in den Augen der Richter auf, manche sahen so aus, als ob sie am liebsten unter den Tisch gekrochen wären. Chefrichter Markowski schließlich hatte die Sekunden zwischen Blitz und Donner gezählt und als beides fast gleichzeitig losging, schloss er daraus, dass es recht nah sein müsste. Heldenhaft verließ er sein Häuschen, schritt zu dem immer noch brav seine Runden drehenden Schweizer Hans Staub und teilte ihm mit, dass die Prüfung unterbrochen sei. Staub saß ab, es fand sich auch eine Decke, die reichte gerade für den Sattel, aber nicht fürs Pferd. Der Hannoveraner Warbeau von Wolkenstein II-Matcho trugs mit Fassung und trug nach einer halben Stunde auch den Reiter durch den Rest der Aufgabe. Für ihn ist mit Platz 44 die EM jetzt zu Ende, nur die besten 30 schafften es in den Special.
Frei hat heute auch das neue Wunder-Wunderpferd Uthopia, er wird ohnehin nur dreimal die Woche dressurmäßig geritten. Alles andere hält Carl Hesters für von übel, stattdessen geht es ins Gelände und es wird auch mal auf der Rennbahn galoppiert. Täglicher Weidegang ist sowieso inklusive. Heute wird Uthopias Mitbesitzerin, Sasha Steward, erwartet. Ihre Familie gilt als steinreich, die frühere Vielseitigkeitsreiterin muss also nicht unbedingt jetzt den potenziellen Olympiasieger verkaufen, um die Mäuler ihrer Kinderschar, drei an der Zahl, zu stopfen. Aber Anteile an Uthopia gehören auch Carl Hester selbst, wie auch am zweiten britischen Shooting Star, Valegro. Und Hester, so sagt er, muss schließlich sehen wie er als Berufsreiter rumkommt. Dauernd riefen Leute an. Paul Schockemöhle war noch nicht dabei. Mir ist der Hengst auch zu klein, sagte er mir gestern. (Er hat 163 cm Stockmaß). Dabei kann Uthopia auch noch ganz nett springen, kein Wunder mit Ramiro im Pedigree. Mit seinem Totilas und Matthias Rath war PS eigentlich ganz zufrieden: Im Schritt ist noch eine bessere Note drin, sagt er aber wir müssen wieder von diesen Zirkus-artigen Bewegungen wegkommen. So ähnlich stands vor zwei Jahren im ST.GEORG. Freut einen doch, wenn man in so illustren Kreisen gelesen wird.
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