Blog 3 aus Lyon: Au revoir, la France!

Von

Von großen Briten, französischen Taxipreisen, glücklichen
Funktionären und Bundestrainern auf Socken

So richtig Leerlauf hat man ja nie auf den großen Veranstaltungen sieht man mal am Dressurviereck von dem Teil des Grand Prixs ab, in dem diejenigen reiten, die sich freuen, wenn sie 66 Prozent bekommen aber am Ende wird es dann immer hektisch. Da kann man machen, was man will. Plötzlich ist die letzte Siegerehrung da, die letzte Pressekonferenz und den meisten sitzt etwas ganz anderes im Nacken, die Furcht vor letzter Aufruf für Passagier XY booked on flight 123. Wir deutschen Journalisten und Fotografen haben uns deswegen schon gestern gekümmert. Weil wir Angst vor dem Stau nach Veranstaltungsende hatten. Deswegen stand ein VW-Bus ab 17 Uhr abfahrbereit vorm Haupteingang der Eurexpom in Lyon. Zu dem Zeitpunkt ertönte gerade ungefähr das blüh im Glanze der deutschen Nationalhymne für Daniel Deusser in der Siegerehrung nach seinen sensationellen Runden mit Cornet dAmour. Ich habe da noch gerade online meinen Text hochgeladen, deswegen habe ich das Spektakel erstens noch live von der Pressetribüne miterlebt, musste zweitens hektisch losrennen, weil mein Handy klingelte die Kollegen saßen schon im Bus und habe mir drittens, am Shuttle angekommen, einige zornige Blicke eingefangen. Vor allem von einer skandinavischen Kollegin, die prinzipiell nicht mit mir spricht, weil sie findet, St.GEORG schreibt falsche Dinge über Dressurreiter, ihre Praktiken und Abreitmethoden. Als sie hörte, dass ich es sei, auf den gewartet wurde, soll sie geschäumt haben, Close the door, we cant wait for him.

Um 17.04 Uhr sind wir dann losgefahren und ich hatte schon ein bisschen Sorge, dass die anderen Kollegen, die allesamt einen früheren Flieger, den nach Frankfurt, erwischen mussten, meinetwegen in Hektik geraten würden. Ich konnte nach zwölf Minuten durchatmen. Denn et voilà dann waren wir da. Für den Hinweg hatten wir alle bei unterschiedlichen Taxifahrern mindestens eine halbe Stunde gebraucht und dafür mindestens 50 Euro hingeblättert. Ein Fotograf aus Plön war regelrecht beleidigt: Die Franzosen haben uns hier echt abgezogen, ich glaubs ja nicht! Schön plöd findet das der Plöner. Aber plöd oder nicht, der Plöner musste es zur Kenntnis nehmen. Eindeutig war dies der richtige Flughafen und wir hatten alle noch ganz viel Zeit. Ist ja auch irgendwie schön, ohne last call for passenger und dergleichen Unannehmlichkeiten mehr.

Flughäfen nach großen Events haben etwas von einer Klassenfahrt. An jeder Ecke steht einer mit Gepäck, den man kennt. Vor uns checkte die geballte Springkompetenz ein. Die Bundestrainer Otto Becker und Heinrich Hermann Engemann, Tierarzt Dr. Jan Hein Swagemakers und auch Springauschussvorsitzender Peter Hofmann, der Macher vom Mannheimer Maimarkt. Der freut sich schon jetzt auf 2015, wenn Mannheim Ort des deutschen Nationenpreises ist. Es wird der 100. auf deutschem Boden sein, das ist doch was.

Alle sind vergnügt. Kein Wunder nach diesem Ergebnis! Die deutschen Schimmelreiter haben es der Welt gezeigt. Nicht nur Daniel Deusser, sondern auch Ludger Beerbaum, der nach dem ersten Umlauf noch einmal das Gebiss von Chiara gewechselt hat, woraufhin die Stute wesentlich zufriedener ging. Nur einer hat keinen Grund zu lächeln: Auch Christian Ahlmann ist in der Schlange vor uns und starrt auf sein Smartphone. So gut war Aragon Z zunächst gesprungen und dann die Pleite im Finale: Verweigerung, Abwürfe Ostermontag in Frankreich kann auch gar keinen Spaß machen. Achaz von Buchwaldt ist schon durch den Sicherheitscheck. Er wird nur kurz in Hamburg sein, am kommenden Wochenende sind alle in Antwerpen, Global Champions Tour, Big Money. Als Coach des Schweizers Pius Schwizer, ist da auch der Derbysieger in Belgien gefragt.

Bei Otto Becker piept es in der Sicherheitsschranke Gürtel vergessen abzulegen, Schuhe ausziehen. Das kann seine Laune nicht trüben. Er sagt, wir freuen uns nicht nur während des Fluges, sondern auch noch ein paar Tage länger. Doch er hat auch gleich gewarnt so großartig das Ergebnis war, und so gut das Gefühl ist, mit dem man jetzt in die Grüne Saison startet: Dort werden die Karten neu gemischt. Immerhin ist der Auftakt ins Jahr der Weltreiterspiele gelungen. Und französische Luft bekommt deutschen Spring- und Dressurpferden gut. Das ist doch eine wichtige Erkenntnis. Nur eines findet Otto Becker weniger gut: Präsidentin Haya spricht doch immer davon, wie nah sie an den Athleten dran sein möchte. Das hätte sie dann ja an diesem Wochenende mal beweisen können. Vielleicht hat sie ja Ostereier im Wüstensand verstecken müssen, wer weiß das schon.

Auf dem Weg zum Abflugterminal läuft Michael Whitaker wieselflink an uns vorbei. Der Brite zählte zu den ältesten Teilnehmern, hatte es bis in die vorletzte Runde geschafft. Da hatte sein Viking dann aber nicht mehr richtig viel im Tank. Ein Schweizer Kollege schrieb Whitaker reitet immer noch wie ein Gott, aber Viking über die Sprünge heben, kann er dennoch nicht. Der Brite raunt ein see you in Richtung Cafe, wo ihm jemand winkt. Er zieht einen Hackenporsche hinter sich her. Der Koffer ragt ihm fast bis zum Bauchnabel. Dabei handelt es sich um ein handelsübliches kleines, kompaktes Modell, das man mit an Bord nehmen kann.

Größe ist eben nicht immer eine Frage von Zentimetern!

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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