Blog 3 vom CHIO Aachen 2024: „Nicht nominabel“ – Aus für Kendra Claricia Brinkop, KI auf dem Vormarsch

Von
Moment mal 2024

Gabriele Pochhammer,. Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Heute geht es um KI, um KCB (Kendra Claricia Brinkop) und auch ein bisschen um CCI und das alles beim CHIO.

Der Springreiter-Nationenpreis Donnerstagabend in Aachen wird in die Geschichte des Turniers eingehen als der, mit den meisten Null-Fehler-Ritten, 37 an der Zahl, darunter elf Doppelnuller. Was ja nicht weiter schlimm ist, nur dass ein einziger Abwurf ein Team schon weit zurückwerfen kann, die Deutschen zum Beispiel von Platz zwei auf Platz sechs, weil die Nationen hinter ihnen durch fehlerfreie Ritte aufholten.

Besitzer, die nicht als solche registriert sind

Zwei Doppelnuller im deutschen Team waren war aber auf jeden Fall ein Grund zur Freude, bei Bundestrainer Otto Becker und bei den beiden Reiterinnen, Kendra Claricia Brinkop und Jana Wargers, denen diese fabelhaften Runden gelangen. Offiziell bewarben sie sich zusammen mit André Thieme um den Reserveplatz für Paris, in Wirklichkeit war Kendra Claricia Brinkop trotz ihrer überragenden Leistung schon aus dem Rennen. Und das hat bürokratische und andere Gründe, die schwer zu durchschauen sind. Zwar steht in der FEI-Database als Besitzer des Argentinus-Enkels Tabasco Kendras belgischer Chef, der Stall Stephex zu 99 Prozent und die Reiterin zu einem Prozent, womit der FEI-Regel Genüge getan wurde, dass das Pferd für Olympia zumindest einen deutschen Mitbesitzer haben muss. Aber die Vorbesitzer, das irische Vollblutimperium Coolmore, für das auch Cian O’Connor reitet, hatten noch Karten in dem hochtalentierten Wallach und untersagten einen Paris-Start mit dem Hinweis auf das Alter des Pferdes. Tabasco ist erst neun Jahre alt, das Mindestalter für einen Auftritt im olympischen Springen. Dressur- und Vielseitigkeitspferd dürfen schon mit acht Jahren unter dem olympischen Feuer starten, klingt nicht wirklich einleuchtend. „Damit kamen sie vor einer Woche an“, sagt Kendra, „Das ist für mich natürlich blöd.“ Ob das der wahre Grund ist, oder Verkaufsspekulationen oder persönliche Eitelkeiten – das ist schwer auszumachen. Und verständlicherweise wollten Otto Becker und der deutsche Reiterverband nicht das Risiko eingehen, in Paris auf einmal einen Protest am Hals zu haben. „Wir haben alles versucht, um zu einer gütlichen Einigung zu kommen“, sagt Otto Becker, „aber im Moment ist das Pferd leider nicht nominabel.“

Die Entscheidung, das Springreiter-Dreierteam für Paris schon lange vor der offiziellen Deadline dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) zu melden, bereut er nicht. Auch wenn Zineday von Philipp Weishaupt in der vergangenen Woche in Stockholm mit vier Abwürfen aus dem Kurs kam. Becker nimmt das als Ausrutscher, der mal passieren kann. Mit der vorzeitigen Nominierung wollte er den Reitern Planungssicherheit für ihre Paris-Vorbereitung geben, sagt er. Für Zineday wurde beschlossen, ihn nach dem CHIO Rotterdam, wo der Westfale im Nationenpreis einen Abwurf im ersten Umlauf hatte, sich Team Deutschland aber nicht für die zweite Runde hatte qualifizieren können, zunächst in Stockholm bei der Global Champions Tour gehen zu lassen. „Da können wir noch etwas verbessern“, ist sich Becker sicher. In Aachen sollte der Fuchs nicht gehen, ist aber zum Training in die Soers gereist. Am kommenden Wochenende soll er dann noch einmal zuhause in Riesenbeck starten. Dann macht die Global Champions Tour dort Station. Dieser Ablauf sei so mit den für das Pferd Verantwortlichen besprochen und als die beste Vorbereitung für den Weg nach Paris beschlossen worden.

Hightech meets Tradition

Zwar wird das Turnier in diesem Jahr 100 Jahre alt, aber das heißt nicht, dass es nicht auf der Höhe unserer Zeit ist. Technisch und digital ist es sozusagen taufrisch. So gibt es in der Vielseitigkeit eine mobile Event-App, die Ergebnisse, Zeitpläne, Analysen und Grafiken liefert, die sich jeder runterladen kann. Die Firma SAP unterstützt den CHIO Aachen seit einigen Jahren, stattete für den morgigen Geländeritt alle Reiter mit Sensoren aus, die Daten sind live in der App abzurufen und der Zuschauer weiß zu jeder Zeit, welcher Reiter sich wo gerade befindet. Einige Reiter gehen mit Helm-Kamera an den Start, dann kann man als Zuschauer quasi die Strecke mitreiten.

Schon mehr als zehn Jahre gibt es für die Dressur das „Spectator Judging“, eine App mit deren Hilfe man mitrichten kann, nicht nur in Aachen sondern auch auf anderen wichtigen Plätzen. Ich benutze sie auf jedem Turnier, nicht um mitzurichten, sondern um immer auf dem neuesten Stand der Prüfung zu sein mit Ergebnissen, Startfolge und Infos über Reiter und Pferd. Das ist besser als alles, was man sonst so an Infos bekommt. Aber nicht nur die Fans bewerten die Prüfungen digital. Dank der eDressage App von Black Horse One und SAP arbeiten auch die Richter nun schon seit einigen Jahren komplett digital und ermöglichen eine schnellere Bewertung der Prüfung sowie Präsentation der Ergebnisse in Echtzeit.

Noch in der Probephase ist die „Präzisionsnote“. Ein Computerprogramm misst jeden Schritt und Tritt, kann die Durchmesser der Pirouetten auf fünf Zentimeter bestimmen, die Piaffe-Tritte zählen und ob das Pferd etwa 30 Zentimeter nach vorne geht. Die Richter sollen sich dann auf die wichtigen Kriterien konzentrieren, Durchlässigkeit, Losgelassenheit, Versammlung usw. Wenn es so kommt, wäre ja toll. Aber mir ist das ein bisschen unheimlich. Nicht dass man am Ende noch die Richter einspart und den Computer machen lässt. Nichts ist unmöglich!!

Der große Bruder KI reicht bis in die Ställe. Die Boxen von acht Pferden sind beim diesjährigen CHIO Aachen mit einem KI-gestützten Kamerasystem ausgestattet, das das Verhalten und die Bewegung begutachtet. Nicht mal als Pferd hat man noch eine digital-freie Privatsphäre. Am Ende soll es dem Wohlergehen der Pferde dienen, natürlich. „Wir stehen am Anfang des Projekts, das kein Enddatum hat. Es werden immer mehr Faktoren hinzukommen, um das Wohl der Pferde möglichst umfassend sicherzustellen,“ sagt Turnierleiterin Birgit Rosenberg. Nach den Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr fanden auch die Pferde das Aachener Turnier ganz toll. Und das ist schließlich das Allerwichtigste.

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

stgeorg_newsletter_booklet