Wenn Charlotte Dujradin reitet, sollte man das filmen, für alle Reitschüler. Sooo perfekt! Kleiner Trost: Auch einem fast perfekten Vorbild kann mal eine Prüfung richtig in die Grütze gehen. So wie im Grand Prix von Aachen…..
So kanns einem gehen. Liebe Reitlehrer im Lande, wollte ich schreiben, die ihr tagtäglich versucht, euren mehr oder weniger begabten Schülern das kleine ABC des vernünftigen Reitens beizubringen. Wenn euch mal wieder einer eurer Eleven erklärt Die da oben, die reiten doch ganz anders, und triumphierend auf die Rollkur-Fraktion zeigt, dann lasst sie doch einmal zuschauen, wenn Charlotte Dujardin ihr Olympiapferd Valegro trainiert. Ein Traum der aber nicht verhindern konnte, dass heute im Grand Prix soviel schief ging, dass Charlotte wirklich nicht mehr gewinnen konnte, sondern auf Platz fünf abrutschte. Obwohl sie Zweidrittel der Aufgabe deutlich vor Totilas lag, aber dann: verpatzte Zweier- und Einerwechsel, versprungene Pirouette Schwamm drüber. Ich gebe immer mein Bestes , wenn ich einreite, sagte sie gestern. Mir ist es dann egal, ob ich gewinne oder verliere… Das nehme ich ihr natürlich nicht wirklich ab. Es gibt ja noch zwei Prüfungen, Grand Prix Special und Kür.
Ich will trotzdem noch kurz die Arbeit mit Valegro schildern. Charlotte trainiert ihren zehnjährige KWPN-Wallach so, wie wir es alle gerne täten, wenn wir es denn könnten. Zunächst mit langem Hals vorwärts-abwärts im Trab und Galopp, dann allmählich etwas versammelter, erst Schulterherein, dann Travers an der langen Seite, Traversalen, Galoppwechsel, auch erst an der langen Seite. Pause.
Trainer Carl Hester, der sich am anderen Ende des Vierecks in den Schatten verzogen hat, steht auf, geht auf den Platz und reicht Valegro eine kleine Belohnung, die er mit einer gewissen arroganten Würde entgegen nimmt. Weiter gehts. Manchmal lacht Charlotte einfach los, dann hat Carl über das Earphone gerade einen Witz gemacht. Jawohl: Es wird gelacht auf dem Dressurviereck! Und nicht verbiestert gewürzt.
Das Reiten muss mir Spaß machen, sagt Charlotte, an dem Tag, an dem ich keinen Spaß mehr hätte, ins Viereck einzureiten, würde ich aufhören. Und das klingt kein bisschen kokett. Inzwischen ist sie ziemlich sicher, dass sie Valegro bis ans Ende seiner Karriere wird reiten können. Bekanntlich stand er ja sehr öffentlich zum Verkauf nach den beiden Goldmedaillen von London, doch der Handel kam nie zustande. Warum nicht, darüber kann nur spekuliert werden. Zu teuer? Der TÜV? Oder hat das Totilas-Syndrom Kaufinteressenten abgeschreckt? Die Erkenntnis nämlich, dass der Kauf eines Millionenpferdes noch keinen Welterfolg garantiert. Und schon gar nicht die Harmonie zwischen Reiter und Pferd. Nie würde sie sich auf ein gemachtes Pferd setzen, das ein andere ausgebildet hat, sagt Charlotte. Man bringt sich um das Beste. Um den gemeinsamen Weg nach oben, das gemeinsame Lernen. An dessen Ende steht der Erfolg, nicht am Anfang. Nichts für ungut: Totilas hat sich in Aachen gut geschlagen, den Grand Prix gewonnen. Aber auch gezeigt, dass er gewinnen kann, vor allem wenn wie hier, die Konkurrentinnen fette Fehler machen.
Nach ihrem Olympiasieg bekam Charlotte tausende von Gratulationsemails, Leute gestanden ihr mit Tränen in den Augen, dass sie ihnen den Glauben an die Dressur zurückgegeben habe und hunderte wollten von ihr trainiert werden. Charlotte weigerte sich, ihr Leben zu ändern. Morgens reiten, nachmittags unterrichten, so ist es auch weiterhin. Einem Brief konnte sie nicht wiederstehen, er kam von der 14-jährigen Phoebe, einem Jungtalent auf Ponys, vom dem schon die Zeitschrift Horse and Hound berichtete. Phoebe bat Charlotte, ihr Mentor zu sein. Und das nimmt die Olympiasiegerin ernst: Sie gab Phoebe ein junges Pferd zu reiten. Fünf Jahre alt, so alt wie Valegro, als Carl ihn Charlotte anvertraute. Der Kreis schließt sich irgendwie.
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