Blog aus Badminton: Feucht-fröhliches Vergnügen und neue Zuchterkenntnisse

Von
Gabriele Pochhammer_NEU

Ein Hut ist immer gut! Findet auch St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer! (© www.toffi-images.de)

Gabriele Pochhammer über royale Rituale, Bodenzustände in Badminton, die Herausforderung Nummer eins der Geländestrecke und eine Theorie zu Darwin’schen Unterschieden zwischen Voll- und Warmblütern.

„Ihr werdet diesen Tag nie vergessen“, sagt Anna ermunternd zu ihren Kindern. Zoe (7) und Richard (11) nicken brav, während der Regen ihnen den Nacken herunterläuft, die Holzbank unter ihnen sich allmählich vollsaugt und das Eis in der Hand zu einer milchigen Brühe degeneriert. Nein, diesen Tag werden sie nie vergessen, auch wenn sie schon, seit sie laufen können, jedes Jahr mit ihren Eltern nach Badminton chauffiert werden. Aber nur einmal kann man dabei die Krönung eines Königs miterleben. Na ja, Zoe und Richard vielleicht noch eine oder zwei mehr, aber, wenn man die Langlebigkeit der Windsors bedenkt, die meisten, die hier unter Regenschirmen stundenlang vor einer der großen Videowände ausharren, aus biologischen Gründen eher nicht.

Vor dem Regen sind alle gleich, sofern sie sich nicht gerade im Haus aufhalten oder in der goldenen Kutsche sitzen, wie König Charles und die Königin seines Herzens, Camilla. Vermutlich die trockensten Menschen des Tages, wie ein Rundfunk-Sprecher bemerkte.

Es ist ein guter Tag für die britische Monarchie, die der Welt wieder diese unnachahmliche Mischung aus Feierstunde mit seltsamen Riten, klassischem Konzert, Militärparade und Volksfest bot. Auch Pferde spielten wie immer eine tragende oder ziehende Rolle: die Windsor Greys, die Schimmel des Königlichen Marstalls, festlich in Königsblau eingeflochten, die Pferde der Household Cavalry und der Canadian Police, letztere seit vielen Jahren Lieferant wesensfester Rappen für das britische Königshaus.

Und dann war da auf einmal Princess Anne, einst Vielseitigkeitseuropameisterin, hoch zu Ross hinter der Kutsche. Blitzschnell ist sie nach der Zeremonie in der Kirche in die Uniform der Blues and Royals geschlüpft, deren Ehrenoberst sie ist, als “Goldstick in Waiting“ quasi Leibwächter ihres königlichen Bruders. Natürlich nur zeremoniell.

Es ist ein schlechter Tag für den Rasen im Königreich. In den Garten des Buckingham Palace, wo Charles am Ende der Vorstellung seinen Truppen für die Parade dankt, die so viele nächtliche Generalproben gefordert hatte, waren Pferde nicht zugelassen. Verständlich, denn nächste Woche soll dort schon wieder eine Garden Party steigen.

Im Park des Herzogs von Beaufort kann man Pferden schlecht Rasenverbot erteilen. Das Dressurviereck war am zweiten Tag durchzogen von tiefen matschigen Furchen, dort, wo die Reiter ihre Bahnen zogen. Verfechter von Sandvierecken rieben sich die Hände.

Platsch, platsch, platsch, wie soll das bloß morgen im Gelände gehen? Einige Änderungen an den Hindernissen wurden schon bekanntgegeben, einige Hindernisteile rausgenommen, aber Zeit und Streckenlänge bleiben. Das könnte eine Schlammschlacht werden! Und Pippa Funnell muss vielleicht doch ihre Uhr wegwerfen. Das hatte sie angekündigt, für den Fall, dass sie nicht mehr nach der Zeit reitet, sondern nur noch auf ihr Gefühl hört.

Die vielen Verkaufsstände machen trotzdem ihre Geschäft. Am schnellsten reagieren die Hutverkäufer, an deren Auslagen sich die Wetter erahnen lässt. Strohhüte sind ganz hinten verschwunden, auch die flauschigen Wollmützen sind nicht gefragt. Die Kopfbedeckung der Stunde sind diese Schlechtwetterhüte aus gewachstem Segeltuch, die jede Frau wie einst Queen Mum aussehen lassen. Aber sie halten trocken.

Modische Extravaganzen hatte es bereits bei der ersten Verfassungsprüfung am Donnerstag schwer, nach den ersten Pferden setzte ein kräftiger Landregen ein. Das leichte grüne Sommerkleidchen schlotterte Bubby Upton schon um die Waden, bevor sie mit ihrem Holsteiner Catoki-Sohn Cola den Blumentopf zum Wenden erreicht hatte. Lauren Innes hatte sich selbst ein Krönchen appliziert, Laura Colletts bodenlanger Mantel blähte sich im Wind und ließ befürchten, dass sie sich Batman-gleich ihn die Lüfte schwingen wollte.

Dabei hatten sich die Reiterinnen richtig Mühe gegeben, um den Sonderpreis für das beste Outfit zu gewinnen. Viele der schicken Jacken und Stiefel stammten von den Ausstellern hier vor Ort, ausgeliehen mit dem Versprechen, in den Sozialen Medien ein bisschen Wirbel für das Label zu machen. So was nennt man dann wohl eine Win-Win-Situation.

Das Hindernis, das die Reiter am meisten fürchten, ist die Nummer 21, der See mit einem tiefen Einsprung und je einer 90-Grad-Ecke davor und im Wasser. Rundherum sind VIP-Zelte und verkaufte Tische (à 500 Pfund) aufgebaut. Als ich den Kurs abging, traf ich dort Lucinda Green mit einer Gruppe Schüler. Ich schloss mich unauffällig an und erfuhr einiges Neues über Pferdezucht.

Der See sei wegen der unruhigen Kulisse nichts für guckige Pferde, sagte die Welt- und Europameisterin. „Komischerweise sind Vollblüter nie guckig und Warmblüter immer.“ Zur Erklärung musste Charles Darwin herhalten: „Vollblüter haben seit 300 Jahren gelernt, im Galopp zu denken. Genauso lange haben Warmblüter mit Scheuklappen im Trab einen Wagen gezogen. Sie können einfach nicht so schnell denken!“ Wieder etwas dazu gelernt!

Alle Karten für die Geländeprüfung sind ausverkauft, bei 100.000 Karten, die vorher online bestellt und bezahlt werden mussten, war Schluss. Schon an der Autobahnabfahrt wird gewarnt, dass es keine Karten an der Tageskasse zu kaufen gibt. Ich denke, damit ist Badminton gemessen an den Zuschauern, das größte Sportereignis Europas, wenn nicht der Welt. Ob es darüber hinaus für den Vielseitigkeitssport eine tolle Werbung ist, das wissen wir erst morgen Abend.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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