Blog: Szenen und Kämpfe vom Arbeitsplatz

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Wie gutes Reiten aussieht, warum Kurt Gravemeier gefrustet ist und andere Beobachtungen vom Abreiteplatz.

Der Endspurt hat begonnen. In einer Stunden wissen wir, wer Mannschaftsweltmeister ist, wer im ersten Anlauf die Olympiaqualifikation geschafft hat, die besten fünf Teams. Von 33, soviel waren es noch nie und der Parcourschef Fréderic Cottiere, den Älteren noch bekannt als Reiter des wunderbaren Selle francais Flambeau, stand vor der schwierigen Aufgabe, so zu bauen, dass die guten vorne sind und die weniger guten sich nicht den Hals brechen. Einer hätte es trotzdem fast geschafft, der Chilene Tomas Couve Correa, der, von seinem Pferd beim Sturz getreten wurde und lange liegen blieb. Am Ende, so das offizielle Bulletin, soll er nur Schnittwunden an Hals und Gesicht haben. Um den Ausgang für die 30 benötigten Sekunden freizuhalten, wurden  40 Journalisten für zweimal 25 Minuten in der Mixed Zone eingesperrt, kein Herauskommen, Deadlines interessierten nicht, das Chaos wird langsam kriminell.

Auf dem Abreiteplatz trafen wir Kurt Gravemeier. Das heißt, wir trafen ihn nicht, sondern wedelten wild mit unseren Schreibblocks und er war so nett, zu den kleinen Zelten am anderen Ende des 100 Meter langen Abreiteplatz zu kommen, wohin wir verwiesen wurden. Ich hatte einen Steward eigentlich nur fragen wollte, wie es läuft, und er antwortete mir, es sei ihnen verboten mit der Presse zu sprechen. Ein Maulkorb, den sich im Lande der französischen Revolution erwachsene Menschen vorhängen lassen.  Meine Frage war schon ein Fehler, denn sofort schoss die Chefstewardess zu uns, mit einer Ausstrahlung, gegen die meine zickige Englischlehrerin weiland mütterliche Wärme verströmte, und verwies uns des Platzes an der Reling.

Kurt, der mit den Belgier vor vier Wochen in Aachen einen grandiosen Sieg gefeiert hatte, war leicht gefrustet. Hier lief es gar nicht, für ihn, Querelen, die bis vor Gericht führten, Kritik an seiner Mannschaftsaufstellung, verdarben die Stimmung im Team. Alle Ziele wurden verfehlt: nicht unter den besten Zehn für die letzte Runde, geschweige denn unter den fünf Besten für die Rio-Quali.  Ärger gabs auch mit der Akkreditierung, selbst für einen wie ihn. Er wollte mit Ingrid Klimke, die bei ihm trainiert, vergangenen Sonntag den Kurs abgehen, wurde belehrt, dass seine Akkreditierung erst ab Montag gilt. Nach nervigen Diskussionen kriegte er schließlich, was er brauchte, plus ein Extra-Kärtchen für die  Kiss and Cry-Zone.

Den Reitern auf dem riesigen Abreiteplatz zuzuschauen macht Spaß. Eine ruhige sachliche Stimmung herrscht hier, jeder weiß, was er zu tun hat, es gibt eigentlich nur gute Bilder. Die auf den Kopf gestellten Pferde sieht man bei den TV-Aufzeichnungen vom Reining, wo Zwei-Zentner-Kerle ihre kleinen Pferde durch die Halle scheuchen..  Eine kleine Italienerin mit einer Kinderakkreditierung kommt zu Heinrich Hermann Engemann, hält stumm einen Pin hin und bekommt im Tausch einen vom deutschen Team zurück, ohne dass ein Wort gewechselt wird, man versteht sich auch so.

Die Gamaschen werden vor und nach dem Ritt kontrolliert, ob sie zu stramm angezogen sind oder sich darunter Ungutes verbirgt.

Respekt  vor dem einzigen Reiter aus Katar, der es bis in die dritte Runde geschafft hat, Scheich Ali bin Khali Al Thani auf seiner super gezogenen Holsteiner Stute Vienna Olymic v.  Cassini II-Contender. Er sitzt so kerzengerade  korrekt auf dem Pferd, das jeder Richter beim Reitabzeichen seine Freude an ihm hätte. Seine Arbeit verfolgt am Rande eine junge Dame mit Katar-Blouson, sie ist offenbar nicht im Sattel dabei, auch wenn sie sich von Kopf bis Fuß so ausstaffiert hat, hat inclusive imponierend langer Sporen.

Das ist ja schon mal ein Anfang. 

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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