Blogg aus Münster: Von Wackeldackeln und lila Fracks

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In Sylt fand er’s schöner: Sterntaler unter Matthias Alexander Ratz

MŸnster 14.07.2010 Deutsche Meisterschaft Dressur/Springen hier Dressur Grand Prix Special: Foto ©Julia Rau Am Zollhafen 12 55118 Mainz Tel.: 06131-507751 Mobil: 0171-9517199 RŸsselsheimer Volksbank BLZ 500 930 00 Kto.: 6514006 Es gelten ausschliesslich meine Allgemeinen GeschŠftsbedingungen (© Julia Rau )

Neues vom Lästertisch der Deutschen Meisterschaft in Münster

Heiteres VIP-Zelt-Raten: Es guckt die  Experten-Szene bei Schwarzbrot und Leberwurstschnitte Grand Prix Special, engagiert ab 8 Uhr morgens. Wo sind wir? Nein, nicht in Hamburg, wo Pucki und Mucki mit Hermes-Tüchern und Gucci-Taschen behängt für Dreisterne-Köstlichkeiten von Herrn Scherrer anstehen und gelegentlich übers Champagnerglas hinweg einen gelangweilten Blick ins Geschehen werfen. Und natürlich auch nicht in Aachen, wo der VIP-Bereich einem chinesischen Palast mit sieben Zimmern gleicht, wo der, der ins erste vordringt längst noch nicht im Allerheiligsten ist. Hier heißt man Schulze-Schwarzbrot oder Meyer zum Felde und versteht was von Pferden. Die Sonne lacht vor dem Schloss in Münster, herüber gucken gefühlte 50 Kirchtürme auf das Treiben bei der Deutschen Meisterschaft. Willkommen in der Westfalen-Metropole.

Die Damen und Herren auf dem Viereck mühen sich redlich, die Richter sind sich lobenswert einig heute morgen, auch als sie beschließen, Dieter Lauks auf Weltall aus der Prüfung zu nehmen. Er wird abgeläutet. Schon auf der ersten Diagonale bekommt der Zuschauer den Eindruck, einer dieser Wackeldackel sei unterwegs. Sie wissen doch, diese gelenkigen Plastiktiere, die bei manchen Opelfahrern im Heckfenster zu sehen sind, meist in unmittelbarer Nachbarschaft einer mit einer Häkelhülle bekleideten Klopapierrolle. Meine Freundin E. findet, das Wort Wackeldackel sei sehr unfreundlich für ein Pferd, das ja mal durch große Talente geglänzt hat und für Deutschland auch eine Olympiamedaille geholt hat.Da Weltall dies voraussichtlich nicht lesen wird, verwende ich es trotzdem. Damit jeder weiß, was gemeint ist. Chefrichter Dieter Schüle hatte dann doch noch mal sichtbar körperliche Schmerzen, als er auf Nachfrage in der Pressekonferenz aussprechen musste: Weltall war lahm.

Richter müssen sich so einiges angucken. Etwa die großgewachsene Reiterin, neuerdings mit semmelblondem Dutt, rote und schwarze Haaren waren mal. Deren Frack schillert wie die Kostüme im Moulin Rouge (E. sagt: Der Frack sieht ja fettig aus, Meine Freundin D.: Das Schlimmste ist, dass er ins Lila geht). Die Reiterin hat auch Glitzerkram an allen erdenklichen Stellen appliziert. Ich sage nur, Swarowski am Stirnband. Vielleicht gefällt den Richtern das ja. Aber E. nimmt sie in Schutz: „Sie sind doch keine Elstern.“

Und so geht der Vormittag dahin. Zwischendurch besucht uns im feinen Zwirn Michael Klimke, neuerdings Turnierleiter in Münster. Steht ihm gut. Aber Selberreiten sei doch noch schöner, sagt er. Er trainiert ein paar junge Pferde, hofft auf ein Comeback, aber er hat verständlicherweise keine Lust, mit der Aussicht auf 65 Prozent in die Prüfung zu gehen, die seinem berühmtem Vater, dem sechsfachen Olympiasieger Dr. Reiter Klimke gewidmet ist. Gut erholt trat auch Matthias Alexander Rath an, beim Abreiten so ziemlich der einzige, der der Empfehlung des Weltverbandes folgend eine feste Reitkappe trägt. Nach dem Motto Darunter steckt immer ein kluger Kopf. Der weiß, dass entgegen anderslautenden Gerüchten der wichtigste Körperteil des Reiters nicht das Gesäß, sondern das Gehirn ist. Vor der DM waren er und sein Pferd Sterntaler in Sylt. Klingt nach trendiger Entspannung und Seele baumeln lassen. Stimmt auch, für den Reiter. Sterntaler durfte natürlich nicht wassertreten im Watt oder am Strand piaffieren, sondern musste in einer örtlichen Reitanlage weiterackern.

Auch Familie Balkenhol hat nach Aachen, wo Anabel mit einem Magen-Darm-Virus zu kämpfen hatte und in der Kür nicht starten konnte, in Sylt entspannt, das passte ja gut.

Gestern abend war die feierliche Verleihung des Friedensreiter-Preises, diesmal posthum an Pit Krautwig, die Seele des westfälischen Pferdestammbuchs und der Münsterschen Turniere, der im vergangenen Jahr verstorben ist. Sein 20-jähriger Sohn Kai nahm den Preis in Empfang aus der Hand von Henrik Snoek. Komm, lass dich drücken, sagte er ich habe eh schon Wasser in den Augen.

Snoek bestätigte, was die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass die Dressurserie für Nachwuchs Grand Prix-Pferde, der Mediencup, große finanzielle Probleme hat. Der Porsche, den es morgen als Sahnetorte für den Seriensieger geben sollte, ist schon mal gestrichen. So was geht anscheinend, dass man am Anfang unter Mediengetöse einen Ehrenpreis auslobt, der sich dann in Luft auflöst. Vielleicht kann sich der Gewinner vom ja Geldpreis (600 Euro) ein Fahrrad kaufen, aber ein schlichtes Modell…

Wie Michael Klimke mir erzählte, sei es nicht das erste Mal, dass angekündigte Wohltaten auf wundersame Weise zusammenschmelzen. So hat er vor vielen Jahren bei einem Turnier von Escon-Marketing eine Uhr gewonnen, im Wert von 30.000 Mark, hieß es publikumwirksam. Nach einiger Zeit musste die Batterie gewechselt werden.  Rein aus Interesse fragte Michael Klimke den Juwelier nach dem Preis der Uhr:  3000 Mark, sagte der.  Ist ja auch viel Geld. Und das andere vielleicht nur ein Druckfehler. 

Gabriele Pochhammer

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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