Den Schuss nicht gehört – Dopingfreigabe im Westernsport

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Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

In der Westernszene brodelt es: Der US-Dachverband hat aus heiterem Himmel die Regeln geändert: Doping mit Beruhigungsmitteln soll ab 2023 bei Wettkämpfen gestattet sein. In aller Welt regt sich der Widerstand , die Westernverbände stehen vor einer Zerreißprobe.

„Das hat mit Horsemanship nichts mehr zu tun“, grollt Nico Hörmann. Der frühere Bundestrainer der deutschen Reiner, selbst Neunter bei der Weltmeisterschaft 2006 in Aachen und derzeit in der FN für Distanzreiten zuständig, ist genauso empört wie viele deutsche und europäische Reiner nach einer Nacht- und Nebelaktion der US-Dachorganisation „National Reining Horse Association (NRHA)“, Doping mit dem Beruhigungsmittel Romifidin (Sedivet) künftig bei Wettkämpfen ganz offiziell zuzulassen. Die Empörung in der Szene, vornehmlich in der europäischen, sei sehr groß, sagt Hörmann. Tatsächlich distanziert sich auch der deutsche NRHA-Partner mit deutlichen Worten von der Initiative des amerikanischen Mutterverbandes. „In den Bereichen Tierschutz, Doping und Medikation weicht das europäische und insbesondere das deutsche Tierschutzgesetz erheblich von den Regeln der NRHA USA ab. Sie sind deutlich enger gefasst. Die NRHA Germany hält sich nicht nur konsequent an die von der Bundesrepublik Deutschland sowie der Europäischen Union gesetzlichen vorgegebenen Tierschutzmaßnahmen und Dopingvorschriften, die im Deutschen Tierschutzgesetz und in den Leitlinien Tierschutz im Pferdesport geregelt sind, sondern geht sogar noch darüber hinaus, um ein faires, sportliches und tiergerechtes Turnierumfeld sicherzustellen“, heißt es auf der Website der deutschen NRHA.

„Vollkommen aus der Zeit gefallen“

Der Beschluss der US-NRHA sei vollkommen aus der Zeit gefallen, wettert Nico Hörmann. Tatsächlich zerbrechen sich Pferdeleute auf der ganzen Welt derzeit darüber den Kopf, wie man die Öffentlichkeit, die Gesellschaft insgesamt, davon überzeugen kann, dass unser Sport nicht nur seine Daseinsberechtigung hat, sondern so viel mehr sein kann, nämlich Partnerschaft zwischen Mensch und Tier, die ihresgleichen sucht. Stichwort Social License. Dabei geht es nicht nur um Spitzenleistungen, um die vielleicht am wenigsten, sondern um die tägliche Freude, die uns der Umgang mit dem Pferd beschert. Pferde machen glücklich, wen nicht, der sollte sich von ihnen fernhalten. Und nur wenn auch das Pferd glücklich ist, das heißt, sich sicher, versorgt und verstanden fühlt, gelingt die Partnerschaft. Das muss man den so genannten Tierschützern, die erkennen lassen, dass sie den Platz des Pferdes am liebsten „in der Historie“ sehen, es also ausrotten wollen, immer wieder klarmachen. Zu befürchten ist, dass man gegen Wände redet, denn gegen Ignoranz ist kein Kraut gewachsen. Für sie ist die Dopingfreigabe eine Steilvorlage für weitere Angriffe.

Hanebüchene Begründung

Während die Verbände wie die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI), der Europäische Pferdesportverband EEF, die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), aber auch die Rennsportverbände, immer strengere Regeln aufstellen, die dem Wohl des Pferdes dienen sollen, öffnet die NRHA eine Tür für straffreies Doping. Romifidin soll ab kommenden Jahr bis 30 Minuten vor dem Start erlaubt sein. Zwar muss es angemeldet werden, die Dosierung ist begrenzt, aber dann steht dem Einsatz nichts im Wege. Ausgedacht haben sich diesen – nicht einstimmig gefassten – Beschluss, der Vorstand der 14.000 Mitglieder starken US-basierten Reining Association, die zusammen mit der „American Quarter Horse Association (AQHA)“ (234.627 Mitglieder) diesen Sport beherrschen. Die Begründung ist bestenfalls hanebüchen. Die Regeländerung stelle sicher, dass Pferde so behandelt werden, wie es die Besitzer für richtig halten, so die Begründung. Auf der anderen Seite sollen Regelübertretungen, also Doping mit anderen Substanzen und in höheren Dosierungen, künftig stärker geahndet werden, mit hohen Geldstrafen bis zu 30.000 Dollar. Auf deutsch: Lieber ein bisschen dopen als wie bisher oft ungestraft und ungebremst. So ist zumindest der offene Brief des NRHA-Präsidenten Rick Clark zu verstehen, der zugab, dass die Regeln häufig gebrochen worden seien, weil positiv getestete Pferde Titel und Preisgeld behielten. „Manchmal muss man kleine Schritte machen, um zu den großen Schritten zu kommen.“ So kann man’s natürlich auch sehen, aber die Zulassung einer Dopingsubstanz angeblich zum Wohl des Pferdes ist schon mehr als dreist. Und eine Bankrotterklärung der Verbandsführung, die eingestehen musste, dass ein komplettes Doping-Verbot nicht durchsetzbar sei.

Meine Glückwünsche gehen an dieser Stelle an die FEI, sich rechtzeitig von den Reinern, die bis 2021 ja offizielle FEI-Disziplin waren, zu trennen. Der Grund waren damals nicht nur verschiedene Ansichten über Doping und Medikation sondern auch der Einsatz bereits junger, also vier- und fünfjähriger Pferde im Spitzensport. In den FEI-Disziplinen muss ein Pferd mindestens acht Jahre alt sein, um in den Top-Klassen zu starten.

Romifidin wird in der Tiermedizin bei operativen Eingriffen vor der Narkose oder auch bei der Behandlung eines Pferdes eingesetzt. Ein derart sediertes Pferd ist im Wettkampf natürlich konzentrierter, scheut weniger, ist insgesamt besser zu handhaben und hat deswegen größere Gewinnchancen. Der Einsatz des Sedativums verstößt gegen eine Grundregel des fairen Sports, nämlich die Chancengleichheit auf dem „Spielfeld“. Der Geschäftsführer der internationalen Pferdeschutzorganisation World Horse Welfare, der Brite Roly Owers, brachte es gegenüber der Pferdezeitschrift Horse and Hound auf den Punkt: „Wenn das Temperament eines Pferdes ohne den Gebrauch von Drogen nicht für den Wettkampf taugt, braucht das Pferd entweder weiteres Training oder man sollte sich überlegen, ob es überhaupt für diesen Sport geeignet ist.“

„Das war ein Alleingang des Mutterverbandes“, sagt Hörmann, „die glauben, sie können machen, was sie wollen.“ Es sei nur eine kleine Gruppe von Texanern, die vor allem das Geschäft und den eigenen Wettbewerbsvorteil im Auge hätten. (Pferdepreise und Gewinngelder erreichen sechsstellige Summen.) Hörmann kann in seiner Stimme die Wut kaum verbergen. „Die haben keine Vorstellung davon, wie man einen Sport in die Zukunft führt und ihn weiterentwickelt.“ Der britische Reiner-Verband denkt bereits darüber nach, sich von der US-NRHA zu trennen. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen und die Hoffnung, die Cowboys aus Amerika könnten noch einlenken, bevor die neue Regel in Kraft tritt, stirbt auch hier zuletzt. Oder kann es sein, dass die Westernhelden den Schuss einfach nicht gehört haben?mens jordan shoes release dates | air jordan 1 cheapest colorways

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Selina Konrad

    Herzlichen Dank für den tollen und umfangreichen Beitrag. Ähnlich wie bei uns Menschen sind die sportlichen Anforderungen, bei Pferdewettkämpfen so dermaßen hoch angesetzt, so dass das Pferd über seine natürlichen Kräfte hinausragen muss. Schafft er das nicht, werden Dopingmittel eingesetzt. Längerfrsitige Folgen für die Pferdegesundheit spielen hierbei keine Rolle mehr, hauptsache das Pferd bringt am Ende die Leistung und gewinnt einen Preis. Das tut mir so sehr weh als Mensch und als Pferdeliebhaberin. Pferde sollen und dürfen den Preis nicht auf Kosten ihrer Gesundheit tragen! Pferde sind genauso Lebewesen wie wir Menschen und haben das Recht auf ein gesundes Leben!

    LG aus dem Allgäu:)


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