Wer zahlt, bestimmt die Musik? So jedenfalls klingt es, wenn eine Petition, ins Leben gerufen von skandinavischen am Pferdesport Beteiligten, den Uhrenhersteller Longines aufruft, Druck auf die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) auszuüben, um Regeln zu ändern. Zum Wohl des Pferdes, versteht sich. Klingt gut, wäre aber ein sehr gefährlicher Weg.
Wer Mitstreiter für seine Meinung sucht, tut das heute vor allem im Internet. In mehreren Portalen kann man Petitionen zu den verschiedensten Themen ins Netz stellen und hoffen, auf diese Weise eine weite Resonanz zu finden. Das hoffen wohl auch die Initiatoren des Offenen Briefes an den CEO von Longines, den Hauptsponsor der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI).
Es geht um das Wohlergehen des Pferdes im Sport und mal wieder um die viel zitierte Social Licence, die Akzeptanz des Sports in der Öffentlichkeit. Die sehen die Unterzeichner des Briefes – Tierärzte, Ausbilder, Richter und andere am Pferdesport beteiligte Personen meist aus dem skandinavischen Raum – in großer Gefahr.
„Was der Pferdesport schon vor zehn Jahren brauchte und bis heute braucht, ist eine neue Ära mit einem deutlich stärkeren Fokus auf dem Wohlergehen des Pferdes, nicht nur in Dokumenten beschrieben, sondern in der Praxis und im wirklichen Leben umgesetzt.“
Longines wird aufgefordert, Druck auf die FEI auszuüben. „Wissen die Sponsoren eigentlich, für was sie zahlen?“ fragen die Initiatoren provokant. Ihrer Ansicht nach ist der Pferdesport an einem kritischen Punkt, die „Social Licence“ zu verlieren.
Missstände und Fehlentwicklungen
Bis heute haben 11.487 Leute aus mehr als 50 Ländern unterschrieben. Angeprangert werden allerlei Missstände, wie sie unter anderem die TV2-Sendungen des dänischen Fernsehens über die Trainingsmethoden im Stall Helgstrand zeigen, die weltweit Aufsehen erregt haben. Die müden Reaktionen der FEI, der lapidare Verweis auf ihre Ethikkommission, hat viele Pferdefreunde enttäuscht.
Auch geht die FEI nach Ansicht der Initiatoren der Petition zu lasch gegen andere Fehlentwicklungen vor, etwa gegen unzulängliche Kontrollen bei zu fest geschnürten Nasenriemen. Und im Raum steht die Frage, was künftige Reitergenerationen davon halten sollen, wenn die Vorbilder von heute nicht glaubhaft machen können, dass ihnen das Wohl der Pferde tatsächlich am Herzen liegt.
Spätestens hier werden alle unterschiedslos an den Pranger gestellt, auch die, die alles dafür tun, dass es ihren Pferden gut geht. Und davon kenne ich eine ganze Menge. Aber, machen wir uns nichts vor, es gibt auch die anderen.
Sind Kandarenreiter Pferdequäler?
Einige der Forderungen könnte man sicherlich unterschreiben, andere nicht. Da geht es auch um die in den letzten Monaten heftig diskutierte Frage, ob auf Grand Prix-Level die Kandare weiter vorgeschrieben sein soll. Dazu gibt es verschiedene Meinungen, die Petition fordert vehement die freie Wahl zwischen Trense und Kandare. Viele Fachleute jedoch wollen die Kandare für dieses hohe Level der Dressur beibehalten, weil sie dem entsprechend geschulten Reiter eine feinere Hilfengebung gestattet.
Die Wahl der Zäumung dem Reiter zu überlassen, erschwert die Vergleichbarkeit der Leistungen. Schließlich handelt es sich immer noch um einen sportlichen Wettkampf, der unter gleichen Bedingungen stattfinden sollte. „Es gibt wichtigere Ansatzpunkte zur Verbesserung des Pferdewohls als die freie Zäumungswahl in der Dressur“, sagt Reitmeister Marin Plewa. Und fragt: „Sind diejenigen, die weiterhin auf Kandare reiten, dann eigentlich Pferdequäler?“
Im übrigen verweist er auf die abenteuerlichen Zäumungen, die im Springsport zu sehen sind und die die FEI bisher noch nicht aus dem Parcours verbannen konnte.
Entmündigung der Fachleute
Vor allem aber stellt sich die Frage, ob ein Sponsor der richtige Ansprechpartner ist. Denn das bedeutet nichts anderes, als dass der Geldgeber die Regeln bestimmt oder zumindest mitbestimmt. Das wäre auch eine Entmündigung der zuständigen Gremien, die für das Regelwerk zuständig sind. Das ist nicht nur die FEI, sondern das sind auch die nationalen Verbände, und alle, die bei öffentlichen Veranstaltungen Verantwortung tragen: Richter, Stewards, Reiter, Trainer und Pfleger. Sie sind die Fachleute und sollten ihre Kompetenzen nicht aus der Hand geben.
„Es ist dann auch nicht ausgeschlossen, dass sich Sponsoren aus dem Pferdesport zurückziehen, wenn sie merken, dass solche Petitionen erfolglos bleiben“, gibt Plewa zu bedenken.
Wenn Sponsoren Einfluss auf den Sport nahmen, dann oft nicht unbedingt im Sinne des Pferdewohls, sondern um ihn spannender, fetziger, leichter verständlich für ein Laienpublikum zu machen.
„Die Initiatoren der Petition haben meines Erachtens nicht zu Ende gedacht,“ sagt Plewa, selbst viele Jahre lang als FN- und FEI-Funktionär unterwegs. Er verweist auch auf die Gefahr, dass Gegner, die den Pferdesport ganz verbieten lassen wollen, auf diese Weise Munition für ihre Argumentation bekämen.
Ein FEI-Sprecher beteuert nach wie vor, dass das Wohl des Pferdes an höchster Stelle stehe und dass alle Pferde bei Events unter FEI-Regeln optimal geschützt würden. Das Thema soll umfassend beim FEI Sports Forum 2024 diskutiert werden. Aber Diskussionen und vollmundige Beteuerungen reichen längst nicht mehr aus.
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