Erst sah es nicht so aus, als ob Otto Beckers Wunsch in Erfüllung gehen würde, bei den EM-Medaillen ein Wörtchen mitzureden, aber der Glanzritt des 33-jährigen Championatsdebütanten David Will auf dem 13-jährigen Holsteiner C Vier gab den Hoffnungen der Gastgeber neuen Auftrieb. Einschätzungen von Gabriele Pochhammer.
Hinter den souveränen Schweden (3,59) liegt die deutsche Mannschaft nach der ersten EM-Wertung, dem Zeitspringen, auf Platz zwei (4,77) gefolgt von der Schweiz (5,47) und den Niederlanden (8,97). Die belgischen Titelverteidiger liegen vorläufig auf Platz sechs (9,34).
David Will führt nun in der Einzelwertung vor dem Nationenpreis mit null Punkten vor Tokio-Teamolympiasieger Peder Fredricson auf Catch Me Not (0,46) und dessen Landsmann Douglas Lindelöw auf Casquo Blue (1,17). Wills Championats-Einstand gelang perfekt: Der 13-jährige Holsteiner C Vier, sensibel aber kontrollierbar, übersprang alle Stangen hoch und deutlich, sah dabei nie so aus, als ob ihm Druck gemacht würde. Als vorletzter Reiter konnte Will die Ritte von 63 Konkurrenten vorher analysieren. „Der Kurs war sehr gut planbar, ich konnte mir viele andere Reiter angucken und habe dann meinen Plan exakt durchgeführt.“ Das klingt nicht nach Zufallserfolg. Die Entscheidung, Will an die letzte Startposition im Team zu setzen, erklärte Bundestrainer Otto Becker so: „Das Pferd hat alle Möglichkeiten, aber es ist auch ein spezielles Pferd, das Ruhe haben muss. David sagte auch, ihm hilft es, wenn er weiter hinten startet. Dann weiß er genau, wie der Parcours zu reiten ist. Deswegen haben wir uns so entschieden. Und das hat er mehr als souverän gelöst.“ Also alles richtig gemacht.
Zweitbester Deutscher wurde Christian Kukuk auf Mumbai (10., 1,93) Der neunjährige belgische Schimmelhengst, mit dem Kukuk auch in Tokio bei den Olympischen Spielen am Start war, sich aber nach einem Abwurf nicht fürs Einzelfinale qualifiziert hatte, lässt mit seiner fehlerfreie Runde im Zeitspringen für die kommenden Tage hoffen. „Es hätte tatsächlich nicht besser laufen können. Die ganzen Ideen, die ich beim Parcoursabgehen gesammelt habe, sind fast perfekt aufgegangen. Mumbai war genau passend motiviert, er hat auf meine Hilfen gewartet, hat mich reiten lassen und mir die Entscheidungen überlassen.“ Mumbai, eines der jüngsten Pferde des Feldes, kennt sich aus in Riesenbeck. Er wohnt hier. Kukuk ist Stalljockey beim Multiolympioniken Ludger Beerbaum, der in wenigen Monaten makellose Voraussetzungen für die kurzfristig anberaumte Europameisterschaft geschaffen hat. „Riesenbeck International“, so heißt das von ihm und seinem Geschäftspartner, dem dänischen Dressureiter und Pferdehändler Andreas Helgstrand betriebene Unternehmen, hat jetzt schon die Feuertaufe bestanden.
André Thieme mit Chakaria liegt nach einem Abwurf auf Platz 17 (2,84). „Die Strategie war, schnell zu reiten, und das ist mir gelungen. Dann ist auch der Fehler nicht so wahnsinnig gravierend. Damit werde ich noch nicht zu weit durchgereicht. Das ist also noch ein brauchbares Ergebnis,“ sagte er nach seinem Ritt. „Schade, es hätte natürlich richtig gut sein können ohne den Fehler. Aber ich hatte heute den Auftrag, Risiko zu gehen, ich habe ja auch ein schnelles Pferd.“
Das Streichergebnis lieferte Marcus Ehning mit zwei Abwürfen von Stargold (4,33. Platz 1). Er war erst für Maurice Tebbel nachgerückt, nachdem dessen Hengst Don Diarado wegen eines Hufgeschwürs schon vor der ersten Verfassungsprüfung krank gemeldet werden musste. Ehning haderte mit sich selbst: „Ich habe Maurice heute nicht würdig vertreten. Nach den ersten beiden Runden musste ich schon einiges riskieren und war auch auf gutem Wege. Den ersten Fehler kann ich mir nicht erklären. Am letzten Oxer war ich zu dicht, das geht auf meine Kappe. Die Zeit wäre gut gewesen, aber leider waren es zwei Fehler zu viel.“
David Will ist jetzt der Gejagte
Das Ergebnis des Zeitspringens (gebrauchte Zeit plus vier Strafsekunden pro Abwurf) wurde umgerechnet, die Fehlerpunkte werden ab jetzt addiert. Wenn David Will keinen Fehler mehr macht, ist er am Sonntag Europameister. Das klingt einfacher, als es ist, er ist jetzt der Gejagte, aber bis zum Titel stehen natürlich noch einige Hindernisse im Weg. Der Mannschaftstitel wird nach zwei Runden am Freitag entschieden, der Einzeltitel am Sonntag, nach zwei weiteren Parcours. Schon ein Abwurf kann Will wieder aus dem Rennen werfen, die ersten 24 Reiter trennt weniger als ein Springfehler.
Das deutsche Team rangiert auf Zwischenrang zwei, nur zwei Punkte hinter den Olympiasiegern aus Schweden. Vom Tokio-Goldteam ist lediglich Peder Fredricson auf einem andere Pferd, dem Schimmel Catch Me Not, dabei, aber auch Douglas Lindelöw auf Casquo Blue und Tokio-Reservist Rolf Göran Bengtsson auf Ermindo, blieben ohne Abwurf und damit Favoriten auf den Team-Titel. Das schwedische Streichergebnis, das es bei der Europameisterschaft anders als bei olympischen Spielen gibt, lieferte Angelica Augstsson-Zanotelli auf Kalinka.
Der Parcours von Frank Rothenberger schuf beste Voraussetzungen für Klassesport und der neu hergerichtete Rasenplatz bot dafür eine gute Grundlage. Rothenberger baute geschickte mehrere Optionen ein, schnellere und kürzere Alternativen, die auch genutzt wurden. Vor allem nutze er optische Tricks, wie eine dunkle Planke über mehreren bunten als Planken Einsprung zum Doppelsprung oder eine helles Element über einer bunten Mauer, um aufmerksame, konzentrierte Pferde zu belohnen. Es gab keine unfairen Klippen, Fehler gab es an jedem Sprung.
Riesenbeck soll die Revanche für Tokio werden, die Wiedergutmachung für den medaillenlosen Auftritt der deutschen Springreiter. Man wolle bei den Medaillen ein Wörtchen mitreden, formulierte Bundestrainer Otto Becker bescheiden sein Ziel. Jetzt sieht es so aus, als ob das was werden könnte. Aber es gibt ja noch vier schwere Runden, da kann sich noch vieles tun. Auch für den Favoriten dieser EM, den Schweden Peder Fredricson. Der 49-Jährige selbst bleibt zurückhaltend. „Ich glaube nicht, dass ich von Tokio viel mit nach Riesenbeck nehmen konnte“, sagt er. „Andere Formel, anderer Boden, anderes Pferd.“ Der Schimmel Catch Me Not mag nicht die katzenhafte Geschmeidigkeit von All In haben, dem vierbeinigen Tokio-Helden, der sich auf olympischem Parkett einen einzigen Abwurf leistete. Er sei nicht der Schnellste, sagte sein Reiter von dem Schimmel. Aber schnell genug für die zweitbeste Zeit am Mittwoch. Und vielleicht noch für viel mehr.
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