St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer ist nach Japan geflogen, wo momentan das Testturnier „Ready Steady Tokyo“ stattfindet. Dort ist vor allem das Wetter Thema. Denn eines steht schon jetzt fest: Die Olympischen Spielen 2020 werden eine heiße Angelegenheit!
Als die Olympischen Spiele nach Tokio vergeben wurden, zweifelte niemand daran, dass die Japaner das hinkriegen, besser als manch anderer Olympiaveranstalter vorher. Aber bei dieser Hitze in Tokio, der auch in diesem Sommer bereits mehr als 100 Menschen zum Opfer fielen, bei der keiner freiwillig vor die Tür geht, wie soll das bloß gehen? Nicht nur für die Menschen, die wissen ja, was sie tun und warum sie unbedingt bei 40 Grad Marathon laufen müssen, sondern vor allem für die Pferde. Die fragt ja keiner.
Schon 1964 war Tokio olympischer Gastgeber gewesen, aber damals traf man sich im Oktober bei gemäßigten Temperaturen. Inzwischen haben kommerzielle Interessen das Internationale Olympische Komitee (IOC) dazu bewogen, das Wohl der Sportler hintenanzustellen und die Spiele mitten im Sommer, im Juli und August, zu veranstalten. Dann, wenn das Thermometer in Japan immer wieder über 40 Grad klettert.
Wie in der Sauna
Um zu sehen, ob und wie das zu überstehen ist, richtete die FEI, wie andere Sportverbände auch, ein Testevent aus. Fürs Reiten bietet sich die Vielseitigkeit an, weil man dabei einen Probelauf für alle drei Disziplinen, Dressur, Springen und Busch, durchziehen kann.
Als ich in Hamburg losflog, dachte ich noch, wir hätten einen heißen Sommer gehabt. Aber schon als ich beim Zwischenlanden in Dubai für wenige Minuten zwischen Bus und Flieger die klimatisierte Welt verlassen musste, merkte ich, dass wir keine Ahnung haben. Zumindest wir nicht im von frischen Brisen verwöhnten Schleswig-Holstein. 45 Grad brannten vom wolkenlosen Himmel herunter. In Tokio waren es abends um halb elf zwar „nur“ noch 29 Grad, aber bei so hoher Luftfeuchtigkeit, dass man glaubte, man sei in der Sauna.
Pflichteinkauf: Sonnencreme
Außer den Gastgebern hatten Australien, Deutschland und Großbritannien Pferde und Reiter geschickt, aus vielen anderen Ländern waren Beobachter gekommen. Die Briten waren gefühlt mit einem ganzen Regiment vor Ort, auch Australier tummelten sich reichlich. „An fast jedem Hindernis sitzt ein Aussie“, verriet mir Bev Shandley, altgediente Richterin aus der Nähe von Melbourne, die im Gelände Hindernis drei, ein Ungetüm von Tisch aus dicken Holzbalken, überwachte. Sie gewährte mir nicht nur Asyl unter ihrem Sonnenschirm, sondern lieh mir auch einen Fächer und ließ mich an ihrer Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 teilhaben. Die hatte ich nämlich vergessen.
Bei jedem Reiter stoppte sie die Zeit, die er über dem Sprung benötigte. Sonst hatte sie zum Glück so gut wie nichts zu tun, es lief im Gelände alles so reibungslos wie selten. Nur eine einzige Verweigerung stand am Ende des Cross in der Ergebnisliste. Aber das war ja Sinn der Übung gewesen, getestet werden sollten vor allem die Wettkampfbedingungen und die Helfercrew, nicht Reiter und Pferde.
Kontakte knüpfen
Die Pferde waren schon ein paar Tage vor dem Event angereist. Sie sind bestens untergebracht im Equestrian Park, dem Schauplatz bereits der 64er-Spiele, aber in einer komplett neuen Anlage. Außer den Reitern Michael Jung, Peter Thomsen und Jan Matthias, waren auch FN-Sportchef Dennis Peiler, Organisationsleiter André Schoppmann, und die beiden Ärzte, Manfred Giensch für die Menschen, Matthias Niederhöfer für die Pferde dabei.
„Manni“ Giensch ist für die Reiterszene fast schon so was wie der Hausarzt, der für alle erdenklichen Wehwehchen was dabei hat und bei dem auch wir Journalisten gerne Rat suchen, wenn es zwickt oder die Nase trieft. Vor Monaten bereits hat er Kontakt zu verschiedenen Krankenhäusern und Spezialisten in Tokio aufgenommen, vom Zahnarzt bis zum Psychologen, jetzt nutzte er die Gelegenheit, einige von ihnen persönlich zu treffen. „Dann kennen sie mich und ich kann sie bei Bedarf zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen“, sagt er.
In Tokio wurde er zunächst von Jan Matthias benötig, der hatte sich in den eisgekühlten Ställen nämlich einen gehörigen Schnupfen eingefangen. 18 Grad waren es anfangs gewesen, dann wurde die Temperatur langsam auf 23 Grad gesteigert. Das war für alle bekömmlicher und die Differenz zur Außentemperatur war nicht mehr so krass. Die Ställe, moderne Bauten im schlichten, gleichwohl stilvollen Design, wurden einstimmig in den höchsten Tönen gelobt. Große Boxen (der deutschen Firma Röwer und Rüb), hohe Decken, rutschfester Boden auf den Stallgassen.
„Die sind hier weiter als in Tryon“
Auch die Turnieranlage selbst, räumlich begrenzt, weil mitten in der 38-Millionenstadt Tokio gelegen, ließ wenig Wünsche offen. Der Boden fast perfekt, („Vielleicht im Moment noch ein bisschen hart durch das viele Walzen“, sagte Michael Jung), die Tribünen noch im Bau. „Aber die sind hier weiter als in Tryon an dem Tag, an dem wir ankamen“, sagt Dennis Peiler. Vor einem Jahr bei den Weltreiterspielen in North Carolina wurden er und seine Reiter quasi auf einer Baustelle willkommen geheißen. Hier zweifelt niemand, dass in einem Jahr hier alles perfekt sein wird.
Für die Geländeprüfung wurden die Pferde in den anderthalb Autostunden entfernten Sea Forest Park gefahren, eine Halbinsel vor der Stadt, mit hügeligem, nicht sehr weitläufigen Gelände. Der Geländekurs wurde völlig neu angelegt.
Für die Pferde wird alles Erdenkliche getan, um sie vor den Folgen der Hitze zu schützen. Alle medizinischen Werte werden lückenlos überwacht. „In Deutschland machen wir das für die Kader-Vielseitigkeitspferde schon seit zehn Jahren“, sagt FN-Tierärztin Caroline von Reitzenstein, „jetzt fangen wir auch mit den Spring- und Dressurpferden an.“ Ein Tracker, der die Geschwindigkeit misst, ist in die Satteldecke eingebaut, ein Herzfrequenzzähler direkt unter dem Gurt befestigt.
Kaum war in Tokio ein deutsches Pferd am Ziel angekommen, der Reiter abgesessen, stand Caroline schon mit dem Thermometer bereit. Die Prozedur wurde zehn Minuten später wiederholt. Ähnliche Messungen führten alle Nationen durch, am Ende sollen die Ergebnisse in einem FEI-Projekt zusammen geführt werden. Ziel in Kombination mit einem Trainingstagebuch: Erkenntnisse über Belastungen und mögliche Überlastungen. „Und dem Reiter ein Gefühl zu geben, wie viel er von seinem Pferd verlangen kann“, sagt Caroline v. Reitzenstein.
Fast wie Urlaub
Ein Gefühl einte alle Reiter in Tokio: Die Pferde vertragen die Hitze besser als die Menschen. „Natürlich schwitzen sie, das tun wir auch“, sagt Michi Jung. „Aber es sind ja schließlich Athleten, Hochleistungspferde.“ Auch er selbst hatte keine Probleme: „Ich hab ja nur ein Pferd dabei, da kann man es ruhig angehen lassen. Wenn ich wie zu Hause vier oder fünf reiten müsste, sähe das vielleicht anders aus.“ So sieht es auch der 22-jährige Jan Matthias, Angestellter im Stall von Peter Thomsen. Er schlug sich mit dem nervigen Granulin beachtlich. „Anstrengend? Eher nicht, zu Hause reite ich acht Pferde.“ Sein Chef Peter Thomsen war froh, dass er in diesem Sommer auch bei heißem Wetter trainieren konnte. „Aber mit der Luftfeuchtigkeit ist das noch was anderes“, sagt er.
Urlaub mit Reiten machte der britische Routinier William Fox-Pitt, der es mit dem Nachwuchsschimmel Summer at Fernhill ruhig angehen ließ. Er nutzte mit seiner Frau Alice und den Söhnen Oliver und Tom die Tage, um sich in Tokio umzusehen. „Nächstes Jahr hat man dafür überhaupt keine Zeit, da geht es nur zwischen Olympischem Dorf und Reitstadion hin und her“. Auch er lobte alles, was er sah. Nur der langgezogene Hügel, mit dem der Parcourschef Derek di Grazia gleich zu Beginn der Strecke die Kondition testete, auf den kann er im nächsten Jahr verzichten. „Den sollte er vielleicht weglassen“, sagt Fox-Pitt.
Auch wenn die Strecke jetzt ganz anders verlief als im kommenden Jahr: ein Kurs zum Galoppieren wird das nicht. Dazu müssen zu viele Wendungen und Zirkel eingebaut werden, um auf die erforderliche Länge von ca 6000 Meter zu kommen. Wenn nicht doch verkürzt wird.
Aber eines wird gleich sein: der Weg, den die Pferde vom Turnier- zum Geländeplatz im Transporter hinter sich bringen müssen. Auch dieser Ablauf sollte beim Testevent überprüft werden. Ergebnis: Hat reibungslos funktioniert!
Wegen der glühenden Hitze, gegen die am Ende alle freundlich dargebotenen Wasserflaschen, alle Erfrischungstücher, die der britische Pressechef Merrick von Revolution Sports für Interviewte und Interviewer stets bereit hielt, nicht allzuviel ausrichten können. Dabei war es in diesem Jahr noch untypisch frisch, wenigstens morgens. Da fielen ein paar Regentropfen und die Helfer eilten unverzüglich mit Regenjacken herbei. „Das Wetter ist, wie es ist, ändern kann man eh nichts daran“, sagte Michi Jung, Profi und ein bisschen auch ein Philosoph.men’s jordan 1 release date | is factory outlet authentic
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