Vor dem Start zeigten sich die deutschen Dressur- und Springreiter aufgeräumt und zu kleinen Seitenhieben aufgelegt.
Vorher geht noch alles, die Witze, die großen Pläne, die kleinen Seitenhiebe. Im dänischen Herning, nein nicht in Hering, auch nicht in Herne-Eickel , wie Nachrücker Ludger Beerbaum seine Wertschätzung der Europameisterschaften Springen und Dressur ausdrückte, sondern in Herning ist das Wohnzimner des FC Midtjylland bestens gerüstet für das kommende Wochenende. Hier kickten am Freitag noch die Mittjylländer, die, darf man Experten glauben, so was wie der dänische FC Bayern sind. Der Sand sei noch ein bisschen weich, aber die Hufe von mehr als 100 Pferden hätten ihn schon fest getrampelt, verkündete Isabell Werth fröhlich. Selten sah man die Multi-Olympionikin, die ihren elften Europameisterschaften entgegensieht, so aufgeräumt, ihr Pferd Don Johnson sei jetzt da, wo ich letztes Jahr schon sein wollte. Sozusagen lieber spät als nie.
Mit besonderem Vergnügen nehmen es die Dressurreiter zur Kenntnis, dass sie hier die erste Geige spielen, ihrem Endkampf, der Kür, gehört der Sonntag. Und zum Unmut der Springreiter sind sie es, die diesmal früh aufstehen müssen. Wobei viertel vor neun, dann beginnt morgen die erste Nationenpreisrunde, ja noch nicht wirklich eine nachtschlafende Zeit ist. Aber irgendwie gehts ja auch ums Prinzip. Die Springreiter sind einfach ein bisschen empfindlicher, findet Isabell Werth. Dressur hat in Dänemark halt einen höheren Stellenwert, gilt als sicherer Medaillenkandidat, anders als die Springreiter, die es immer nur zu Zufallserfolgen gebracht haben. Als erster geht in einer Stunde Ludger Beerbaum auf Chiara für das deutsche Team ins Zeitspringen, Fallobst zuerst, sagte er. Humor ist schließlich, wenn man auch über sich selber lachen kann.
Gar keinen Grund zum Lachen fand Marcus Ehning, unter den Top Ten der Weltrangliste und trotzdem nicht im Team, das ist schon bitter. Und das versuchte er auch nicht zu verbergen: Ich bin wirklich sehr enttäuscht, sagte er. Als Ersatzmann kann er mit Plot Blue wenigstens die Randspringen reiten.
Der einzige Debütant im deutschen Team, Daniel Deußer, hielt sich bedeckt, als er nach seinem Verhältnis zum deutschen Reiterverband gefragt wurde. Das ist nämlich nicht ohne Brisanz. Vor sechs Jahren wurde er wegen Medikationsvergehen für acht Jahre gesperrt, das FEI-Verfahren wegen Formfehler später eingestellt. Jetzt verlangt der damalige Arbeitgeber von Deußer, Jan Tops, von der FN eine saftige Entschädigung für entgangene Gewinngelder, hochgerechnet versteht sich. Informierte Kreise reden von knapp 130.000 Euro, das Gericht har 20.000 Euro als Vergleich angeboten. Hohnlachen Tops. Bei der Verhandlung letzte Woche hat der Richter die Parteien aufgefordert, nochmal in sich zu gehen. Das kann noch Jahre dauern, ist die Ansicht des FN-Justitiars Wann. Feststeht, dass die FN beim jetzigen belgischen Arbeitgeber Deußers offenbar mehr Vertrauen in eine ordnungsgemäße Stallführung hat. Ich würde heute vieles anders machen, sagte der Deutsche Meister und dabei kann man sich ja alles mögliche denken.
Die Dressurreiter, die morgen mit dem Grand Prix beginnen, wittern eine reelle Chance, den 2005 zuletzt gewonnenen Titel zurückzuerobern. Die beiden Olympia-Silberpferde Damon Hill und Desperados von Helen Langehanenberg und Kristian Sprehe hätten sich fabelhaft weiterentwickelt, versicherten die Reiterinnen. Wir reiten auf Attacke gab Equipechef Klaus Roeser die Parole aus. Als er gefragt wurde, wo man denn die Siegesfeier steigen lassen wolle, schien er mal wieder auf eine Zitrone gebissen zu haben. Erstmal müssen wir reiten. Ist halt ’ne echte Frohnatur, der Mann.
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