Was ist außer gutem Reiten im Trend? In Frankfurt lautete
die Antwort: tanzende Richter, Kappen für Dressurreiter und ein großer
Spaßfaktor – quasi aus dem Hut gezaubert…
Wer in Frankfurt alles mitkriegen will, muss ein Frühaufsteher und ein Nachtschwärmer in Personalunion sein: 50 Prüfungen verteilen sich auf vier Tage, von morgens sieben bis abends 23 Uhr reiht sich eine Prüfung an die andere, Springen und Dressur, aber auch etliche Showeinlagen im Wechsel da strömen nachts um 22 Uhr vier Jagdreiter mit 50 Hunden durch den schmalen Einritt, da donnern Kutschen durch die Halle, und auch strubbelige Shettys fürs Herz dürfen nicht fehlen. Daneben natürlich die Hauptpersonen, die Sportler. So ein Turnier ist ein Genuss, keine Frage – aber klug ist der, der sich zur rechten Zeit eine Auszeit gönnt…
Der eine oder andere Richter hatte seine Auszeit am Freitag abend, als anlässlich des Weltcupfinales der Jungen Reiter ins Hotel Hessischer Hof geladen wurde nicht ohne vorherigen feierlichen Auftakt in Frankfurts Prachtbau, den Römer, einem jahrhundertealten Bauwerk, das seit dem 15. Jahrhundert als Rathaus der Stadt fungiert. Danach also ab zum Schlemmen in den Hessischen Hof. Eine vierköpfige Sänger-Combo sorgte bei feinen Speisen für ausgelassene Stimmung, und irgendwann war die Zeit gekommen für den Chefrichter dieser Weltcup-Prüfung für Junge Reiter, Gustav Svalling, sich auf schwedisch beim Veranstalter und den Sponsoren zu bedanken. Auf schwedisch bedeutete: Alle rund 80 geladenen Gäste mussten auf ihre Stühle steigen und eine Fußspitze auf den Tisch stellen… und danke rufen. Besonders für die Damen im kleinen Schwarzen genauer gesagt für die Nähte des kleinen Schwarzen – war diese Aufforderung eine echte Herausforderung, aber man nahm es mit Humor. Die Combo setzte später noch einen drauf, deren Sängerin röhrte simply the best ins Mikrofon und nicht nur die jungen Reiterinnen, sondern auch die eine oder andere Richterin kickte ihren Stuhl für ein kleines Tänzchen beiseite…
Viel geredet wurde in Frankfurt auch über das Reiten mit Kappe, denn Deutschlands Vorzeige-Ikone Isabell Werth präsentierte in Frankfurt erstmals einen neu entwickelten Dressur-Reithelm von uvex. Im Burgpokal farblich abgestimmt auf das Revers von ihrem Frack, ein bronzener Helm, im Weltcup schlicht und schwarz. Ein ungewohntes Bild, und wenn auch noch vereinzelt, finden sich doch immer mehr Dressurreiter, die sich trauen, auch in hohen Prüfungen eine unfallverhütende Kappe statt eines kleidsamen Zylinders zu tragen. In Frankfurt etwa ritt auch die Dänin Lone Jörgensen mit Kopfschutz, beim Abreiten entschied sich auch die Siegerin des Junge Reiter-Weltcupfinales, Sanneke Rothenberger, für die Kappe nur in der Prüfung setzte sie auf den altbewährten Zylinder. Ab Januar 2012 wird die Kappe ohnehin für alle Reiter unter 18 Jahren beim Abreiten und in der Prüfung zur Pflicht gemacht und auf internationalen Championaten gilt die Regel, dass jeder Reiter auf dem Abreiteplatz eine Kappe tragen muss im Viereck (noch) nicht. Wird spannend, was den Zuschauer in London so an Kopfschmuck erwartet…
Wer sich am Samstag abend keine Auszeit gönnte, sondern sein Sitzfleisch einer vorherigen zwölfstündigen Prüfung unterzog, konnte live miterleben, wie Dressurreiter Begeisterung im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Hut zaubern: Mit drei improvisierten Küren der drei Erstplatzierten des Burgpokalfinales. Carola Koppelmann strahlte glücklich zu den Klängen einer musikalischen Liebeserklärung (natürlich vom Band) an ihr Pferd Desperado, Isabell Werth brillierte auf Flatley mit kreativer Linienführung, zeigte viel Mut zum Risiko und sorgte für reichlich Szenenapplaus mit ihren einhändig gerittenen halben Pirouetten (denen natürlich, wir kennen das von ihr, ein starker Galopp vorausging), bei denen sie wie zufällig auch noch kurz überstrich. Richtig von den Bänken riss es dann die Gäste in der festlich geschmückten Halle, als Oliver Oelrich mit Rock Forever einritt. Was ist noch mal wichtig in einer Kür: Stärken hervorheben, genau. Und das Publikum auf seine Seite bringen. Beides gelang Oelrich mit viel Charme. Von dem enormen Bewegungspotenzial im Trab konnte der Reiter selbst kaum genug bekommen und zwischenzeitlich keimte die Sorge auf, er würde die Galopptour in seiner Kür ganz unter den Tisch fallen lassen. Weit gefehlt auch er konnte starken Galopp mit anschließender halben Pirouette, und die nicht so optimale Feinabstimmung in diesen schweren Lektionen machte der 39-Jährige mit einem strahlenden Lächeln und seiner Melonen-Show wieder wett. Die wurde unentwegt in jeder Gangart begeistert gezückt und in Richtung Publikum geschwenkt, was solls, man kann auch einhändig weiterreiten. So mancher Zuschauer hatte am Ende Tränen in den Augen vor Lachen, wenn die Melone erneut in die Höhe gerissen wurde. Als Dank für seine mitreißende Vorstellung gab es vom Publikum standing ovations und so manch einer hatte vielleicht gehofft, Oelrich würde sich noch dazu hinreißen lassen, die Melone in die Menge zu werfen. Doch wer weiß, vielleicht hat er noch keine Kappe im Schrank und muss bei seinem nächsten Start mit Rock Forever in Münster im Januar 2012 den Hut noch mal aufsetzen…
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