Das nicht unbedingt, aber viele Pferde sind bis weit in ihr zweites Lebensjahrzehnt zu Höchstleistungen fähig und manche gehören auch noch mit 25 nicht zum alten Eisen. Der Reiter muss wissen, ob sein Pferd noch Lust auf den Sport hat. Und gut zuhören können.
Man ist so alt, wie man sich fühlt, heißt es ja so schön. Das gilt nicht nur für uns Menschen, sondern auch für unsere Pferde, aber leider können sie es uns nicht mit Worten sagen, sondern wir müssen es erfühlen. „Dalera sagt mir, wenn es soweit ist“, sagt Olympiasiegerin und Europameisterin Jessica von Bredow-Werndl. „Sie wird mir auch sagen, wie es nach Paris weiter geht.“ Bei den Olympischen Spielen im nächsten Jahr ist die Trakehnerstute 17 Jahre, genauso alt wie Gigolo von Isabell Werth und Bonfire von Anky van Grunsven, als sie im Jahre 2000 in Sydney um Gold und Silber konkurrierten, damals die beiden besten Dressurpferde der Welt. „Deswegen schließe ich auch nicht aus, bis Anfang 2025 zu planen. Aktuell wäre Dalera ,not amused‘, wenn ich sie in den Ruhestand schicken würde,“ ist sich Jessica sicher. Das klingt gut, weniger als zwölf Monate vor dem olympischen Auftritt, bei dem es nochmal um alles geht: Um zweimal Gold und darum, ob es gelingt, die jüngere Konkurrenz, als da sind Glamourdale von Lotti Fry und Imhotep von Charlotte Dujardin in Schach zu halten.
Ältere Pferde bringen Erfahrung, ja eine gewisse Weisheit mit und oft auch Gelassenheit, die den jüngeren noch abgeht. Sie schielen nicht mehr zu jeder Fernsehkamera und müssen nicht stundenlang abgeritten werden, das spart Kraft und Nerven. Wobei es natürlich auch da Ausnahmen gibt. Für Dalera reichen zehn Minuten, sagt Bundestrainerin Monica Theodorescu. Es entsteht freilich zuweilen der Eindruck, dass die Dressur-Jury „junges Blut“ bevorzugt, bewusst oder unbewusst. Anders kann man sich nicht erklären, dass manchmal ältere Pferde nicht mehr die Noten bekommen wie in früheren Jahren, dass ihre Schwächen stärker geahndet und ihre Stärken nicht mehr so hoch benotet werden.
Insgesamt sind die Pferde im Spitzensport heute älter als früher, was dafür spricht, dass sie behutsamer vorbereitet, gezielter eingesetzt oder von Natur her mit stabilerer Gesundheit, sprich Konstitution ausgestattet sind.
Der Hannoveraner Ferdl war sechs Jahre alt, als er unter Alwin Schockemöhle 1960 zum Olympiasieg der deutschen Springreiter in Rom beitrug, das wäre heute nicht mehr möglich. Es war früher eben doch nicht alles besser.
Die Turnierkarriere eines Reitpferdes ist heute in gewisse Altersgrenzen eingebunden. Zwar gibt es immer noch dreijährige Reitpferde beim Bundeschampionat, aber die Kritik wird in jedem Jahr lauter und wird vielleicht doch eines Tages erhört, wenn mal wieder von Social License die Rede ist. In den drei olympischen Disziplinen Springen, Dressur, Vielseitigkeit gehen die Fünf- und Sechsjährigen erst Bundeschampionat, dann Weltmeisterschaften der jungen Pferde. Auch den Sieben- und Achtjährigen wurden noch Schutzräume eingerichtet, mit eigenen Prüfungen für ihre Altersklassen, etwa die Youngsters-Springen bei vielen großen Turnieren.
In der Dressur bereitet der Nürnberger Burgpokal, vor 30 Jahren ins Leben gerufen, die sieben- bis neun-jährigen Dressurpferde auf eine internationale Karriere vor. Die deutschen Olympiapferde Weihegold, Elvis, Bonaparte und Chacomo sind diesen Weg gegangen. Der Louisdor-Preis für acht- bis zehnjährige Dressurpferde führt zum Grand Prix vor, hier haben sich die späteren Olympiapferde Dablino, Weihegold und eben die derzeitige Nummer eins, Dalera profiliert.
Zwanzigjähriges Pferd brilliert bei Weltreiterspielen
Erst Neunjährige gelten als reif genug für den Sport der „erwachsenen“ Pferde. Dort sind sie dann immer noch jung, wie Zineday, ein Hochbegabter im Parcours, mit dem Philipp Weishaupt in Mailand Vize-Europameister wurde, mit Abstand das erfolgreichste der fünf neunjährigen Pferde im Feld. Mit 15 Jahren das älteste Pferd der 85 Starter in Mailand war der von dem Belgier Wilm Vermeir gerittene Iq van het Steentje (BWP).
Der 18-jährige Willy Hit der Ungarin Nikolett Szalai war das älteste Pferd der Dressur-EM in Riesenbeck, kam aber über Platz 57 nicht hinaus. Die beiden 16-Jährigen, Dalera und der für Schweden antretende Dante Weltino, behaupteten sich hingegen im Spitzenfeld der 69 Starter, was keinem der drei Neunjährigen gelang.
Bei der Vielseitigkeits-EM in Haras du Pin dominierten wie in Mailand und Riesenbeck die Pferde zwischen zehn und 14, nur zwei Neunjährige gingen auf den Cross. Der Älteste, der 18-jährige Fletcha (BWP) beendete zwar das Gelände, trat aber nicht mehr zum Springen an. Bei den Weltreiterspielen 2006 in Aachen sorgte ein Oldie für Aufsehen: der 20-jährige Vollblüter Glengarrick lieferte unter Heelan Tomkins das beste Ergebnis der neuseeländischen Mannschaft, niemand konnte sich daran erinnern, dass es sowas schon mal gegeben hat, ausgerechnet in der Disziplin, die als die härteste der drei Olympiadisziplinen gilt.
Nicht das Geburtsjahr auf dem Pferdepass entscheidet, was ein Pferd zu leisten imstande ist, sondern der Reiter, der auch ohne Worte fühlt, wie der vierbeinige Partner drauf ist, ob er noch Lust hat oder nicht. Ich werde das Bild des vierfachen Olympiasiegers Rembrandt nicht vergessen, der noch einmal 1996 in Atlanta als 19-Jähriger ins Olympiaviereck musste, nachdem sich die Reiterin über das Sportgericht CAS einen Start ertrotzt hatte. Er war nur noch ein Schatten seines einst so strahlenden Selbst. Seine Reiterin hatte offenbar die Stimme ihres Pferdes überhört. Das hatte Rembrandt nicht verdient und sowas will kein Mensch sehen.
Lenamore war in London doch auch 20 und sicherlich kein Schatten seiner selbst. 😉
Dieser Name ist mir auch sofort eingefallen. Gezüchtet übrigens von Helen und Ted Walsh in Irland, den Eltern von Ruby Walsh, dem erfolgreichsten Hindernisjockey aller Zeiten, und Kate Walsh, ebenfalls in Hindernisrennen erfolgreich und erste Reiterin von Lenamore in Vielseitigkeitsprüfungen.
Zack ist 19 auch noch in Schuss, Kaiserkult TSF lief 2018 bei uns auf dem Turnier mit damals Azubi von DS S-DRessuren, der war supifit und sah gut aus.
Kommt immer drauf an.
Ob ein Pferd im Alter noch zu Höchstleistungen fähig ist, hängt von vielen Faktoren ab: Genetik, Rasse, wie sorgsam der Aufbau im Jungpferdealter gemacht wurde, Haltungsbedingungen, Verstand des Besitzers, sein Wissen und Können, artgerechter Umgang etc.
Nach der Sportkarriere gibt es noch viele Möglichkeiten das Pferd sinnvoll zu nutzen. Es hätte einen schönen Lebensabend verdient. Man muss manchmal den Blickwinkel ändern können.