Jung, Auffarth, Klimke & Co. – die vielseitigsten Könner im Sattel

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Baminton-Siegerin Jonelle Price reitet sogar mit ihren Buschpferden CSI4*-Springen, Michael Jung räumt in Wiesbaden ab, Sandra Auffarth ist Berufsreiterchampionesse im Parcours und Ingrid Klimke tauscht regelmäßig die Sicherheitsweste gegen Frack und Zylinder – Gabriele Pochhammer über die Alleskönner im Pferdesport.

Es war ja lange Mode bei Spring- und Dressurreitern, die Kollegen aus dem Busch ein bisschen zu belächeln. Halt die, die nichts richtig können. Wer es woanders nicht schafft, reitet eben querbeet. Da passen dann auch die Pferde hin, die für keine andere Disziplin taugen. Doch das herablassende Lächeln dürfte allmählich gefrieren.

Denn die deutschen Vielseitigkeitsreiter waren bei den vergangenen drei Olympischen Spielen die unterm Strich erfolgreichste Pferdesportdisziplin: Doppelgold in Hongkong 2008 und London 2012, Einzelgold und Teamsilber in Rio 2016, plus zahlreiche WM- und EM-Titel – davon können vor allem die Springreiter nur träumen.

Konkurrenz aus dem Busch für die Spezialisten

Erst am Pfingstwochenende in Wiesbaden haben Vielseitigkeitsreiter erneut gezeigt, dass unter ihnen wahre Alleskönner sind, die, wie der Name sagt, eben alles können, und auch in den oberen Etagen den Vergleich mit den Spezialisten nicht zu fürchten brauchen. Das Paradebeispiel in Wiesbaden war Michael Jung: vier Siege gegen Topreiter der Weltrangliste, die Schleifen hätte sich mancher Konkurrent auch gerne in den LKW gehängt.

Nun wird niemand leugnen, dass Michael Jung ein Ausnahmetalent ist, das geben sogar die Eventing-verrückten Briten zu, die doch insgeheim glauben, sie seien immer noch die Könige im Cross. Ich bin sicher, mit entsprechenden Pferden wäre Jung auch bald im Springen unter den Top Ten, er reitet Dressur-Grand Prix und ich hätte ihn zu gerne auf Totilas gesehen. Ich glaube, uns und dem Pferd wäre manches Drama erspart geblieben.

Natürlich muss auch Michi Jung entsprechend beritten sein und ein Pferd wie Sam wird nicht alle Tage geboren. Dieser Sam war von den Tierärzten bereits als herzkrank gebrandmarkt und galoppierte vor vier Wochen in Badminton mit 18 Jahren durch den schwersten Kurs der Welt, als sei’s eine Geländepferdeprüfung.

Kongeniales Team

Aber ein Michi Jung alleine macht noch kein Goldteam, und da war es eine glückliche Fügung, dass mit Ingrid Klimke und Sandra Auffarth zwei kongeniale Kolleginnen in den letzten Jahren mit im Boot waren und hoffentlich noch lange sind. Ein Traum für das Trainerduo Hans Melzer und Chris Bartle, das es ja so nicht mehr gibt, weil Bartle jetzt seine Landsleute aus Großbritannien trainiert.

Was die Weltmeisterin Sandra Auffahrt kann, außer querbeet zu galoppieren, zeigt sie an vielen Wochenenden von der großen Öffentlichkeit oft unbemerkt. Zahlreiche Siege und Platzierungen in Springen bis zu Drei-Sterne-Niveau sprechen für sich. Und nur wer das nicht weiß, konnte sich über den sensationellen dritten Platz beim Hamburger Spring-Derby wundern. Nur eine reiterliche Fehlentscheidung im Stechen kostete letztlich den Derbysieg. Außerdem wurde sie wenige Tage zuvor Berufsreiterchampionesse der Springreiter in Bad Oeynhausen.

Ingrid Klimke ist die Dritte im Bund der erfolgreichen Buschis, die im vergangenen Herbst bei der EM in Strzegom ihren ersten Einzeltitel gewann. Sie ist die beste Reiterin Deutschlands, legt man die Einteilung in Leistungsklassen zugrunde: Klasse 1 in Dressur und Vielseitigkeit, Klasse 2 im Springen. Das macht ihr zur Zeit niemand nach, nicht mal Michi Jung (LK 1 in Springen und Vielseitigkeit, LK 3 in Dressur). Und das ist auch mehr als ihr berühmter Vater Reiner Klimke je erreichte. Er nahm 1960 in Rom an der olympischen Vielseitigkeit mit Winzerin teil, gewann 1984 olympisches Dressurgold Einzel und mit der Mannschaft und hat auf dem Viereck so ziemlich alles gewonnen, was es gab. Er war lange der erfolgreichste Olympiareiter aller Zeiten mit sechs Goldmedaillen, bis ihn in Rio Isabell Werth überholte, da zu deren sechster Goldmedaille auch noch vier Silbermedaillen kommen.

Aus dem Busch in die Weltspitze

So wie Klimke haben viele Topreiter ihre Karriere einst im Busch begonnen, etwa Hans Günter Winkler, der sogar für die olympische Vielseitigkeit in Helsinki 1952 qualifiziert war und dessen spätere Wunderstute Halla, die zu Beginn ihrer Karriere als „nervige Ziege“ galt, ebenfalls erstmal ins Gelände geschickt wurde.

Fritz Ligges, zwei Vielseitigkeits-Bronzemedaillen in Tokio 1964, Teamolympiasieger im Springen 1972, ist ein weiteres Beispiel, auch der zweifache Springderbysieger Achaz von Buchwaldt.

Sie haben dann in die Sparte gewechselt, in der es mehr zu gewinnen gibt, in der man öfter an den Start gehen kann und schneller zum Star wird als im Busch. Aber sie alle haben beim Geländereiten gelernt, was den guten „Buschi“ auszeichnet und auch im Parcours gebraucht wird: Balance, mutiges Vorwärtsgaloppieren, vorausschauendes Reiten, schnelle Entscheidungsfreude.

Umgekehrte Disziplinwechsel sind übrigens – zumindest auf höherer Ebene – seltener, da fallen mir nur zwei spanische Reiter ein, die vom Parcours in den Busch wechselten. Aber im Unterschied zu allen anderen, haben Jung, Auffarth und Klimke nicht gewählt zwischen den Disziplinen, sie halten sich alle Optionen offen. Hoffentlich noch lange.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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