365 Tage vor der Europameisterschaft in Luhmühlen trafen sich Stars von gestern und heute im Meßmer Momentum.
Ein bisschen war es wie beim Klassentreffen. Viel Gekicher und Weißt Du noch?, beim High Tea in der Hamburger Hafencity im Meßmer Momentum, einem kapitalen Neubau. Viel Glas und Stahl wie alles in diesem aus dem Boden gestampften Stadtteil. Eingeladen hatte die Turniergesellschaft Luhmühlen, der Anlass: Genau in einem Jahr, am 25. August 2011, startet in der Westergellerser Heide die Europameisterschaft der Vielseitigkeitsreiter. Grund genug, mit den Recken vergangener Tage und den Akteuren von heute anzustoßen. Von die Inseln waren die britischen Vielseitigkeitsladies Lucinda Green und Virginia Elliott eingeflogen, beide einst Welt- und/oder Europachampionessen in Luhmühlen. Aus Warendorf war Bettina Hoy gekommen, die in Luhmühlen bei der Weltmeisterschaft 1982 als 20-Jährige ihre internationale Karriere begonnen hatte, unvergessen mit ihrem rosa Kappenüberzug auf dem Weltpferd Peace Time. Es war erst die vierte schwere Prüfung für Reiter und Pferd, Bettina musste kiloweise Blei mitschleppen, um die damals geforderten 75 Kilo zu erreichen und konnte den Sattel, mit dem sie auf die Waage klettern musste, kaum wuppen. Von Luhmühlen erinnerte sie sich vor allem an die Massen von Menschen, so was hatten weder sie noch ihr Pferd jemals gesehen. Zwei Jahre später ritt Bettina, damals noch Overesch, für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Los Ageles und gewann Mannschaftsbronze. Unvergesslich die Tage im Olympischen Dorf, wo ja die Vielseitigkeitsreiter als einzige wohnten, Spring-und Dressurreiter hatten sich anderswo Luxusquartiere gesucht. Claus Erhorn und ich haben auf der Bank gesessen und auf einmal joggten Edwin Moses und Carl Lewis an uns vorbei, die Leichtahtletik Stars. Das waren vielleicht Bodies, da guckte man gerne zweimal hin, auch dreimal.
Viele Jahre später wurde Bettina dann im britischen Burghley Europameisterin auf dem Schimmel Watermill Stream. Natürlich war auch Claus Erhorn zum Kick off nach Hamburg gekommen, Luhmühlener Inventar, EM-Dritter von 1987.
Vor der Plauderrunde wurde getestet, mehr als 20 Sorten Tee der Häuser Messmer und Milford. Was für Profis, die Bitteres lieben. Milford-Chef Michael Spethmann, langjähriger Luhmühlen-Sponsor, nach dessen Tee in Luhmühlen ja auch ein Hindernis, der Milford-Teich benannt ist, hatte eingeladen. Übrigens: 70 Prozent des in Europa eingeführten Tees kommt in Hamburg an. Deswegen also der Prachtbau.
Dann waren die alten Zeiten an der Reihe. Als Ginny damals noch Leng, sich in Badminton 1988 bei einem Sturz das Bein brach, was auf dem Röntgenbild nicht zu erkennen war. Statt Gips Kältespray, damit rettete sie sich über den Sommer und die Olympischen Spiele in Seoul. Erst danach kam sie auf die Idee, das Bein doch noch mal aus anderem Winkel röntgen zu lassen. Es folgten OP und Gips. Lieber im Winter als im Sommer sagte Virginia Leng. Heute trainiert die Weltmeisterin und dreifache Europameisterin die irischen Buschreiter. Als wir in Luhmühlen in diesem Jahr die Deutschen Reiter auf dem Dressurviereck sahen, musste ich an meine Reiter Taschentücher verteilen, so beeindruckt waren sie. Das britische Understatement besteht halt manchmal auch aus maßloser Übertreibung.
In puncto Dressur ging den deutschen Reitern immer ein Riesenruf voraus. Aber wir dachten, lass sie ruhig, wir holen sie im Gelände wieder ein, sagte Lucinda Green. Und dann mussten wir eines Tages feststellen, dass sie im Gelände auch so gut sind wie wir. Das war ein Schock.
Es war der Abend der Nettigkeiten. Und dann gab es da diesen phantastisch aussehenden Reiter, Karl Schultz hieß der. Er hatte ein Auge auf eine von uns geworfen, ich sag jetzt man nicht auf wen. Jedenfalls klopfte es nachts auf einmal am Fenster unsres Hotels. Karl Schultz, Olympiadritter von 1976, wurde dann von Sicherheitsbeamten weggeführt. Ihre Aufgabe war es, die damals aktiv buschreitende Prinzessin Anne zu bewachen.
Beide Amazonen weinten ein bisschen dem alten Format mit Rennbahn und Wegestrecken hinterher. Meine Mutter stand immer am Anfang der Wegestrecke und gab mir schnell eine Zigarette für den Weg, erinnert sich Ginny Elliott. Lucinda Green vermisst nicht die Wegestrecken, aber die Rennbahn. Hier lernten die Pferde, aus hohem Tempo zu springen, das halte ich für sehr wichtig.
Ginny Elliott wird in Kentucky mit den Iren dabei sein, Bettina Hoy bleibt zu Hause, einmal weil ihr Pferd Lanfranco frühestens im nächsten Jahr championatsreif ist. Dann könnte es klappen, denn es dürfen zwölf Deutsche starten. Aber auch als Dressurtrainerin von Badminton-Sieger Paul Tapner fährt sie nicht mit, das würde der australische Equipechef wohl nicht gerne sehen, wenn ich da Unterricht gebe. In Schenefeld wurde sie im CNC*** Zweite. Hier wurde die dringend notwendige bessere Ausstattung und Ausbildung der Notärzte in Geländeprüfungen diskutiert. Manchmal ist es ein dem Verein verbundener Gynäkologe oder Schönheitschirurg der sich um einen gestürzten Reiter bemüht. Das muss nicht schlecht sein, sagt Bettina, als sich mein Mann Andrew mal die Nase gebrochen hatte, geriet er auch ein einen Schönheitschirurgen. Der fragte mich, wie ich die Nase haben wollte, ich sagte, egal, solange sie nicht so wird wie von Andrew Nicholson. Zur Erklärung: Der charmante Neuseeländer sieht ein bisschen aus, als ob er mal mit einem Preisboxer aneinandergeraten wäre.
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