Lipizzaner, Trakehner und Co. – Unsterbliche Kulturzeugen

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Wie ein Ritterschlag ist der Titel „Immaterielles UNESCO Kulturerbe“, den seit einigen Monaten für Deutschland die Trakehner Zucht trägt, als erste deutsche Pferderasse. In einem nächsten Schritt könnten die Pferde, deren Markenzeichen lange die Elchschaufel war, zum Weltkulturerbe erklärt werden. Der Weg ist lang, aber nicht aussichtslos. Und er lohnt sich.

Am Anfang stand mal die Idee, dass kulturell wertvolle Bauwerke, Kirchen, aber auch säkulare Bauten, die die Kultur der Menschheit in besonderer Weise verkörpern, durch das Prädikat „UNESCO Weltkulturerbe“ benannt und geschützt werden sollen. Dahinter verbarg sich unter anderem die Hoffnung, dass diese Zeugen menschlicher Baukunst in Kriegen verschont würden. Diese Hoffnung ist längst zerstoben, in jüngster Zeit durch die rücksichtslose Vernichtung uralter Kultstätten durch den IS und anderer Barbaren und durch Bombardements ukrainischer Kulturstätten, allesamt ohne jegliche militärische Bedeutung. Die UNESCO-Liste wird alle zwei Jahre verlängert. Auf ihr stehen auch zwei Gestüte, das tschechische Kladrub, wo seit dem 14. Jahrhundert Kladruber, die Pferde mit der markanten Ramsnase, gezüchtet werden, früher für die Marställe der Königshöfe, heute beliebt als statiöse Karossiers und Freizeitpferde. Geschützt sind nicht nur die historischen Bauten in Kladrub, sondern auch die weite offene Weidelandschaft, die in Jahrhunderten durch die Pferdehaltung geprägt wurde.

Lipizzaner erste Pferderasse als Immaterielles Weltkulturerbe

Fast genauso umfangreich ist inzwischen die Liste der „Immateriellen Kulturgüter“, die man zum Glück nicht bombardieren, aber sehr wohl ausrotten, vergessen oder verfälschen kann. Da findet sich vieles, von dem man nichts wusste, der Karneval in den verschiedensten Ländern, die Kunst, sich mit Pfiffen auf zwei Fingern zu verständigen wie in La Gomera, oder ein Ritual, Jungen mit diversen Salben zur Manneskraft und damit zu gesellschaftlichem Ansehen zu verhelfen wie in Uganda. Aber auch das französische Baguette und der südamerikanische Tango gehören dazu. Als erste Pferderasse haben es die Lipizzaner zum immateriellen Weltkulturerbe gebracht, eingeschlossen die Reitkunst der Wiener Hofreitschule und auch das Gestüt Piber, die Geburtsstätte der Wiener Lipizzaner Hengste.

Jetzt ist auch die Trakehner Zucht auf dem besten Wege, Weltkulturerbe zu werden. Die Karriere verläuft in drei Stufen: Erst muss das Bundesland, im Fall der Trakehner Schleswig-Holstein als Sitz der Verbandszentrale, die Bewerbung akzeptieren, die eine Empfehlung an die Deutsche UNESCO Kommission ausspricht. Sie verlieh im März 2022 der Trakehner Zucht den Titel nationales immaterielles Kulturerbe. Vorher galt es, 20 umfassende Fragen zu beantworten, unter anderem zur Geschichte der Trakehner durch fast drei Jahrhunderte unter verschiedenen politischen Systemen, zur Organisation und zu Besonderheiten der Zucht, zur heutigen Praxis, Tierschutz und Weitergabe an kommende Generationen. Um zum UNESCO Weltkulturerbe zu werden wie die Spanische Hofreitschule in Wien und das Quadre Noir in Saumur, muss das internationale UNESCO-Gremium zustimmen.

Immaterielles nationales Kulturerbe mit hippologischen Hintergrund sind unter anderem das in Norddeutschland beliebte Ringreiten und der Georgiritt in Traunstein.

Die Deutsche Reitlehre, letztlich die Grundlage der nationalen und internationalen Pferdeausbildung, hat bisher auf Anregung der Bundesvereinigung der Berufsreiter (BBR) die erste Hürde genommen, wurde durch die NRW-Landesregierung zum immateriellen Kulturerbe Nordrhein-Westfalens erklärt. Zwei Stufen sind also noch zu nehmen, bis die Skala der Ausbildung weltweit das Gütesiegel erhält. Verdient hätte sie es.

UNESCO-Weltkulturerbe verschafft „gewisses Standing“

Zur Zeit bemüht sich der in Niedersachsen ansässige Zuchtverband der Asil Araber in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der „reinen“ Wüstenpferde um den Titel. Dr. Astrid v. Velsen-Zerweck, Oberlandstallmeisterin in Marbach, bemüht sich seit Jahren, um die Anerkennung als Kulturerbe nicht nur ihres Haupt- und Landgestüts Marbach, sondern aller europäischen Staatsgestüte, die sich in der European State Stud Association (ESSA) zusammengetan haben. Aber das Bewerbungsverfahren ist langwierig und zeitraubend oder teuer, wenn man die Präsentation einer Agentur überlässt. Geld gibt es für den hippologischen Adelstitel übrigens keines, aber einige Vorteile sieht Astrid v. Velsen dennoch: „Man darf das UNESCO-Logo führen, erreicht eine nicht zu unterschätzende PR-Außenwirkung und eine gewisse Unantastbarkeit.“ Eine Hemmschwelle für Streichungen, Kürzungen oder Schließungen. Und ein gewisses Standing gegenüber militanten Tierrechtlern: Das Pferd hat seinen Platz eben nicht nur in der Historie sondern im Hier und Jetzt, wo es geschätzt, gepflegt und geliebt wird.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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