Lyon live – Blog 1: Bonjour!

Von

Von Innereien, Hebebühnen und neutralen Dressurrichtern

Alors, daccord Frankreich, hier bin ich. In Lyon, der Stadt des Lichts, der Blumen und der Achtung! Bildung dank Herrn Dr. Google Gekrösewurst. Das war der wohl appetitlichste Begriff, den ich im Internet gefunden habe für die Angewohnheit, alles, was man in Deutschland den Hunden gibt, fein zu schreddern und eine Wurst draus zu machen. Lyoner ist Ihnen sicherlich auch schon mal in der Kühltheke ihres Vertrauens begegnet, oder? Ich habe mir das nicht ganz vorstellen können und meinen Bruder gefragt. Der ist beziehungstechnisch ein halber Franzose und gab mir nur den einen Tipp mit auf die Reise: Iss nichts, was wie Darmzotten aussieht, weil es unter Garantie Darmzotten ist. Wie war das? Nur wo, Darmzotte drauf steht, ist auch …. Aber lassen wir das. Nur so viel: Im Französischen, wo ja alles viel schöner klingt, als in unserer Hunnensprache, spricht man von Bouchons und es gibt in der wunderschönen Altstadt (teils noch mittelalterlich mediterran anmutende Gassen mit Innenhöfen voller Balustraden und Balkons) jede Menge Restaurants, die mit dieser Spezialität werben. Schließlich ist Lyon ja auch die Stadt von Paul Bocuse.
Dem Taxifahrer, der mich vom Flughafen in Richtung Turnierhalle fuhr, schien das alles recht egal. Der fluchte nur, denn wir hatten Stau. Selbst fluchen klingt auf Französisch irgendwie kultivierter mehr nach philosophischem Diskurs als der bloßen Aneinanderreihung von Schimpfwörtern. Immerhin hat er dann die Initiative ergriffen und ist unter Verwendung von Warnblinker und Dauerhupe auf dem Standstreifen rechts an dem Kilometerstau vorbeigefahren. An den Brückenpfeilern wurde es ganz schön eng. Da kam zur Hupe noch der ein oder andere Fluch. Aber generell hoffe ich, dass diese Verkehrsregeln bald über die europäische Harmonisierung von Gesetzen auch in Deutschland gelten. Gerade vorm Elbtunnel wäre das hilfreich.
Wenn man hört Weltcupfinale in Lyon dann ist das ein bisschen irreführend. Präziser müsste es heißen. Weltcupfinale bei Lyon. Denn Eurexpo, das große Messezentrum, liegt in einer Nachbargemeinde und rundherum sind Industriegebiete. Mein Hotel ist mittendrin. Und weil der Journalistenshuttlebus zu dem Hotel auch nicht funktioniert, bin ich dann die vier Kilometer mal zu Fuß gelaufen. Ein wirklich schöner Fußweg. Neben dem Hotel gibt es eine malerische Altmetallverwertung, gegenüber werden Gebrauchtwagen versteigert und wenn man dann links abbiegt, kommt man in eine pittoreske Gasse, die der Zunft der Klempner vorbehalten ist. Da gibt es Gartenswimmingpools aus Vollpastik, Unmengen von Wasserhähnen und nebenan Tapetenfabriken. Auch die Ausstellung von Hebebühnen neben dem Parkplatz mit Gebrauchtbaggern hat einen ganz eigenen Charme. Très chique! Dank der Wirtschaftskrise gibt es dazwischen auch immer wieder Areale, die schon länger auf eine Neuvermietung warten. Falls jemand noch ein paar Locations sucht für den nächsten Tatort, von Büschen und Brennesseln überwucherte Lagerhallen mit eingeschlagenen Fensterscheiben voilà! Börne, was meinen Sie wie lange hat die Leiche hier schon gelegen und sind das nicht Würgemale dort an ihrem Hals?
Nachdem die Springreiter gestern schon gut vorgelegt haben, sind jetzt die Dressurreiter dran. In einer halben Stunde geht es los. Leider sind es nur noch 17 Paare, weil Millibar, das Pferd der Dänin Nanna Skodborg Merrald schon gestern bei der Verfassungsprüfung von den Tierärzten in die Holdingbox geschickt worden war und man sich heute das Training anschauen wollte. Da ist der elegante Wallach dann wohl nicht so klar gegangen, wie erhofft.
Heute morgen beim Training herrschte gute Laune, ein zufriedener Valegro absolvierte auf Wassertrense sein Programm. Überall ist die Rede vom Clash of the titans, dem Aufeinandertreffen der Titanen, gemeint sind Valegro und Damon Hill. Valegro hat eine Wildcard bekommen, Damon Hill ist Titelverteidiger. Ohne zu nationalistisch klingen zu wollen, wenn Helen Langehanenberg eine Leistung wie in Neumünster aufs Parkett zaubern kann, muss Charlotte Dujardin sich warm anziehen. Unter den Journalisten heißt es nur lapidar, die Richter wüssten sicherlich schon, wie es ausgeht. Und alle tippen auf Charlotte. Aber das ist sicherlich eine ganz fiese Unterstellung. Selbstredend werden die Juroren nichts anderes richten als das, was sie im Viereck geboten bekommen. Promibonus? Aber ich bitte Sie …

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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