#MeToo hat den Pferdesport erreicht

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Man käme vielleicht nicht sofort drauf, dass Belästigung und Nötigung, vor allem sexueller Art, auch im Pferdesport ein Thema sein könnte. Ist es aber offenbar doch. Gabriele Pochhammer über ein brisantes Thema.

Beim „Sportsforum“ der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) in der kommenden Woche ist der „Schutz der Athleten vor Missbrauch und Nötigung“ eines der Hauptthemen auf der Agenda. (Die glücklichen Angelsachsen haben für beide Geschlechter in der Regel nur ein Wort, hier „Athletes“, das Athleten aller Geschlechter bezeichnet.) Das FEI-Sportforum dient dazu, neue Vorschläge zu aktuellen Themen des Sports einzubringen und gründlicher zu diskutieren, als es bei der herbstlichen Generalversammlung möglich ist, wo dann nur noch über die vorbereiteten Vorlagen abgestimmt wird.

Der Sport – ein anfälliges Terrain

Nun also sexuelle Belästigung. Glaubt man dem 105 (!) Seiten langen Dossier, das vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) herausgegeben wurde und als Sitzungsvorlage für das Sportforum dient, dann ist das, was mit dem englischen Wort „Harassment“ beschrieben wird (Belästigung, Nötigung) eines der dringlichsten Probleme des heutigen Sports. In einigen Sportarten ist das ganz sicherlich so, immer dort, wo junge Leute, vor allem junge Frauen, von ihren Trainern nicht nur sportfachlich, sondern auch mental abhängig sind. Wo der Trainer Gunst und Ungunst verteilen und über sportliche Chancen entscheiden kann.

Krasser Fall in Schleswig-Holstein

Aber beim Reiten? Natürlich werden auch da Abhängigkeiten ausgenutzt. Vor ein paar Monaten wurde ein Reitlehrer aus dem schleswig-holsteinischen Gettorf zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte eine 13-jährige Reitschülerin in insgesamt 18 Fällen missbraucht und musste außerdem 10.000 Euro Strafe zahlen, ein Berufsverbot erhielt er nicht. Die Vorwürfe waren schon im Jahre 2016 bekannt geworden, die Wiederholungsgefahr aber als so niedrig eingestuft worden, dass der Reitlehrer gegen Auflagen wieder auf freien Fuß kam. An die Auflagen hielt er sich nicht, versuchte erneut, sich der 13-Jährigen zu nähern, was schließlich zur Festnahme führte. Oberstaatsanwalt Axel Bieler in Kiel fand klare Worte. „Solange das Mädchen 13 war, ist es auch ganz egal, was sie gemacht hat. Sie kann sich dem Mann nackt an den Hals geworfen haben, in diesem Moment ist sie das Kind und er der Erwachsene, der Nein sagen muss.“ So viel zu der Argumentation, die Minderjährige habe es doch auch „gewollt.“

Gutes Pferd bei entsprechender Gegenleistung

Die Menschen, die sich mit Pferden beschäftigen, sind natürlich nicht besser als der Rest der Gesellschaft, und verstoßen wie überall auch gelegentlich gegen Gesetze. Das wäre nicht weiter berichtenswert. Aber Übergriffe im Sport haben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen, beziehungsweise sind erst jetzt, oft nach vielen Jahren, ans Licht der Öffentlichkeit gekommen. In den USA wurden mehr als hundert Turnerinnen systematisch durch den Teamarzt missbraucht. Der Mann wurde inzwischen zu 175 Jahren Gefängnis, de facto also zu lebenslanger Haft, verurteilt. Der Fall der Turnerinnen, die als Kinder in Trainingslagern kaserniert und dem familiären Einfluss entzogen werden, ist mit der Situation im Reitsport natürlich nicht vergleichbar. Aber auch hier gibt es Machtspiele. Da wird ein junges Mädchen gelockt mit der Aussicht, bei entsprechender Gegenleistung ein tolles Pferd reiten zu dürfen. So geschehen in einem ostwestfälischen Reitverein und wahrscheinlich nicht nur dort.

FN hat Vorsorge getroffen

Lange bevor das IOC und jetzt auch die FEI das Thema auf den Tisch brachten, haben der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) deutlich Stellung bezogen. Die FN befasst sich seit mehr als zwei Jahren mit dem möglichen Missbrauch im Pferdesport. „Das ist für uns ein Thema, wenn auch keines, das Spaß macht“, sagt FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach. „Wir haben einige konkrete Maßnahmen ergriffen. So ist an die Trainerlizenz ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis geknüpft. Bei konkreten Missbrauchsfällen kann die Trainerlizenz, aber auch die Turnierlizenz entzogen werden.“

Erst fragen, dann Hand anlegen

Ausbilder lernen, dass sie ihre Schüler nicht ungefragt anfassen dürfen, etwa um die Lage des Unterschenkels zu erklären oder das richtige Mitschwingen in der Hüfte. „Zu fragen, darf ich Sie oder dich anfassen, ist bei mir inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden“, sagt Christoph Hess, langjähriger Ausbildungsleiter am DOKR in Warendorf.

Des weiteren arbeitet die FN mit dem Verein Zartbitter e.V. zusammen, der eine Hotline bereithält, an die sich in Bedrängnis geratene Jugendliche wenden können.

Lauterbach stellt aber auch klar, dass nicht nur der sexuelle Missbrauch gemeint ist. Es gibt viele Arten, Macht zu missbrauchen und Menschen unter Druck zu setzen: durch Mobbing, durch Versprechen finanzieller Vorteile, bis hin zur Nötigung zum Doping. Wenn das Thema in der kommenden Woche in Lausanne auf den Tisch kommt, dann kann das nur ein erster Schritt sein. Hin zu handfesten Sanktionen, die im Reglement verankert sind. Damit sich niemand darauf verlassen kann, dass die Gemeinschaft Missbrauch und Co achselzuckend toleriert.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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