Der Pferdesport steht unter Beobachtung, mehr denn je. Ein Bericht der französischen Nationalversammlung befasst sich ausführlich mit den Tierschutzaspekten im Spitzenreitsport. Ein mehr 72-Seiten langer Bericht sprach 46 Empfehlungen aus, wie die Olympischen Reiterspiele 2024 in Paris zu den pferdefreundlichsten aller Zeiten werden sollen. Andernfalls könnten es die letzten sein.
Es ist ein Warnschuss, den die höchste demokratische Institution des Olympiaausrichters 2024 abgeben hat, die französische Nationalversammlung. Sie beauftragte eine Expertengruppe unter Vorsitz des Abgeordneten Loic Dombrevall, den Pferdesport unter Tierschutzgesichtspunkten zu durchleuchten, insbesondere im Hinblick auf 2024 und unter dem Fokus der Spiele in Tokio 2021. Dort gab es bekanntlich drei Vorfälle, die die Öffentlichkeit empörten, das war einmal die Nottötung des Schweizer Geländepferdes Jet Set nach einem irreparablen Beinbruch, den es sich bei einer unglücklichen Landung im Gelände zugezogen hatte. Das von der FEI zugesagte Ergebnis der Obduktion liege bis heute nicht vor, so der Bericht.
Zum anderen waren es die Bilder des blutüberströmten irischen Schimmels Kilkenny, der während des Parcours starkes Nasenbluten bekam. Der Reiter will nichts bemerkt haben, und auch die Jury tat nichts, um den Ritt zu vorzeitig zu beenden.
Ein letztes Mal: Fünfkampf
Der dritte Vorfall, der die Wogen am höchsten schlagen ließ, war der – oft beschriebene und kommentierte – Auftritt von Annika Schleu und Saint Boy im modernen Fünfkampf. Die Bilder der hilflosen Versuche der mit der Peitsche wedelnden Reiterin, das sichtlich gestresste Pferd in Gang zu bringen, gingen um die Welt. Die Empörung erfasste auch den Pferdesport und da nützen auch keine Beteuerungen, dass der Spitzenreitsport nichts mit dem Fünfkampf zu tun habe. Ein Mensch auf einem Pferd ist nun mal für die meisten Leute ein Reiter. In Paris wird zum letzten Mal Reiten zum Fünfkampf gehören, danach soll es stattdessen eine Art Hindernislauf geben, ohne Pferd. In diesem Zusammenhang wird im Bericht des französischen Parlaments auch St.GEORG-online zitiert:
„Im Fünfkampf sind Pferde, was sie nie sein dürfen: Sportgeräte, wie das Gewehr beim Schießen und der Degen beim Fechten. Das haben sie nicht verdient, das verletzt ihre Würde, um es mal so hoch zu hängen. Deswegen sollte Reiten schleunigst aus dem Modernen Fünfkampf verschwinden.“
Zu den Empfehlungen Richtung Fünfkampf für Paris 2024 gehören niedrigere Hindernisse (1,10 Meter), ein Pferd pro Reiter und Gewöhnungszeit 24 Stunden und nicht erst eine halbe Stunde vor der Prüfung. Bin mal gespannt, wie viel davon umgesetzt wird. Immerhin: Nach 2024 können wir dieses Thema abhaken.
Angst vor Repressalien
Die meisten Empfehlungen befassen sich mit „unserem“ Reitsport. Vieles ist nicht neu und findet sich, wie FEI-Präsident Ingmar de Vos betont, seit langem auch im Reglement der FEI, aber nicht immer. Und nicht alle Regeln werden so stringent befolgt, wie es das Wohl des Pferdes gebietet. Auch trauten sich Stewards gerade bei den Stars oft nicht, durchzugreifen aus Angst vor Repressalien, heißt es im Bericht.
Es fängt mit der Ausrüstung an. Noch immer sehen wir bei jedem Turnier Pferde mit den abenteuerlichsten Zäumungen, Gebissen und mehreren Zügeln und Hilfszügeln. Eine Liste der erlaubten Gebisse und Zäumungen gibt es im FEI-Reglement nicht. Ob ein Gebiss dem Wohl des Pferdes gerecht wird, kann der Steward entscheiden, siehe oben. Festgezurrte Nasenriemen und Kinnketten sind an der Tagesordnung, wer etwas anderes behauptet, guckt nicht richtig hin. Der Report verlangt Kontrollen auch während der Trainings und empfiehlt, „Flash Nosebands“ an englischen oder mexikanischen Reithalftern ganz zu verbieten. Die deutsche Bezeichnung „Pullerriemen“ verrät ja schon einiges.
Der Report fordert auch das komplette Verbot des Schlaufzügels während des ganzen Olympischen Turniers. Endlich! Zur Zeit ist er bei Siegerehrungen und Paraden erlaubt. Ich frage mich oft, wieso die besten Reiter der Welt offenbar nicht in der Lage sind, ihr Pferd zu bändigen, wenn sie nicht mit Hilfe eines ledernen Flaschenzuges das Maul in Brustnähe festzurren dürfen!
Weg mit dem Sporenzwang
Andere Dinge, die der Report im Fokus hat: Gebrauch der Peitsche höchsten zweimal beim Abreiten, einmal in der Prüfung, am besten gar nicht. Warum ein Reiter gezwungen werden soll, Sporen anzuschnallen, wenn sein Pferd sie nicht braucht, kann man keinem vernünftigen Menschen erklären. Auch die ledernen Bauchlappen, die Sporenstiche verstecken sollen, gehören laut französischem Report verboten.
Besonders ausführlich befasst er sich mit der „Hyperflexion“, ob Rollkur, LDR oder sonst wie genannt. Exakt und wissenschaftlich fundiert werden die Auswirkungen auf den gesamten Bewegungsapparat des Pferdes beschrieben. Und endlich wird mit der holländischen Erfindung von Low-Deep-Round (LDR) aufgeräumt, der angeblich so pferdefreundlichen Alternative zur umstrittenen Rollkur. Die Methode ist genauso schädlich wie alle anderen Formen der Überzäumung. Die Nase des Pferdes vor oder höchstens an der Senkrechten: Da müssen sich alle Dressurrichter dieser Welt die Gretchenfrage gefallen lassen, wie sie es eigentlich damit halten. Und die Stewards auf dem Abreiteplatz auch.
FN arbeitet noch an Stellungnahme
Dies sind nur einige der 42 „Empfehlungen“ des Berichtes, der ohne Frage die Richtlinien für die Olympischen Spiele 2024 und darüber hinaus vorgibt. Er stammt nicht von irgendwelchen so genannten Tierschützern, die schon hyperventilieren, wenn sich ein Mensch auf den Rücken eines Pferdes begibt. Sondern von einer hochrangigen Arbeitsgruppe, die zahlreiche Fachleute aus allen Bereichen des französischen und internationalen Pferdeszene zu Rate gezogen hat: Veterinäre, Wissenschaftler, Reiter, Vertreter der FN, der FEI, des Rennsports, aber auch der britischen Tierschutzgruppe „Welfare of the horse“.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) arbeitet zur Zeit noch an einer Stellungnahme zu dem Anfang Mai erschienenen Bericht. FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach: „Der Bericht passt in die Zeit, in der sich der Pferdesport immer wieder neu in der Öffentlichkeit legitimieren muss, Stichwort Social License. Wir müssen gut begründen, was wir tun, das haben noch nicht alle begriffen.“ Der Schuss war laut genug. Jetzt muss er auch gehört werden.womens air jordan 6 barely rose dh9696 100 release date | air jordan 11 retro release date holiday 2023
Im allgemeinen ein gelungener Artikel Frau Pochhammer.
Aber solange verurteilte Wiederholungstäter in Sachen Doping (Isabell Werth – u. a. Psychopharmaka) auch von Ihrer Pferdefachzeitschrift „hofiert“ und salonfähig dargestellt werden – getreu dem Motto: Wasser predigen und Wein trinken, ist das für mich einfach nur pharisäerhaft.
Es sollte sich eine wirklich positive Grundeinstellung dem Pferd gegenüber manifestieren!
Da bleibt nur zu sagen: VIVE LA FRANCE und MERCI BEAUCOUP!
„Mit der Peitsche wedeln“?
Sehr geehrte Fr. Pochhammer, vielleicht sollten Sie die Videoaufzeichnungen nochmals anschauen! Bitte tragen Sie nicht durch eine solche Verharmlosung, die überhaupt nicht den Tatsachen entspricht, zu Realitätsverlust und fehlendem Unrechtsbewusstsein bei!
Angesichts des erschreckend schlechten Reitens vieler Fünfkämpfer, das sich in den vielen Fehlern durch Vermetern, grobe Handeinwirkung und üble Sitzprobleme dokumentiert (von den Verweigerungen und Stürzen mal abgesehen) sollte man wirklich froh sein, dass der 5Kampf endlich „schleunigst“ verschwindet. Ob die Reduktion der Hindernisse auf 1.10 cm schon ausreicht, schlechte Bilder zu verhindern, … da bin ich gespannt. Leider habe ich noch nichts von einer „Ausbildungsoffensive“ derer gehört, die vorhaben in 2 Jahren im 5Kampf zu reiten.
Mit freundlichen Grüßen
Monika
Im Allgemeinen lese ich die Artikel von Frau Pochhammer gerne, doch bei diesem habe ich mich als Leser sehr befremdlich gefühlt. Plötzlich werden alle seit Jahrzehnten offensichtlichen Mängel des Reitsports herausposaunt und kritisiert, die sonst wohlwollend unter dem Mäntelchen der Verschwiegenheit geduldet werden.
Komisch, in keinem St-Georg-Artikel wurde bisher der Einsatz von Sporen oder Gerten o.ä. als überflüssig oder falsch bezeichnet. Zumindest kann ich mich an keinen Artikel der Marke“….. und dann wurde XY deutscher Meister/in obwohl sie/er Sporen trug und ihr/sein Pferd im Viereck/ Springplatz zu eng ging….“ Aber auf einmal, da eine Kommission dies erwähnt,kann man es lauthals kritisieren und es so darstellen, als ob es schon immer klar gewesen wäre, das all dies falsch sein könnte? Dieser Spagat zwischen alles in Frage stellender Kritik und allzu gefälliger Berichterstattung über den professionellen Reitsport ist nicht nallvollziehbar. Und wenn nun schon einige Reiter dieses nicht verstehen können, wie muss das Ganze dann erst auf Aussenstehende, die nicht reiten und keinen Bezug zum Pferdesport haben,wirken? So bringt sich der Reitsport selbst in eine Ecke aus der er argumentativ nicht so schnell wieder heraus kommt.
Wieder ein sehr aufschlussreicher Blog von der Herausgeberin des St. Georg verfasst. Zu dem Statement, dass die Nottoetung des; ich zitiere : „Schweizer Gelaendepferdes“ Jet Set bei den O.S. in Tokio zu einem der drei Vorfaelle gehoert haetten die ich zitiere : die „Oeffentlichkeit empoerten“, sei eine Stellungnahme erlaubt. Solange im Renn – u. Reitsport ; dabei vorzugsweise in Vielseitigieits – u. Springpruefungen und Endurance Tests, Leistungspruefungen stattfinden, wird es dabei und moeglicherweise auch i.d. Vorbereitung, zu Vorfaellen kommen, bei denen Pferde irreparable Schaeden erleiden. Will man solches ausschliessen, kann man diese Art der Leistungspruefungen auch gleich ganz verbieten. Die Verbaende taeten daher gut daran, sich nicht zu sehr von der oeffentlichen Meinung gaengeln zu lassen. Sonst brauchen wir uns in Zukunft nicht nur den Kopf derueber zu zerbrechen, warum Turnierveranstaltungen „schrumpfen“, sondern ob sie ueberhaupt noch durchgefuehrt werden duerfen. Augemass ist das Gebot der Stunde.
Ja, es ist schlimm und jedes Pferd eines zu viel, das während oder nach einer Prüfung getötet werden muss.
Was aber niemals an die Öffentlichkeit gelangt: Auch Pferde, die niemals einen Turnierplatz gesehen haben, brechen sich die Beine und müssen getötet werden. Das habe ich in meinem langen Reiterleben leider mehrfach erleben müssen.
Oder – und das ist gerade aktuell: Vor ca. 4 Wochen musste ein älterer Isländer eingeschläfert werden. Der stand auf einer 27$7-Koppel mit immer ausreichend Heu. Ich habe dort selbst einen Rentner stehen und kenne daher die Anlage. Die ist echt top und die Koppel eigentlich gut genug gesichert. Der Isländer wusste nichts besseres zu tun wie unter dem stromführenden Zaun durchzulangen, weil das Gras auf der anderen Seite besser schmeckte. Er verlor das Gleichgewicht und rutschte in den Graben mit einem Bach – und lag dort bis morgens. Bis sie ihn fanden, war er sehr unterkühlt und völlig erschöpft. Sie mussten ihn noch im Graben liegend einschläfern.
Und das bei einer Haltungsform, die jedem Tierschützer das Herz höher schlagen lässt.