Explodierende Tierarztkosten, trockene Sommer, die das Gras verdorren lassen – das war das Frühjahr 2023 und es sieht nicht so aus, als ob es jemals besser wird. Wer Pferde züchtet, muss ein bisschen verrückt sein. Viele kleine Züchter hätten längst das Handtuch geworfen, gäbe es nicht jedes Jahr diese Glücksmomente, die alles wieder aufwiegen.
„Es gibt drei Möglichkeiten, Geld zu verlieren“, pflegte mein verstorbener Verleger Alexander Jahr zu sagen. „Im Casino, das geht am schnellsten, mit Frauen, das ist am schönsten (sowas durfte Mann in den 80-er Jahren noch sagen, ohne dass ein Taifun durchs Internet tobte, es gab nämlich noch keins). Und mit Pferden, das ist am sichersten.“ Ich kenne viele Leute, die zumindest dem dritten Teil zustimmen würden, die meisten von ihnen sind wie ich Züchter. Ich rede nicht von Paul Schockemöhle und seinen 6000 Pferden in Gestüt Lewitz, der inzwischen seine Auktionslots mit selbst gezogenen Pferden bestücken kann und einige davon für mehrere Millionen Euro verkauft. Einige – aber die anderen geschätzten 5900 plus müssen ja auch gefüttert, versorgt und tierärztlich betreut werden.
In diesen Kreisen sind Embryotransfers an der Tagesordnung, auch OPU/ ICSI (moderne Befruchtungsmethoden außerhalb des Mutterleibs) und natürlich die besten Hengste, sprich die mit den sporterfolgreichsten Nachkommen und damit die teuersten, die ja nur in Ausnahmefällen (siehe Schockemöhle) einem selbst gehören. All das ist nicht umsonst, sondern kostet richtig, gerade auch nach der neuen Tierärztegebührenordnung (GOT). Ich habe keine Ahnung, wie und ob sich das Unternehmen Lewitz rechnet und bin sicher, Paul Schockemöhle würde es mir auch nicht verraten. Er ist wie wir alle ein Freak, und da macht man ja auch Dinge, die nicht aus der Vernunft geboren sind.
Es gibt noch weitere große Zuchtbetriebe in Deutschland und Europa, wenn auch nicht in den Dimensionen von Lewitz. Einige davon sind aus dem Boden geschossen, als Hobby des Chefs eines einträglichen Unternehmens oder auf andere Weise zu Geld gekommenen Pferdefreundes, der nicht rechnen muss. Das sei ihnen von Herzen gegönnt, es kommen ja auf diese Weise auch tolle Pferde zustande. Aber in der Regel schwebt über diesen Unternehmungen ein Damoklesschwert: Wie geht es weiter, wenn der Initiator nicht mehr da ist? Auch dafür gibt es genügend Beispiele, eins davon ist der von Otto Schulte-Frohlinde gegründete Grönwohldhof, lange einer der dressursportlichen und züchterischen Leuchttürme im Norden Deutschlands. Davon ist nicht mehr viel übrig. Selbst auf Bauernhöfen, auf denen seit Generationen Pferde gezüchtet wurden, wandelt sich das Bild, wenn der Hofnachfolger nicht zufällig auch ein Pferdenarr ist, sondern anfängt zu rechnen. Im ersten Fall gibt es noch die Chance, dass er oder seine Kinder die Pferde selbst ausbilden, vorstellen und vermarkten können.
Eine Anfahrt, zigmal kassiert
Für mich und viele andere Sportpferdezüchter mit unseren ein, zwei Stuten – ja, uns gibt es noch – taugen diese Modelle nicht und trotzdem haben wir unsere Stute wieder zum Hengst gebracht. Und vielleicht lassen wir im nächsten Frühjahr auch ihre Tochter decken. Dann träumen wir wieder von Olympia oder wenigstens Aachen. Wie gesagt, mit Vernunft hat das nichts zu tun. Schon gar nicht in diesem Jahr. Vor einigen Tagen kam die Tierarztrechnung in meinen Briefkasten, ab März für meine Zuchtstute. Abgerechnet wurden mehrere Untersuchungen, das Übliche: Tupferprobe, eine Follikelkontrolle, noch eine, Trächtigkeitsuntersuchung nach 18 Tagen, leider umgerosst, das Ganze nochmal, nach 18 Tagen tragend, nach 45 Tagen auch. Und so bleibt es hoffentlich, damit wir den Tierarzt erst wieder für die Versorgung des Fohlens brauchen.
Aber halt, diverse Impfungen sind ja auch noch fällig. Für jeden einzelnen Besuch habe ich 25 Euro Anfahrt bezahlt, obwohl der Tierarzt nicht allein für meine Stute gekommen ist, sondern auch für andere Pferde im Betrieb. Das darf er und darum hat er auch gleich den Paragrafen dazu geschrieben, der ihm das erlaubt. Schneller kann man Geld kaum verdienen, als einmal irgendwo hinzufahren und zig Mal dafür zu kassieren. Die GOT zwingt die Tierärzte zu solcher Abzocke, andernfalls riskieren sie Strafgelder, was, nebenbei bemerkt, allen marktwirtschaftlichen Prinzipien Hohn spricht. Ich habe mir sagen lassen, dass zum Beispiel Architekten die freie Preisgestaltung durchgesetzt haben. Um das auch für Tierärzte zu erreichen, fehlt es der FN und anderen Verbänden an Durchsetzungskraft und Lobby. Also müssen wir weiter blechen. Oder die Pferde abschaffen.
Kein Regen, kein Heu
Nachvollziehbar sind andere Preiserhöhungen, etwa für Einsteller wie mich. In meinem Fall – im nördlichen Schleswig-Holstein – fiel im Juni so gut wie kein Regen, die Weiden waren braun und trocken und es musste bereits Heu zugefüttert werden, Heu, das ja für spätere Monate eingeplant war und jetzt fehlt. Vom zweiten Schnitt kann man nur träumen. Das kann kein Betrieb so eben wegstecken. Aber die Pferde sahen immer gut aus, jetzt regnet es wieder. Wird schon werden, sagt sich der züchtende Optimist und macht weiter.
Denn es gibt ja auch diesen Glücksmoment, in dem man nicht mehr fragt, ob es das alles wert ist. Für mich kam er genau am 6. Mai, dem Tag der Krönung von König Charles. Ich war gerade in England, beim Traditionsevent in Badminton, der Regen pladderte nicht nur auf die goldene Kutsche in London, sondern auf alles und jeden auf der Geländestrecke im herzoglichen Schlosspark, mehr oder weniger Tag und Nacht.
Abends saßen wir mit Freunden zusammen, gegen Mitternacht bekam ich eine Whatsapp: „Herzlichen Glückwunsch“. Angehängt war ein unscharfes von einer Überwachungskamera aufgenommenes Bild, darauf war zu sehen vorne ein dunkles längliches Gebilde, das mal ein Schweif werden will, am anderen Ende ein Kopf, der sich eindeutig an einem Euter zu schaffen macht. Fohlen steht und trinkt, Mutter wohlauf, sagte das Foto. Alle gratulierten. Mit einem Schlag sind Ärger, Frust und Bedenken verflogen, so sind wir Freaks nun mal. Inzwischen fetzt der kleine Kerl über die Weide, ist gut beieinander, guckt recht männlich aus der Wäsche, galoppiert wie einer, der in den Busch will und überraschte mich bei der Fohlenschau mit einem energischen lockeren Trab, den er mir bis dahin vorenthalten hatte. Obendrein gab‘s noch eine Plakette der Verbandskommission. Die kleinen Freuden des kleinen Züchters. Meine Kollegin Dominique hat auch schon den passenden Namen für das Fohlen gefunden: Coronation Charlie. Auf ein Neues!
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