Moment mal! Der große Fußabdruck der Superstars

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Im Internet kann man den CO2-Abdruck seines Pferdes messen. Pferd ist nicht gleich Pferd, wenig überraschend. Besonders die Ausflüge ans andere Ende der Welt der vierbeinigen Globetrotter schlagen zu Buche.

Haben Sie schon mal im Internet Ihren persönlichen CO2-Fußabdruck gemessen? Lassen Sie’s. Der Test ist nicht gut für Ihre Laune. Ich jedenfalls komme mir jedes Mal vor wie ein Umweltterrorist, obwohl ich nie eine Kreuzfahrt mache, keinen Jaguar fahre sondern einen Golf und immer das Licht hinter mir ausmache, wenn ich aus dem Zimmer gehe. Ich würde auch gerne statt nach München zu fliegen lieber mit der Bahn fahren. Wenn sie denn führe.

Gemessen wird in Kilo bis Tonnen CO2, die jede einzelne Tätigkeit verursacht. Die Ergebnisse differieren oft erheblich auf den verschiedenen Webseiten, je nachdem, welche Kriterien angelegt werden. CO2-Fußabdrucke haben natürlich auch unsere Pferde, im Vergleich zur Menschheit zwar verschwindend kleine, aber doch. Der neue Generalsponsor der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), das schwedische Versicherungsunternehmen Agria, bietet auf seiner Homepage einen CO2-Messer für Pferde an.

Gefragt wird nach allem möglichen, nach der Größe des Pferdes, der Art des Futters, hauptsächlich Raufutter (gut) oder mehr Kraftfutter (nicht so gut, zumal, wenn es aufwendig industriell hergestellt wird). Es wird nach der Art der Heizung im dazugehörigen Wohngebäude gefragt, nach der Art und Häufigkeit des Transports, ob mit Anhänger oder LKW, ob das Zugfahrzeug mit Diesel oder elektrisch fährt, wieviel man für Sattelzeug und anderes Equipment ausgibt, wie oft der Tierarzt beziehungsweise der Schmied oder Osteopath kommt und wie weit der Reiter jeden Tag zum Stall fahren muss.

Nelly versus Superstar

Ich habe das spaßeshalber für zwei fiktive Pferde durchgerechnet, für Freizeitpferd Nelly und den internationalen Top-Jumper Superstar. Nelly, 1,60 Meter groß, geht meist auf die Weide, bekommt im Winter Heulage. Der Tierarzt kostet rund 1000 Euro im Jahr, der Schmied kommt alle sechs Wochen und manchmal der Physiotherapeut. Wenn Nelly mal irgendwohin gefahren wird, was selten vorkommt, dann mit einem Anhänger, der vom Diesel des Besitzers gezogen wird, der ansonsten jeden Tag sechs Kilometer von seiner Wohnung zum Stall fährt und zurück. Das Programm errechnet für Nelly einen CO2-Abdruck von 3023 Kilo pro Jahr, beim durchschnittlichen Erwachsenen sind es laut Agria-Programm 13.000 Kilo.

Ganz anders sieht die Bilanz bei Superstar aus. Er ist als stattlicher KWPN-Wallach schon mal 15 Zentimter größer als Nelly, nämlich 1,75 Zentimeter und braucht mehr und besseres Futter mit ausgewogenen genau berechneten Nährstoffen und entsprechend aufwendiger Herstellung. Der Tierarzt kommt fast wöchentlich in den Stall, nicht nur für Superstar, aber für den nach jedem der großen Turniereinsätze etwa einmal im Monat. Hufschmied und Osteopath kommen regelmäßig, die Ausgaben für Sattelzeug und anderes Equipment sind ebenfalls höher als bei Nelly, allein schon wegen des Sortiments an Decken, die so ein Top-Athlet braucht. Er reist stets Erster Klasse in einem riesigen Diesel-betriebenem LKW, meist zusammen mit einigen Artgenossen, aber auch schon mal alleine, wenn es sich ergibt.

 Am Ende stehen 6359 Kilo CO2-Ausstoß für Superstar zu Buche, doppelt so viel wie für Nelly aber nur halb so viel wie für einen normalen Mitteleuropäer. Doch die Sache hat einen Haken. Das Agria-Programm unterscheidet nur zwischen Reisen unter oder über 8000 Kilometer. Und Superstar reist viel öfter über viel längere Strecken. Er lebt in den Niederlanden, war seit Januar 2023 in Riad, in Rom, in London, in La Coruna, in Monte Carlo, in Stockholm, in St. Tropez, in Kronenberg, in Omaha, in Hertogenbosch, in Göteborg, in Bordeaux und in Basel. Da muss auf seine CO2-Reisebilanz sicherlich noch einiges drauf. Wer vorne mitspielen will, braucht mehr als ein Pferd. Wer Weltranglistenpunkten hinterherjagen will, ist fast jedes Wochenende unterwegs. Da kommt einiges zusammen.

Studie zur Nachhaltigkeit

Ich habe mal grob nachgerechnet. Laut FEI-Database reist ein Pferd wie Superstar, Teilnehmer an der Global Champions Tour, am Weltcup und anderen interessanten Turnieren im Jahr rund 37.000 Kilometer, davon geschätzt 23.600 per Flugzeug und 13.500 per LKW. Zugrunde liegen dabei nur die internationalen Turniere, die von der FEI erfasst werden. Wieviel CO2-Ausstoß auf die Flugreisen von Pferden – nur wenige Pferde in einem Flugzeug – entfallen, darüber gibt es bisher keine genauen Angaben. Das soll sich nun ändern.

Die European Equestrian Federation (EEF) hat bei der niederländischen Universität Wageningen eine Studie zur Nachhaltigkeit im Pferdesport in Auftrag gegeben. Zugrunde gelegt werden Erkenntnisse aus einem schwedischen und einem niederländischen Stall. Die Ergebnisse hält die Universität noch unter der Decke, sie sollen in Kürze veröffentlicht werden. Einige Leute erwarten sie mit Bangen. Denn eines steht jetzt schon fest: 95 Prozent des CO2-Abdrucks eines international startenden Pferdes sind auf den Transport zurück zu führen. Jede Woche zu einem Turnier am anderen Ende der Welt jetten – da kann es sein, dass die Social Licence, die Akzeptanz des Pferdesports durch die Gesellschaft, irgendwann ins Trudeln gerät.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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