Der Fall Helgstrand war ein Warnschuss in Richtung derjenigen, die noch immer glauben, was hinter der Reithallentür passiert, geht nur sie etwas an. Die FEI rettet sich bisher in Unverbindlichkeiten, aber die „Ethik- und Wohlfühlkommission“ hat einen Weg aufgezeigt, der den Übeltätern weh tut und den Pferden zu einem besseren Dasein verhülfe. Man muss ihn nur gehen wollen.
Jeder, der Pferde liebt, war angewidert von den Trainingssequenzen aus dem Stall Helgstrand, die der dänische Sender TV2 Ende November in einer Dokumentation zeigte. An empörten Reaktionen gab es keinen Mangel und auch die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) äußerte sich, allerdings eher unverbindlich: „Die FEI nimmt alle Vorwürfe wegen Pferdemissbrauchs sehr ernst und das Wohlergehen des Pferdes muss jederzeit an erster Stelle stehen.“ Immerhin war Helgstrand ein Sponsor vieler FEI-Veranstaltungen, zuletzt der EM in Riesenbeck 2023, sein Logo prangte auch an manchem Richterhäuschen. Dann verwies die FEI auf die vor 18 Monaten eingerichtete „Equine Ethics and Wellbeing Commission“, zu deutsch etwa Kommission für „Ethik und Wohlergehen im Umgang mit Pferden.“ Dem Gremium mit dem anspruchsvollen Namen gehören so profilierte Leute an wie der frühere spanische Springreiter Cayetano Martinez de Irujo, der Präsident der Europäischen Federation (EEF) Theo Ploegmakers und die FEI-Generalsekretärin Sabrina Ibañez. Den Hut hat die neuseeländische Professorin Nathalie Waran auf, die bereits ein Buch über das Wohlergehen von Pferden geschrieben hat. Sie stellte den Bericht den FEI-Delegierten auf der jüngsten Generalversammlung im Mexiko vor.
Keine verbreitete Ablehnung des Pferdesports
Ich habe mal in den Bericht der ethischen Wohlfühlkommission hereingeguckt, er ist auf der FEI-Website abrufbar. Es steht nichts drin, was man nicht sofort unterschreiben würde, aber auch nichts, was für den Fall Helgstrand hilfreich ist. Schön verpackte Allgemeinplätze, allgemeine Empfehlungen und Statistiken, aus denen hervorgeht, dass 65 Prozent der befragten Aktiven der drei olympischen Sportarten der Ansicht sind, im Grunde gehe es ihren Pferden prächtig. Befragt wurden 14 „Stakeholder“-Gruppen, also „Anteilseigner“ am Pferdesport in irgendeiner Form. (Interessant: Die Züchter gehören nicht dazu, nur ein paar Zuchtverbandsfunktionäre).
Nicht ganz so viele Menschen außerhalb der Pferdeszene, nur 42 Prozent, sind ebenfalls fest überzeugt, dass es Pferden im Sport gut gehen kann, aber dass der Pferdesport weiträumig abgelehnt wird, davon kann keine Rede sein. Doch um diese Leute, das allgemeine Publikum, geht es in erster Linie, wenn die FEI und inzwischen auch hierzulande die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) von „Social license“ sprechen, ein Wort, das inzwischen keiner mehr hören kann, der sich mit Pferden beschäftigt, so überstrapaziert ist es. Denn das hieße ja auch, dass nicht wir, die Reiter, Züchter und Pferdehalter sagen, was richtig und was falsch ist im Umgang mit unseren Pferden, sondern das „gesunde Volksempfinden“, das ja, wie wir wissen, höchst ungesund sein kann.
Wie viele Powerpoint-Präsentationen sieht auch diese so aus aus, als hätten Kitakinder sich kreativ betätigen dürfen: Da galoppiert ein gezeichnetes Pferdchen fröhlich bergauf, weiche Pferdemäuler schmiegen sich an zarten Mädchenhände, ja und einmal guckt ein Pferd auch richtig traurig, das gehört dann wohl zu den vier Prozent, von denen auch die befragte Gruppe der Pferdeleute glaubt, es gehe nicht allen immer gut. Der Bericht stellt mehr Fragen, als dass er Antworten gibt. Die Schlüsse, die gezogen werden, sind sehr allgemein und könnten sich auf alles Mögliche beziehen. Die FEI wird aufgefordert, als „vorsorgliches Prinzip“ das Wohlergehen es Pferdes an erste Stelle zu stellen. Ja, was denn sonst? Es wird empfohlen, eine ständige Beratungskommission für Ethik und Wohlbefinden einzurichten, die als „kritischer Freund“ agieren und notfalls eingreifen soll. Der Bericht fordert für die FEI eine Führungsrolle zum Thema Wohlbefinden, fortgesetzt durch die FNs, die Vereine vor Ort und schließlich den Pferdesportler selbst.
Wasser predigen und Wein trinken
Das meiste klingt nach grauer Theorie, aber nicht alles: Der Bericht fordert explizit eine Untersuchung von Zubehör und Ausrüstung. Das wäre tatsächlich eine Maßnahme: Alles, was Pferde, ob im Training oder beim Turnier im Maul und ums Maul herum tragen, kritisch unter die Lupe zu nehmen und zu verbieten, was den Ansprüchen an das Wohl des Pferdes nicht genügt. Wenn sich das durchsetzen ließe, gegen die Lobby der Industrie, die all dieses Metall- und Lederzeugs herstellt und verkauft, dann hätte der Pferdesport an Glaubwürdigkeit gewonnen, die er so dringend nötig hat. Denn wie einer der Befragten der FEI-Studie, ein gewisser Luke, richtig erkannt hat:
„Das Ideal der Teilnehmer, dem Wohlergehen der Pferde Priorität einzuräumen, stimmt nicht mit ihrer Praxis überein; es besteht eine Diskrepanz zwischen dem, was die Teilnehmer öffentlich teilen, und dem, was sie privat über das Wohlergehen von Pferden denken.“
Wasser predigen und Wein trinken, sich von Helgstrand distanzieren und morgen wieder das Pferd mit Schlaufzügeln zusammenstauchen – das ist doch das eigentliche Problem der Szene, die sich bis heute weigert, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Wie wäre es dann mal mit einer pferdefreundlichen Regelung für diese unsäglichen Gebisskonstruktionen im Springsport? Gerade dabei hat die FEI mal wieder vollkommen versagt. – und das findet nicht mal hinter verschlossenen Türen statt sondern ganz skupellos in aller Öffentlichkeit.
Das ganze Gelaber und die teuren Kommisionen kann man sich sparen. Lieber das Geld nutzen um flächendeckend unangekündigte Kontrollen durchzuführen. Im Profi- wie im Hobby-Stall. Da könnte man neben der Reithalle auch mal in die Boxen gucken und nachmessen. Wieviele 1,70 Pferde stehen auf 3×3 Metern und wieviele Pferde stehen bei bestem Pferdewetter den ganzen Tag in der Box? Mit entsprechenden Strafen ließe sich da sogar Gewinn machen!